Frauen in der arabischen Wirtschaft

Handel

Arabische Frauen für ein nachhaltiges Wachstum

„Die Gleichstellung der Geschlechter sicher stellen und die Rechte der Frauen stärken“ – so lautet das 3. Millenniumsentwicklungsziel der Vereinten Nationen. Selbst in Deutschland hat es zehn Jahre gebraucht, bis dem Eintrag in das Grundgesetz auch die Umsetzung in der Gesetzgebung folgte, erinnerte Außenminister Guido Westerwelle. Umso schwieriger ist das in der arabischen Welt, die mit ihrem Aufbruch in den politischen Frühling auf die Frauen setzt.
In Berlin veranstaltete die Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development (EMA) zusammen mit der Handelskammer Hamburg das 2. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum. Das Treffen fand im Auswärtigen Amt statt, das unter dem scheidenden Westerwelle eine bedeutende Rolle in der Entwicklungshilfe zugeschrieben bekam.
Das Forum zeigte aber auch die notwendigen Differenzierungen auf. „Die arabische Welt“ gibt es nicht. Genau so wenig wie das generelle Bild von der Rückständigkeit von Frauen in der arabischen Welt, betonte Silem Badi, tunesische Ministerin für Frauenangelegenheiten. Länder wie Marokko haben mittlerweile 3.200 Frauen in den Kommunalparlamenten, Ägypten steht generell am Scheideweg und in Tunesien gibt es bereits 18.000 Unternehmerinnen.

Stabile Gesellschaft durch Beteiligung von Frauen

Die Unterschiede müssen nach Westerwelle auch in einer differenzierten Politik zwischen den Ländern ausgedrückt werden. Es gibt aber Gemeinsamkeiten: Ein stabiles Land braucht eine stabile Regierung, die durch eine stabile Gesellschaft getragen wird, in der die Frauen eine stabilisierende Wirkung ausüben.
Familienministerin Dr. Kristina Schröder setzt auch auf die Frauen. Sie haben die Revolution mitgetragen und fordern nun die Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung ein. Tunesien steht dabei im Mittelpunkt. Das Land hat mit der Jasmin-Revolution den arabischen Frühling eingeleitet. Seit 1957 gibt es dort ein Frauenwahlrecht. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) ist mit verschiedenen Projekten dabei, den lukrativen Tourismus wieder auf das Niveau der Vor-Revolution zu hieven. Arbeitsplätze für Frauen spielen in der Entwicklung des ländlichen Raums eine besondere Rolle [1].

Herausforderungen

Über die Medien sind Irritationen zu vernehmen. Jüngst bekamen Jugendliche in Marokko ein Problem wegen eines Kussfotos im Social Network, aktuell gibt es Restriktionen gegen Auto fahrende Frauen in Saudi-Arabien. Auch das Forum blieb nicht verschont. Ein Teilnehmer aus Ägypten argwöhnte, dass von den Projekten nur „säkularisierte Frauen“ partizipieren. Die „Muslimschwestern“ verträten eine andere und eigene Freiheit. Diese demonstrierten auf dem Tahrir-Platz gegen Mubarak, wollen Politik und Religion aber nicht trennen – auch wenn sie sich eine ägyptische Präsidentin vorstellen könnten. Weil der Teilnehmer in der Pause weiter auftrumpfte haben die Veranstalter ihn mit Hilfe der Polizei vom Forum ausgeschlossen. Er trug das R4bia-Zeichen, die schwarze Hand mit vier Fingern auf gelbem Grund, das von Mursi-Anhängern genutzt wird.
Gibt es eine Dichotomie zwischen Frauen und Islam? In der Tat besteht nach Prof. Dr. Annette Jünemann von der Helmut Schmidt University das Problem, mit dem ganzen Spektrum an Muslima in Kontakt zu treten. Das ist eine Herausforderung, bestätigte Helga Lukoschat, Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin der Europäischen Akademie für Frauen (EAF). In Tunesien werden alle Frauen angesprochen und nehmen alle Frauen an Diskussionsrunden teil. Auf lokaler Ebene lösten sich die Fronten auf. Nach Dr. Bahia Bejar-Ghadeb vom tunesischen EAF-Projekt „Demokratie braucht Frauen“ sind 80 Prozent der Frauen in den Projekten verschleiert und lernen, dass sie ein Erbe vertreten und weiter geben können.

Ouissal

Ouissal heißt Brücke und bezeichnet das Deutsch-Arabische Mentoring-Projekt, in dem entweder eine arabische oder deutsche Mentorin eine Partnerin aus dem anderen Kulturkreis betreut. Es ist auf Tunesien beschränkt und will die Befähigung der tunesischen Frauen für die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft befördern. Von insgesamt 15 laufenden Mentoring-Projekten wurden zwei auf dem Netzwerkforum ausgezeichnet. Die Projekte beruhen auf handwerklicher Arbeit im ländlichen Raum. Zum Beispiel:

Schurwolldecken aus Sabria

Eines der beiden prämierten Tandems ist das Projekt „Laine de Sabria“ von Douja Ben Mahmoud Gharbi und Rudegard Kahle. „Laine“ heißt Wolle und der Ort Sabria liegt rund 40 Kilometer westlich von Douz im Süden Tunesiens in Richtung Algerien. „Kurz vor der Sahara“, sagte Radegund Kahle zu Herd-und-Hof.de.
Schafe sind die wenigen Nutztiere, die am Rand der Wüste den Bauern ein Einkommen bescheren. Jede Familie hält bis zu 20 Tiere. Die Lage von Sabria hat als Ausgangspunkt für Wüstentouren eine bescheidene Tourismusinfrastruktur entstehen lassen. Die Schafswolle bietet aber jedem Haushalt eine neue Einkommensmöglichkeit.
Die Bäuerinnen verarbeiten die Wolle mit traditionellen Webstühlen. Neben der traditionellen Kleidung entstehen Decken aus Schurwolle, die sowohl im Winter als auch im Sommer für eine angenehme Temperatur sorgen. Da die Vermarktungsmöglichkeiten vor Ort begrenzt sind, der Verkauf aber eine weitere Einkommensmöglichkeit bietet, entstand die Idee, die Decken nach Europa zu verkaufen. Sie gelten als naturbelassen und authentisch und finden deshalb ihre Käufer.
Mittlerweile hat sich aus dem Projekt heraus eine Firma etabliert. Die Frauen aus Sabria arbeiten selbsttätig und in freier Arbeitszeit. Sammlerinnen kaufen die Decken auf und nehmen die erste Qualitätskontrolle vor. Es dürfen weder Löcher noch Holzstückchen in der Schurdecke vorhanden sein. Vor dem Export nach Hamburg findet eine zweite Qualitätskontrolle statt.
Jede Decke hat ihr individuelles Merkmal und die zusätzlichen Einkommen sichern die Existenz in Sabria durch eigene Arbeit.

Beitrag zur Regionalentwicklung

Die Projekte setzen auf die Regionalentwicklung. In Tunis sind internationale Organisationen genug vertreten, erklärte Dr. Bahia Bejar-Ghadeb. Für den ländlichen Raum sind meist die infrastrukturellen Voraussetzungen kaum gegeben, so dass Projekte besonders hohen Nutzen nach sich ziehen können. Schwerpunkte müssten Kleinprojekte mit ein bis zwei Personen sein.
Auf dem Land lässt sich auch politisch etwas bewegen. Die 3.200 lokalen Politikerinnen in Marokko sind vor allem deshalb ein Erfolg, weil nur in den Städten nach Listen gewählt wird. Auf dem Land, so Nouzha Skalli, Familienministerin a.D. in Marokko, gibt es ein Mehrheitswahlrecht. Sie selbst habe erst nach zahlreichen Kandidaturen einen Platz im Parlament erhalten. Seit zwei Jahren baut Marokko an Reformen für Menschenrechte, Gleichberechtigung und ökonomischen Freiheiten für Frauen. Mittlerweile gehen 95 Prozent der Mädchen zur Schule, fast 45 Prozent der Studenten sind Frauen. Bildung, unterstreicht Skalli, ist der wichtigste Mechanismus um die Frauen für eine nachhaltige Entwicklung nach vorne zu bringen.

Lesestoff:

www.ema-hamburg.org

www.ouissal.org

[1] BMZ und Tourismus

Maghreb-Forum 2011 in Berlin

Roland Krieg

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