Fluchtursachen: Neues Wort, alter Streit

Handel

Oppositionsanträgen zur Bekämpfung von Fluchtursachen

Wer einmal in den heute zerstörten Straßen und Häuser in Syrien gewohnt hat, möchte nach fünf Jahren Bürgerkrieg endlich einmal ruhig schlafen. Wer auf dem Land seine Familie nicht mehr ernähren kann und weiß, dass er in der Stadt auch keine Arbeit finden wird, den zieht gleich in eines der vermeintlich „gelobten Länder“. Wer der Wüste oder den Fluten weichen muss, wird sich ein neues zu Hause suchen. Aus den unterschiedlichsten Gründen sind derzeit weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht.

Hinter dem neu-politischen Begriff „Fluchtursachen bekämpfen“ stehen die „alten Ziele“ der 1980er Jahre, die als „Entwicklungsjahrzehnt“ galten: Hunger beenden, Armut reduzieren, Kindern eine Ausbildungschance geben. Und nicht zuletzt: Den Weltfrieden erreichen. Schon damals gab es zwei gegensätzliche Herangehensweisen: Hilfe durch Handel – oder hat der Handel die Armut nicht erst verursacht?

In den letzten 30 Jahren ist die Erkenntnis über die Armutsursachen komplexer geworden. Auch, weil sich die Theorie der Mechanisierung der Landwirtschaft und Freisetzung von Arbeitskräften, die in der Stadt in der Industrie und dem Dienstleistungssektor Beschäftigung finden, nicht funktioniert hat. Diese „nachholende Entwicklung“ nach dem Vorbild der industriellen Revolution in Westeuropa funktioniert wegen fehlender Arbeitsplätze in den südlichen Ländern maximal äußerst zäh.

Erst als die Flüchtlinge die europäische Türschwelle überschritten, kommt mit dem Begriff „Fluchtursachen bekämpfen“ Bewegung in die Rhetorik. Die Aufgaben sind die gleichen wie vor 40 Jahren. Ohne neue Rhetorik hat der Weltzukunftsvertrag in New York mit der Agenda 2030 die Ziele kohärent zusammen geführt. 17 Ziele und 169 Maßnahmen. Aber auch die Trennlinien bleiben die gleichen, wie der Auswärtige Ausschuss des Bundestages unter Beweis stellte.

Unter dem Namen „Fluchtursachen bekämpfen“ forderte die Linksfraktion die Einstellung von Rüstungsexporten, ein Verbot der Nahrungsmittelspekulation, die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerflucht multinationaler Konzerne sowie die Orientierung der Außenpolitik auf eine aktive Friedenspolitik.

Bündnis 90/Die Grünen forderten in ihrem Antrag „Fluchtursachen statt Flüchtlinge bekämpfen“, die negative Folgen des Wirtschaftssystems abzustellen sowie Armut und Zukunftslosigkeit zu bekämpfen. Klimaschutz verhindere das Ausweichen der Menschen vor Überflutung und Ausbreitung der Wüste und falls geflüchtet wird, sollten legale Fluchtwege und Migrationsmöglichkeiten den Menschenhandel der Schlepper abstellen.

Nach einem Marathon der Anträge durch weitgehend die gleichen Bundestagsausschüsse und Ablehnung durch die Regierungskoalition in allen Abstimmungen kam dann auch der Auswärtige Ausschuss Ende Januar zu keinem anderen Ergebnis. Alle nutzen zwar das gleiche Wort, alle verstehen jedoch etwas anderes darunter. Stillstand seit 40 Jahren.

Handel und Entwicklung

Unter niederländischer Ratspräsidentschaft haben sich die Länderminister für Wirtschaft und Entwicklungshilfe auf einem gemeinsamen Treffen für mehr Kohärenz ihrer Politikressorts eingesetzt. Die niederländische Ministerin Lilianne Ploumen gilt als Vorbild, da sie die Ressorts Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit bearbeitet.

Anhand der Textilindustrie hat Ploumen den Mehrwert aufzeigen, den Außenhandel und Entwicklung gemeinsam hervorrufen können. 500 Millionen EU-Konsumenten und Millionen von Geschäften seien eine einzigartige Nachfragemacht für Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortlichkeit.

Verantwortliche Lieferketten

Im Vorfeld des Treffens haben die EU, die USA, Kanada und Bangladesch zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO am 28. Januar in Dhaka weitere Prioritäten für die Sicherheit von Textilarbeiter ausgearbeitet. „Verantwortliche Lieferketten sind Teil der neuen EU-Handelsstrategie“, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Nach Gründung des „Bangladesh Sustainability Compact“ im Jahr 2013 war es nach 2014 das zweite Treffen vor dem Hintergrund des Gebäudeeinsturzes mit 1.129 Toten im Jahr 2013. Initiativen wie die des „Bangladesch Paktes“ können nach EU-Arbeitskommissarin Marianne Thyssen einen Impuls für die nachfolgende Wertschöpfungskette geben. Bangladesch habe Fortschritte im nationalen Arbeitsrecht gemacht und steht vor Umsetzung neuer Sicherheitskonzepte für Hunderte von Textilfabriken im Land. Dazu wurden im Haushalt neue Finanzmittel bereitgestellt.

Nächste Schritte sind die Zulassung von Gewerkschaften, die komplette Umsetzung der Arbeitsrechte, die Regelmäßigkeit von Kontrollen und Bekanntmachung der Fortschritte bei exportorientierten Firmen.

Lesestoff:

Bangladesch hat die Fortschritte auf der Seite des Handelsministeriums aufgelistet: www.mincom.gov.bd (auch in englischer Sprache).

Roland Krieg; Foto: Ministerium für Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit der Niederlande

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