Fairer Handel boomt

Handel

Fairer Handel kommt an

Zwischen 2004 und 2013 hat sich der Gesamtumsatz des fairen Handels von 99 auf 784 Millionen Euro fast verachtfacht. Wurden Kaffee, Tee und Banannen früher meist in Weltläden gekauft, finden die Waren von kleinbäuerlichen Kooperativen heute sogar Platz in den Regalen der Supermärkte. Im letzten Jahr ist nach Angaben des Dachverbandes „Forum Fairer Handel“ auf seiner Pressekonferenz am Dienstag in Berlin die Zahl der „Fair-Händler“, die Güter importieren, um 13 auf 57 gestiegen. Solche Händler, wie die GEPA, der Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt, El Puente oder BanaFair liefern rund 21 Prozent des Gesamtumsatzes. Den größten Teil steuert die Kölner Fairtrade hinzu [1].

Neue Absatzkanäle

Waren aus dem fairen Handel sind längst nicht mehr nur die ehemaligen „Kolonialwaren“, sondern auch Textilien und Produkte aus dem Kunsthandel. Dennoch stellen Südfrüchte mit 35.000 Tonnen und Kaffee mit 14.000 Tonnen den Löwenanteil. Wertmäßig steht Kaffee mit 36 Prozent Umsatzanteil ganz vorne.
Die „Fair Händler“ verkaufen 42 Prozent ihrer Waren über die Weltläden, können aber mit neuen Absatzkanälen, wie dem Online-Handel und der Gastronomie neue Käuferschichten erobern. Dort stieg der Umsatz von 2012 zu 2013 um 40 Prozent von 15 auf knapp 21 Millionen Euro.

Gleichzeitig konnten die Händler ihre Partnerschaften ausbauen. Mehr als 780 Partner vor Ort sind meist Kleinbauern-Kooperativen und Handwerker-Communities gebildet.

Externe Kontrollen

Immer wieder wird die Branche durch Negativmeldungen erschüttert. Nicht alle Produkte sind zu 100 Prozent fair gehandelt und Wanderarbeiter erhalten nur niedrige Löhne. Manuel Blendin, Geschäftsführer des Forums Fairer Handel“, nimmt die Kritik ernst. Einen Teil führt er auf den Wandel der Branche zurück: Früher standen vor allem Kleinbauern im Fokus der Partnerschaften – heute werden die lokalen Handelspartner größer.
Um die hohe Glaubwürdigkeit des fairen Handels zu erhalten hat die World Fair Trade Organization (WFTO) ein neues System der externen Kontrollen geschaffen.

TTIP

Der faire Handel ist ein ursprüngliches Element der Entwicklungshilfe. Den Erzeugern werden höhere Preise bezahlt, damit sie diesen Mehrwert in ihre Arbeit und Infrastruktur investieren können und ihre Kinder zur Schule schicken. Das hat mittlerweile die nationale und internationale Politik aufgenommen und verwendet das gleiche Vokabular für die gleichen Ziele. Aber mit anderen Instrumenten.

Indien hat jüngst die WTO-Gespräche und damit die als Entwicklungsrunde bezeichnete Doha-Runde platzen lassen [2]. Dafür nimmt die Zahl der bilateralen Handelsabkommen zu [3]. Das größte wird das transatlantische zwischen den USA und der EU (TTIP) sein [4]. Das stößt bei den fairen Händlern auf Kritik. Sie fürchten, dass der Süden „draußen bleibt“. Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung erklärt warum:

Zum einen ziehe der neue Handelsraum Warenströme auf sich, die zu Lasten anderer Nationen gehen. So werde nach Analyse der Bertelsmannstiftung Nordafrika rund fünf Prozent Handelsvolumen verlieren, die auch über einen fairen Handel nicht mehr ausgeglichen werden können, so Maier. Zum anderen blieben nach Maier die Versprechen, keine Standards senken zu wollen, leer, weil das nur gehe, wenn sie nicht verhandelt würden. So aber verfolge das TTIP eine Liberalisierungspolitik für Firmen. Bei kleinen Abkommen wie mit Kolumbien spürten die deutschen Konsumenten keine Auswirkungen, weil kaum jemand kolumbianische Firmen kennt und sie auch nicht fürchten muss. Das sei bei den amerikanischen Firmen anders.

Mittlerweile mehren sich Stimmen in der EU-Kommission, dass die Chance für eine TTIP-Umsetzung nur noch bei 50 Prozent liege. Auf Verhandlungsweg ließen sich keine höheren Standards durchsetzen, lautet die Erkenntnis. Diese Position Maiers wird ausgerechnet durch die Haltung des amerikanischen „Consortium for Common Food Names“ (CCFN) unterstrichen. Im Juni hat sich die CCFN gegen die europäischen Vorschläge der geografischen Herkunftsangaben gewehrt. Würde sich die EU durchsetzen, dann dürfte Dänemark als einziges Land „Havarti“-Käse verkaufen. US-Ware käme nur unter der Bezeichnung „Havarti-ähnlich“ auf den Markt [5]. Das kaufe niemand, erklärt Jamie Castaneda, Präsident des CCFN, in der aktuellen Ausgabe der Lebensmittelzeitung. Solche Vorgaben seien nicht im Interesse der US-Industrie und nur ein Beispiel. Das CCFN kann sich auf 177 Kongressabgeordnete stützen, die der EU diesen Mai ein aggressives Verhalten bei der Verteidigung der geografischen Angaben bescheinigten.

Streitpunkt Intransparenz

Eine der großen Kritikpunkte der TTIP-Gegner ist die Intransparenz der Verhandlungen. Die ARD hat zu Beginn dieser Woche TTIP als „Geheimakte Freihandelsabkommen“ bezeichnet. Unter anderem geht es um ein „Schlupfloch“ für die Zulassung von US-Chemikalien, die von der EU als gefährlich eingestuft sind. Die EU wehrt sich dagegen und hat am Dienstag diese Sichtweise zurückgewiesen. Frank Hoffmeister, stellvertretender Kabinettschef des EU-Handelskommissar Karel de Gucht sagte in Brüssel: „Die Schlussfolgerung unterliegt einem offensichtlichen logischen Bruch. Weder der Beirat noch der Rat könnten als Vertragsorgane eine gegenseitige Anerkennung für neue Chemikalien ansprechen, sondern allenfalls Empfehlungen. Vielmehr unterliegt jede Chemikalie, die in Europa in Verkehr gebracht wird, den EU-Vorschriften von der einschlägigen REACh-Richtlinie und dem dort vorgesehenen Zulassungsverfahren.“ REACh sei geltendes Recht und könne auch von TTIP nicht ausgehebelt werden, so Hoffmeister. Schon im Mai habe die EU einen Monitor-Bericht zurückgewiesen, dass nach TTIP in der EU Asbest wieder verwendet werden dürfte.

Falsch sei auch die Darstellung eines Geheimpapiers, nachdem amerikanische Krankenhausketten in Europa tätig werden und Krankenschwestern nach US-Recht bezahlen würden.

Hoffmeister verweist darauf, dass die EU-Positionspapiere öffentlich seien, die nationalen Regierungen volle Konrolle über ihre Angebote zu Zollfragen und Marktzugang hätten und die Verbreitung von US-Papieren datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterlägen. Die US-Regierung sei mittlerweile bereit, konsolidierte Texte EU-Abgeordneten im Leseraum zur Verfügung zu stellen.

Paradigmenwechsel im Handel gefordert

Nach Maier müsse ein genereller Wechsel in der Handelspolitik stattfinden. Mehr als zwei Milliarden Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern haben nicht mehr als zwei US-Dollar am Tag zum Überleben. Konventionelle Marktkräfte drängten diese Menschen immer weiter an den Rand. Deshalb haben die beiden Foren politische Forderungen für politische Weichenstellungen aufgestellt. So müssen Handelsabkommen sowohl soziale als auch ökologische Standards berücksichtigen und durch regelmäßige Folgeabschätzungen auf Drittstaaten ergänzt werden. Vor allem für die Landwirtschaft gebe es bereits ein Modell: Die bäuerliche und umweltgerechte Landwirtschaft im Sinne des Weltagrarberichtes der Vereinten Nationen.
Widerhall gibt es dazu auch im Europäischen Parlament. Dort engagieren sich 69 Abgeordnete für ein „Alternatives Verhandlungsmandat“ [6].

Nachgefragt zum Fairen Handel

HuH: In den letzten sieben Jahren hat sich der Umsatz fair gehandelter Produkte vervierfacht. Nicht zuletzt, weil auch konventionelle Supermärkte in diesen Markt eingestiegen sind. Ähnlich wie im Biosegment geht so eine Marktexpansion mit einer Siegelvielfalt und Unübersichtlichkeit an verschiedenen Standards einher. Wie stellen Sie sicher, dass Verbraucher eine einfache Orientierung für ihre Kaufentscheidung behalten?

Manuel Blendin: Das Forum Fairer Handel informiert über die verschiedenen Ansätze des Fairen Handels sowie über die von uns anerkannten Siegel und möchte dadurch Verbraucher/innen Orientierung bieten:
Produkte aus Fairem Handel erkennen Sie an den anerkannten Siegeln des Fairen Handels, an den Marken anerkannter Fair-Handels-Importeure und am Verkauf in Weltläden. Die Verbraucher/innen finden in Weltläden ein breites Produktsortiment fair gehandelter Waren, die diese von anerkannten Fair-Handels-Importeuren beziehen. Das sind Organisationen, die ausschließlich im Fairen Handel aktiv sind. In Bioläden und Supermärkten sowie in Cafés, Restaurants und Kantinen sind zudem Fair-Handels-Siegel auf Produkten ein verlässlicher Hinweis, dass diese fair gehandelt sind. Die bekanntesten Siegel für Fairen Handel in Deutschland sind das Fairtrade- und das Naturland-Fair-Siegel. Darüber hinaus erkennt das Forum Fairer Handel IMO Fair for Life und Ecocert als Fairen Handel an.

HuH: Weil Fairtrade nicht 100-prozentig faire Produkte hat, entwickelte die GEPA, die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt“, das Siegel Fair+. Dennoch kommen nur wenige hunderttausende Kleinbauern in den Genuss fairer Handelspreise, während beispielsweise die 4C-Initiative bei Kaffee mit niedrigeren Standards gleich Millionen von Bauern Verbesserungen bringt. Was ist der richtigere Weg?

Manuel Blendin: Der Faire Handel möchte durch bessere Handelsbedingungen die sozialen Rechte für benachteiligte Produzent/innen und Arbeiter/innen stärken. Mit diesem Ansatz wird nur ein kleiner Teil dieser Produzent/innen erreicht. Grundsätzlich verfolgt der Faire Handel aber zwei Strategien: Durch höheren Umsatz sollen mehr Menschen direkt vom Fairen Handel profitieren. Gleichzeitig wendet sich der Faire Handel gegen die Benachteiligung bestimmter Produzentengruppen: Er strebt gemäß seinem Selbstverständnis nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel, nach politischen Regelungen für alle. Dieser Weg erscheint uns der zielführende.

HuH: Kleinbauern in einer Kooperative, die an einen Fairen Handel angeschlossen sind, geht es besser. Sie können investieren, die Kinder zu Schule schicken und an ihrer Infrastruktur arbeiten. Das sind im Eigentlichen makroökonomische Aufgaben der einzelnen Staaten, die sie in den letzten Dekaden vernachlässigt haben. Senden Ihre Projekte Impulse an die lokalen Regierungen aus, Investitionen in den ländlichen Raum zu tätigen und einen Binnenmarkt zu entwickeln?

Manuel Blendin: Der Faire Handel wendet sich nur indirekt an Regierungen im Globalen Süden. Die Produzentenorganisationen werden aber in vielen Fällen politisch aktiv und richten Forderungen an ihre Regierungen. Es ist es ein Ziel, die Abhängigkeit der Produzent/innen von einzelnen Exportgütern zu reduzieren. Die Produzentenorganisationen entwickeln daher auch Strategien für die Diversifizierung ihrer Produktpalette oder den Anbau von Produkten für den Binnenmarkt.

HuH: Der Faire Handel wird überwiegend mit den Beziehungen zu den Schwellen- und Entwicklungsländern in Verbindung gebracht. In Deutschland zeigt die Mindestlohndebatte in der Fleischwirtschaft und der Landwirtschaft, dass auch vor der eigenen Tür einiges im Argen liegt. Brauchen wir auch fair gehandelte Produkte aus Deutschland?

Manuel Blendin: Benachteiligte Produzent/innen gibt es auch in Europa. Deswegen gibt es inzwischen auch fair gehandelte Produkte aus dem Globalen Norden. Anerkannt wird von uns das Naturland Fair-Siegel, das man zum Beispiel auch auf faire Milch findet. Der Schwerpunkt des Fairen Handels wird auch weiterhin auf der Zusammenarbeit mit Handelspartnern in den Ländern des Südens liegen. Unser Ziel ist es, durch partnerschaftliche Zusammenarbeit nachhaltige Produktions- und Handelsstrukturen zu unterstützen – im Süden und im Norden.

Nachgefragt zum Handelssystem

HuH: Nachdem Indien die WTO-Verhandlungen hat platzen lassen, werden die zahllosen bilateralen Handelsabkommen weiter aufblühen. Welche Chancen sehen Sie, soziale und ökologische Standards in solche Verhandlungen einzubringen? Ist es über die eigene Regierung nicht sogar einfacher, als über ein multilaterales Abkommen?

Jürgen Maier: Indien hat das Abkommen platzen lassen, weil es ihm, verboten hätte, seine Programme zur Lebensmittelsubventionierung für Arme weiterzuführen. Es war völlig richtig, so ein Abkommen zu stoppen. In den bilateralen Verhandlungen können soziale und ökologische Standards nur theoretisch besser eingebracht werden, aber die verhandelnde EU-Kommission ist dazu nicht bereit. Die bilateralen Verhandlungen werden nur geführt, weil die EU ihre Marktöffnungsinteressen glaubt bilateral stärker durchsetzen zu können. Das hat aber nicht viel mit höheren ökologischen oder sozialen Standards zu tun

HuH: Der seit einem Jahr amtierende WTO-General-Direktor Roberto Carvalho de Azevedo hatte seinen Erfolg an die Fortsetzung der Doha-Runde geknüpft. Er wollte nicht neu, sondern anders verhandeln. Welche Chancen hat die WTO noch?

Jürgen Maier: Die WTO besteht und hat ein umfangreiches Vertragswerk für den Welthandel, samt Durchsetzungsmechanismen. Was nicht funktioniert, ist das Projekt der EU und der USA für eine ständig weiter fortschreitende Liberalisierung, Deregulierung und Globalisierung. Dieses Projekt ist weder international noch in der europäischen und amerikanischen Öffentlichkeit mehrheitsfähig. Deswegen ist es gut, dass dieses Projekt nicht vorankommt. Das ändert aber nichts daran, dass die WTO eine umfangreiche Regulierung des Welthandels sicherstellt. Wenn man sich mal von der Idee verabschiedet hat, man müsse immer weiter globalisieren und deregulieren, gibt es keinen Grund an der Zukunft der WTO zu zweifeln.

HuH: Corporate Social Responsibility (CSR) hat bei transnationalen Konzernen Konjunktur. Die Privatwirtschaft soll die nicht mehr ausreichenden Milliarden aufbringen, die den öffentlichen Händen nicht mehr zur Verfügung stehen. Welche Rollen können private Investoren für die Entwicklungszusammenarbeit wirklich leisten?

Jürgen Maier: Welche Rolle private Investoren in der EZ leisten können, hängt ganz von ihren jeweiligen Interessen und Vorlieben ab. Mir wäre es weitaus lieber, man würde die privaten Investoren mit den Steuersätzen, wie sie noch in den 1990er Jahren üblich waren, anständig besteuern und dann die öffentliche EZ demokratisch ausbauen, als auf die freiwilligen Investitionen der Privatwirtschaft zu setzen.

Vielen Dank für die Antworten.

Die Fragen stellte Roland Krieg.

Lesestoff:

www.forum-fairer-handel.de

www.wfto.com

www.forumue.de

[1] Transfair auf der ANUGA 2013

[2] Neuer WTO-General-Direktor

[3] Bilateral statt Multilateral

[4] Die TTIP-Gegner formieren sich

[5] US-Firmen wehren sich gegen EU-Angaben: www.commonfoodnames.com , 23.06.2014

[6] www.alternativetrademandate.org Die Bundesgrünen und die SPD haben Ende 2012 ihre Entwicklungsstrategien zu Papier gebracht

Roland Krieg; Grafiken und Fotos: Forum Fairer Handel

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