Export statt Betriebsaufgabe

Handel

Weichen für den Export stellen

Die Firmengruppe Tönnies schlachtet rund 12 Millionen Schweine im Jahr. Sie arbeitet daran, das Ergebnis für 2009 noch zu verbessern. Allerdings fiel die Entscheidung, für den Export zu produzieren, in einer Zeit, als andere „die Schlachthaken aus dem Markt nahmen“, so Clemens Tönnies im Marktforum auf dem Stuttgarter Bauerntag am Mittwoch Abend. Die Märkte waren gesättigt, Spanien galt als das Land der preiswertesten Schweineproduktion und sollte nach Meinungen der Agrarexperten weite Teile Europas mit Schweinefleisch versorgen. Aufstocken und sich auf andere Märkte trauen, war eine Entwicklung gegen den Trend, so Tönnies. Doch, wenn sich ein Land auf den Selbstversorgungsgrad bezogen eine Autoproduktion leistet, die bei 400 Prozent liege, dann kann es sich auch eine Schweineproduktion leisten, die bei 150 Prozent liegt. Trotzdem bleibt Tönnies auch gegen die preiswerte Konkurrenz Marktführer. Tönnies sichert sich die Märkte durch Qualität. Heute liefert der Konzern in Schutzatmosphäre verpacktes Hackfleisch nach Portugal, Spanien und Griechenland. Erfolgreich ist auch der neueste Clou, Mittelstücke vom Schwein, die für den australischen Markt bestimmt sind, so zu verarbeiten, dass sie 40 Tage lang haltbar sind. In der Zeit könne Marktführer Brasilien keine Ware anliefern. „Wenn der Markt ruft, müssen wir schon da sein“, so Tönnies.

Hausgemachter Zeitdruck bei Nachhaltigkeitsverordnung
Ein Hektar Raps kann zwei verschiedene Anbauzertifikate erhalten. Wird er für Speiseöl geerntet, wird er weniger zertifiziert, als wenn er für Biodiesel verwendet wird. Das könne so nicht sein, warnte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. Die Zertifizierung für nachwachsende Rohstoffe sei wichtig, doch wichtiger sei sie in den Ländern wo keine Standards existieren. Daher sieht er die Eile des Bundestages, sich für eine Nachhaltigkeitsverordnung zu entscheiden für übertrieben. Zum einen sei sie über die Europäische Vorlage hinausgehend und es gebe derzeit noch nicht einmal Durchführungsbestimmungen der EU. Die Eile verhindere sachgerechte Lösungen, so der DBV.

Molkereien mit Nachholbedarf
Die Molkereien sind noch nicht so wettbewerbsfähig aufgestellt, meint Sönke Voss, Geschäftsführer von Humana. In der Vergangenheit sei viel Milch von den großen Molkereien „weggewandert“, in kleine Betriebe und auf den Spotmarkt. „Von den Molkereien zum Versandhandel“, sagte Voss. Selbstkritisch sind die Molkereien auch Schuld an der Verhandlungsmisere mit dem Lebensmitteleinzelhandel, wenn sich die Molkereien gegenseitig im Überflussmarkt unterbieten.
Humana hat mit seiner Zukunft schon begonnen. Mit der kürzlich gegründeten Nord Contor GmbH wollen sich zwei Molkereien besser positionieren. Humana selbst will in die Marktsegmente Eiskrem, der schon bei rund 100 Millionen Euro liegt, und Babynahrung einsteigen.

Patenschaft für Schulmilch
„Schulmilch muss wieder häufiger an Schulen angeboten werden und stärker in das Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler rücken. Um deutlich zu machen, wie wichtig dieses Anliegen ist, übernehmen wir für das Friedrich-Eugen-Gymnasium in Stuttgart die Patenschaft für Schulmilch“, sagte Gerd Sonnleitner. Zwei Klassen werden ein halbes Jahr lang kostenlos Schulmilch erhalten.

Zukunft Vertragslandwirtschaft
Bauern und Verarbeiter sitzen in einem Boot, stellte Joachim Rugwied, Präsident des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg, fest. Die Vertragslandwirtschaft werde künftig eine größere Bedeutung erlangen.
So hat sich Kaufland bei seinem SB-Fleisch drei Verarbeitungsbetriebe aufgebaut und bezieht das Fleisch aus Neidersachsen, Westfalen und Brandenburg. Das gehe nur, wenn die Bauern auch große Partien liefern können, sagt Richard Lohmiller von Kaufland. Hintergrund ist, das Kaufland sich damit einen größeren Anteil an der Wertschöpfungskette sichert, als wenn sie ihre Ware von Verarbeitern bezögen. Kaufland hat damit auch die Produktsicherheit und die -qualität in der Hand.

Sonnleitner und Aigner
Am Markt kommt niemand der Bauern mehr vorbei. Daher stellte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner in seiner Grundsatzrede am Donnerstag vormittag die Bedeutung der ersten Säule, die Direktzahlungen, über 2013 heraus. Die zweite Säule müsse so gestaltet werden, dass sie auch einkommenswirksam werde. Die Entscheidung, ob ein Betrieb bestehen bleibt, müsse auf den Höfen selbst fallen. Das solle nicht der Staat über eine Preisgestaltung tun. Auch nicht die EU, die demnächst für 30 Mitgliedsländer verantwortlich sein will. Zur Teller-Tank-Diskussion forderte Sonnleitner, den Ertrag von der Fläche zuerst im Futtertrog zur veredeln, dann erst in die Biogasanlage zu geben.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner will die Betriebe fördern, damit sie „Besser sind“ als der Wettbewerber auf dem Weltmarkt. Gleichzeitig soll die regionale Wertschöpfungskette erhöht werden. Aigner will einen alleinigen Ansprechpartner für das Exportgeschäft haben, eine Dachorganisation, die alle großen und kleinen Betriebe betreut. Zur Sicherung der Futterversorgung kündete sie eine „Proteinstrategie“ an.

Lesestoff:
Auf der Jahrestagung der Agrar- und Ernährungswirtschaft prognostizierte Unternehmensberater Hans-Joachim Trauzettel bereits die Ausweitung der handelseigenen Produktionsbetriebe.

Roland Krieg

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