Fruit Logistica 2013

Handel

Esst mehr Obst und Gemüse

Mit 2.543 Ausstellern aus 78 Ländern ist die Fruit Logistica, die heute Morgen auf dem Berliner Messegelände gestartet ist, eine der internationalsten Messen weltweit. Aus 120 Ländern werden mehr als 55.000 Fachbesucher erwartet, die von der Erzeugung bis zum Handel die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Daher hat die Messe für Obst und Gemüse auch einen hohen politischen Stellenwert, erläuterte Dr. Christian Göke, Geschäftsführer der Messe GmbH, zur Eröffnung. Sozialstandards, Fair Trade, Klimabilanz und Regionalität sind einige Themen der Fachkonferenzen.

Partnerland Peru

Mit Mazedonien, Rumänien, Saudi-Arabien und den Philippinen nehmen gleich vier Länder das erste Mal an der Fruit Logistica teil. In diesem Jahr ist Peru das Partnerland der Messe, das im letzten Jahr 842.000 Tonnen Obst und Gemüse im Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar exportiert hat. Die Hauptlieferländer sind die USA, die Niederlande, Großbritannien und Hongkong. Peru exportiert für 286 Millionen US-Dollar weltweit den meisten Spargel und hat sich bei Avocados und Bananen auf den dritten Exportplatz nach oben gearbeitet. Der Messeauftritt in Berlin soll nicht nur den deutschen Markt besser erschließen, sondern vor allem neue Kunden in Asien und Osteuropa gewinnen.

Obst und Gemüse sind zu wenig sexy

Dieter Krauß, Präsident des Deutschen Fruchthandelsverbandes (DFHV) beklagt die Kluft zwischen Wissen und Handeln beim deutschen Verbraucher. Extra zur diesjährigen Fruit Logistica hat eine Studie das Wissen und die Einstellung bei Verbrauchern abgefragt. Demnach wissen Konsumenten zwar, dass der Verzehr von Obst und Gemüse Kreislauf und Immunsystem stärkt – sie wollen aber nicht immer daran erinnert werden. Die Menschen wissen auch, dass Obst und Gemüse gut für die Klimabilanz sind – doch ist das kaum ein Grund, mehr Obst und Gemüse zu kaufen. Klare Defizite gibt es beim Wissen über die Sortenvielfalt der bunten Vitaminträger – nicht nur bei den exotischen Sorten. Damit einher fehlen oftmals Kenntnisse über Lagerung, Zubereitung und Variationsmöglichkeiten in der Küche.
Die Studie hat mit einem weiteren Ergebnis gleich das Fazit herausgefunden: Verbrauchern fehlt der emotionale Bezug zu Obst und Gemüse. Die Wertschätzung könnte größer sein.
Gerade in Deutschland werden Obst und Gemüse wie Fleisch unter dem Motto „immer günstiger“ beworben. Auf den Handzetteln werden immer wieder nur Preis und Handelsklassen groß herausgestellt, kritisiert Krauß. Er wundert sich, dass Verbraucher neuseeländische Kiwi zu einem Stückpreis von neun Cent kaufen, ohne sich dabei etwas zu denken. Die Mehrwertsteuer, Transport und Handelsmarge müssen darin noch enthalten sein. Das Gefühl „Kost´ nichts, ist nichts“, sei bei den Kunden verloren gegangen.
Vor diesem Hintergrund warnt Krauß auch vor Fehleinschätzungen: Wenn Obst und Gemüse um fünf bis zehn Prozent teurer werden, höre sich das zunächst einmal viel an. Doch müsse auch geprüft werden, von welch niedrigem Preisniveau die Steigerung starte.
Der Handel ist dabei nicht unschuldig. 1999 hatten die größten acht Handelsketten zusammen einen Marktanteil von 70 Prozent. Heute, so ergänzt Dr. Göke, füllen fünf Handelsketten den Markt bereits zu 85 Prozent aus. Preiskampf und intensiver Wettbewerb prägen die Wertschöpfung.

Fachkraft und Frische-Plakat

Im April haben die ersten Fachkräfte für Obst und Gemüse ihre Qualifizierungsmaßnahme beendet und werden mit dem Partner Globus erstmals in den Obst- und Gemüseabteilungen Fachberatungen durchführen. Zusammen mit der Plakataktion „Frische ist Leben“ [1] werden die Verbraucher in der kommenden Saison fachlich und emotional angesprochen, um mehr Obst und Gemüse zu essen.
Das ist dringend nötig, denn die Deutschen gehören zu den Konsumenten, die entgegen den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation am wenigsten verzehren. 400 Gramm Gemüse und 250 Gramm Obst am Tag sollen es sein, die Deutschen liegen mit zusammen 212 Gramm im unteren Drittel der EU-Bürger:

Neidisch blickt Dieter Krauß auf die Mineralwasserbranche. Wasser wird heute so emotional beworben, dass die jungen Menschen mit der Flasche in der Hand durch die Stadt laufen „und das auch noch cool finden“. Davon ist die Obst- und Gemüsebranche weit entfernt. Der Niedrigpreis hat künftig noch mehr Auswirkungen. Europa und speziell Deutschland gelten im Gegensatz zu den neuen Absatzmärkten der Schwellenländer als Tiefpreisregion. Exporteure suchen nach lukrativeren Absatzmärkten. Möglicherweise fließt weniger Ware nach Deutschland.

Markenbewusstsein

Theo de Kool, Geschäftsführer des belgischen Fruchthändlers „Univeg“ beschrieb schon zu Jahresbeginn, dass Obst und Gemüse teurer werden könnten. Die Exportströme fließen verstärkt nach Asien und den Mittleren Osten. Dieser „radikale“ Umbruch werde sich auch auf die Verbraucher in Europa auswirken.
Dennoch wollen die Erzeuger nicht auf den europäischen und deutschen Markt verzichten. So haben sich jüngst das peruanische Exportunternehmen „Camposol“ und die chilenische „Agricom“ zusammengeschlossen, um gemeinsam den europäischen Markt zu bearbeiten. Dennoch – viel Luft nach unten besteht nichtmehr, erläuterte Krauß gegenüber Herd-und-Hof.de. Länder mit traditionellen Lieferbeziehungen wie Südafrika oder in Südamerika wendeten sich bereits vom deutschen Markt ab. Dass höhere Preise erzielt werden können, zeigten die Nachbarländer Frankreich und Spanien.
Es fehlt an Marken, wiederholt Krauß. Selbst „Chiquita“ war früher das Synonym für eine Banane. Heute sind Obst und Gemüse austauschbar geworden. Nur mühsam gelingt es, die deutschen Konsumenten zu den Früchten zu locken. Manche Händler stellen den Bezug zu den regionalen Bauern her und zeigen den Konsumenten die Felder, auf denen das Gemüse heranwächst. Ob das zur Grünen Woche gestartete Regionalfenster den Produkten zusätzlichen Schub verleihen kann, bleibt offen. Marke und Region, wie Elbeobst oder Bodenseeobst hätten nach Krauß die meisten Chancen.
Krauß bedauert zudem, dass nur neun von 16 Bundesländern beim Schulfruchtprogramm mitmachen. Die Verweigerer verzichteten auf zusätzliche EU-Gelder. Auch Brandenburg und Berlin nehmen nicht teil. Im Wedding versorgen deshalb der Berliner Großmarkt und der Fruchthof von Berlin in einer privaten Initiative acht Schulen mit täglichem Obst. Die Grenzen sind bei einem Aufwand von 40.000 Euro im Jahr gesteckt – Krauß sieht die Stadt Berlin in der Verantwortung, mitzuhelfen.

Lesestoff:

Frische ist Leben: http://tinyurl.com/dyeozfk

Roland Krieg; Fotos: roRo

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