Fair Trade: Angebot größer als Nachfrage
Handel
Fair Trade wächst und wächst …
Der faire Handel feiert in diesem Jahr sein Silberjubiläum. Mit Kaffee aus Nicaragua fing vor 25 Jahren alles an. Auch die Idee mit Kaffee, einem typischen Kolonialprodukt, Solidarität zu zeigen, stammt aus Nicaragua. Der Kauf von Sandinos Dröhnung unterstützte die Sandinisten gegen die Mittelamerikapolitik des US-Präsidenten Ronald Reagan.
Der Grundgedanke ist geblieben. Die Ziele sind bis heute modern auf die New Yorker Agenda 2030 ständig fortgeschrieben geworden und wer Kaffee, Bananen, Textilien, Nüsse und andere Waren kauft, der unterstützt Kleinbauern, deren Kooperativen und die Region mit einem Preisaufschlag für ein sichereres Einkommen, das in Schul- und Medizinprojekte sowie Verarbeitungsmaschinen investiert wird und den Menschen im Rahmen der Globalisierung einen fairen Handel garantiert.
Fairer Handel wirkt
Zum 25jährigen Bestehen hat das CEval-Institut von der Universität Saarbrücken die Veränderungen durch den fairen Handel in den Jahren 2000 bis 2015 untersucht [1]. Sowohl in der Zivilgesellschaft, als auch in der Politik und öffentlichen Verwaltung bis zu Handel und Konsumenten hat das Logo mit dem Begriff „Fairtrade“ die Wertvorstellungen in unterschiedlichem Maße verändert. Sichtbar wird das in der breiten Präsenz der Produkte. Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von TransFair Deutschland sagte am Montag in Berlin, dass die Produkte in mehr als 42.000 Geschäften vorhanden sind. Hinzu kommen rund 30.000 Außer-Haus-Verpflegungsstellen wie Bäckereien und zuletzt die Deutsche Bahn. Im letzten Jahr hat der faire Handel in Deutschland erneut um 18 Prozent zugelegt und setzte 1,2 Milliarden Euro um. Seit 12 Jahren wächst der faire Handel zweistellig.
Die Nachfrage nach fairen Produkten treibt den Handel als Mittler zwischen Konsumenten und Erzeugern um. Kaum eine Firma, die keinen Corporate Social Responsibility-Bericht schreibt. Diese gesellschaftliche Verantwortung äußert sich beispielsweise im Einkauf von Produkten mit Fairtrade-Logo. Das Engagement von Supermärkten bis hin zu Discountern hat aus der Nische längst einen globalen Markt gemacht.
Kaffee konnte um 25 Prozent auf 17.000 Tonnen zulegen, Bananen als umsatzstärkstes Segment kletterte auf 74.000 Tonnen – in Deutschland ausschließlich in Bio-Qualität. Das sind schon 10 Prozent Marktanteil am Gesamtbananenmarkt.
Handel bestimmt das Marktvolumen
Merling Preza Ramos ist Geschäftsführerin der nicaraguanischen Genossenschaft Prodecoop und FairTrade-Partner der ersten Stunde. Prodecoop mit 2.200 Mitgliedern feiert im nächsten Jahr das 25jährige Bestehen. Trotz aller Vorzüge eines sicheren Absatzmarktes mit Mindestpreisen, dem fairen Handel als Eintrittstor für einen neuen Absatzmarkt und den sozialen Nebeneffekten, verkauft die Genossenschaft lediglich 48 Prozent ihrer Ernte an Transfair. Das waren im letzten Jahr 2.111 Tonnen. Die Genossenschaft erzielte einen Umsatz von 900.000 US-Dollar.
In Afrika verkaufen Genossenschaften vereinzelt nur fünf bis zehn Prozent ihrer Ernte an Fairtrade. Gegenüber Herd-und-Hof.de begründet Ramos die Situation ganz einfach: Mehr gibt der Markt nicht her. Die Kleinbauern von Prodecoop würden gerne die gesamte Ernte fair vermarkten, die Nachbarn ebenfalls gerne am fairen Handel teilnehmen. Allein, es fehlt die Aufnahme im Handel.
Rückblickend ist die Aufnahme von Fairtrade-Produkten durch namhafte Ketten ein Schlüssel des Erfolges. Fast alle Kaffeehersteller haben solche Produkte gelistet. Bei Kakao und Reis ist das nicht der Fall. Es gibt nicht mehr als rund 700 Tonnen fair gehandelten Reis. Das würde sich schlagartig ändern, wenn große Marken wie Uncle Ben´s oder Oryza in den Markt einsteigen. „Das sind die Volumentreiber“, erklärt Overath. Beispiel Schweiz: Migros und Coop haben ihre Bananen-Eigenmarken komplett auf Fairtrade-Waren umgestellt. Die Schweizer haben praktisch kaum eine andere Möglichkeit, als faire Bananen zu kaufen. Das ist nach Overath ein Grund, warum die Pro-Kopf-Ausgaben für faire Produkte mit 69 Euro Weltrekord sind. In Deutschland liegt der Wert bei 13 Euro.
Zudem macht Overath an dem Beispiel den Unterschied zu Deutschland deutlich. Die Schweizer haben gleich den konventionellen Markt besetzt. Die deutschen Händler hingegen nutzen die konventionellen Bananen als Frequenzbringer. Fast wöchentlich gibt es die Banane irgendwo im Sonderangebot. Daher würde sich Overath über die erste konventionelle Fairtrade-Banane in Deutschland freuen. Die Händler steigen aber nicht um, weil sie ihr Lockangebot nicht mehr aufrechterhalten könnten. Und der Kunde zieht mit: „Mit welcher Selbstgerechtigkeit erwarten wir einen nicht nachhaltigen Preis“, fragt Overath.
Textilien
Die Umsetzung des fairen Handels basiert auf dem Begriff der Lieferkettenverantwortung. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat mit dem Textilbündnis einen ordentlichen Ansatz entwickelt, erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende Heinz Fuchs. Doch haben seit Umsetzung der Ziele viele Firmen das Textilbündnis verlassen [2]. Ob das staatliche Engagement am Ende für den fairen Handel förderlich oder hinderlich sei, ist noch offen. TransFair hat eine eigene Textilkette aufgebaut. Doch auch hier fehlt es an Volumentreibern. Fuchs wartet auf „das innovative große Unternehmen“, dass die Idee beflügelt. Das staatliche Bündnis biete Gelegenheit, sich hinter Minimalstandards zu verstecken.
Ziele
Daher steht für TransFair die Bearbeitung der Händler für Tradefair-Produkte auf der Arbeitsagenda ganz oben. Erstlistung von Produkten und Ausweitung des Angebotes. Das kann dafür sorgen, dass fair gehandelte Produkte flächendeckend in den Kooperationen und einer ganzen Region erzeugt werden können. Danach erst kommt die Gestaltung eines neuen Marktsegmentes. Das fair gehandelte Mobiltelefon ist also noch weit entfernt.
Die Erzeuger sind bereit, noch mehr faire Produkte zu liefern. Handel und vor allem die Konsumenten müssen deutlicher zeigen, dass sie eine faire Handelswelt wollen. Dann sind die Aussichten für die nächsten 25 Jahre genauso rosig, wie der Rückblick auf das erste Vierteljahrhundert.
Lesestoff:
[1] http://www.ceval.de/modx/ Aktuelles
[2] 42 Firmen haben das Textilbündnis verlassen: https://herd-und-hof.de/handel-/roadmap-textilbuendnis-wird-im-sommer-veroeffentlicht.html
Roland Krieg