Gabriel und Macron auf Spritztour durch Berlin
Handel
Wirtschaftsminister gönnen sich Wasserstoff-Fahrspaß in Berlin
Bei moderner Technik werden Männer zu Kindern. Das gilt
auch für die große Politik. Anlässlich des 17. Deutsch-Französischen
Ministerrates in Berlin eröffneten die beiden Wirtschaftsminister Sigmar
Gabriel und Emmanuel Macron eine weitere Wasserstofftankstelle. Nach dem
Tanken, durften sie auch an das Steuer eines Wasserstoffmobils und sollten es
bis an den Rand der Tankstelle fahren. Doch Macron hatte offenbar so viel Spaß
am lautlosen und umweltfreundlichen Fahren, dass er mit Sigmar Gabriel auf dem
Beifahrersitz im dichten Verkehr Berlins entschwand. Die Personenschützer
schwitzen trotz Orkan Niklas Blut und Wasser; waren die beiden
Technikbegeisterten am Ende doch unplanmäßig fast eine halbe Stunde allein
unterwegs. Musste Gabriel einmal nach dem Weg fragen?
Gemeinsam gegen den Klimawandel
Sie kamen sicher wieder und auch das Auto hatte keine
Kratzer. Vielleicht war der Ausflug auch gar nicht so ungeplant, konnten die
beiden doch endlich einmal frei und ungestört miteinander reden. Schließlich
haben sie am Dienstag eine gemeinsame Energieerklärung unterzeichnet und wollen
sich für eine effektive Energieunion einsetzen. Für die Ziele auf dem Pariser
Klimagipfel Ende des Jahres haben beide Industrienationen die „Dekarbonisierung
der Wirtschaft zur obersten Priorität“ erkoren. Paris und Berlin wollen eine
Marktstabilitätsreserve für den Emissionshandel bereits 2017 einführen. Noch in
diesem Sommer soll ein gemeinsamer Legislativvorschlag eingebracht werden.
Frankreich und Deutschland wollen sich als „europäische
Stromzentrale“ etablieren und eine Reihe an bilateralen Kooperationen aufbauen.
So soll ein grenzüberschreitendes Projekt für Photovoltaik-Freiflächenanlagen
für Verbraucher auf beiden Seiten entstehen. Die Deutsche Energie-Agentur
(dena) soll mit der französischen Agentur für Umwelt und Energiewirtschaft
(Ademe) eine gemeinsame Plattform für den Informationsaustausch bilden. Das
2006 gegründete Deutsch-französische Büro für erneuerbare Energien soll in
einer Modellregion im Grenzgebiet ein Schaufensterprojekt zur Systemintegration
aufbauen [1].
Schlüsseltechnologie Wasserstoff-Auto
Insgesamt haben Deutschland und Frankreich neun Projektbereiche identifiziert, die gemeinsam auf die europäische Ebene gehoben werden sollen. Darunter fällt die Brennstoffzellen-Technik, mit der Autos ohne Emissionen betrieben werden können.
Grundlage ist die Grundsteinlegung des Wasserstoff-Hybridkraftwerkes der Enertrac bei Prenzlau in Nordbrandenburg im Jahr 2009 [2]. Herzstück ist ein 500 kW Druck-Elektrolyseur, der aus Windstrom durch Elektrolyse von Wasser und Sauerstoff Wasserstoff erzeugt:

Wasserstoff ist das häufigste Element des Universums und immer chemisch gebunden. Im Freien explodiert es nicht, es ist nicht selbstentzündlich, nicht giftig oder radioaktiv, nicht wassergefährdend oder krebserzeugend. Ein Kilogramm Wasserstoff hat etwa dreimal so viel Energie wie ein ein Kilogramm Benzin. Beim Einsatz entsteht lediglich Wasserdampf. Aus erneuerbaren Energien hergestellt, leistet Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
In der Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff und erzeugt dabei Strom. Damit ist ein Wasserstoffauto eigentlich ein Elektromobil, das aber gegenüber einem „herkömmlichen E-Mobil“ mit Batterien, Reichweitenvorteile aufweist.

Hemmnisse
Die Brennstoffzelle ist nicht neu. Viele Sicherheitsbedenken und Prozessschritte sind beseitigt. Dennoch klingt das Prinzip immer noch einfacher als es in Wirklichkeit ist. Der wichtigste Punkt ist der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur. Im Jahr 2012 gab es lediglich 12 Wasserstofftankstellen in Deutschland. Mittlerweile sind es knapp über 20. Eine Marktdurchdringung soll erst ab 2025 erreicht sein. Deshalb sind die Investitionsrisiken sehr hoch. Der kleine Maßstab verschiedener Pilotprojekte verteuert am Ende das Fahrzeug. So kostet der Toyota stolze 66.000 Euro zuzüglich Einfuhrsteuer. Hohe Stückzahlenkosten und dünne Infrastruktur bedingen sich, wie die Frage nach Henne und Ei. Bei grenzüberschreitendem Verkehr ist die Standardisierung, wie beispielsweise der Einfüllstutzen, ein kostensenkender Faktor.
Nachfrage
Dennoch begeistert die Technik nicht nur Macron und
Gabriel. Als Beispiel stand ein Toyota Mirai an der Zapfsäule für Wasserstoff,
bei dem die beiden Wirtschaftsminister auch unter die Haube schauten. Als
Jahresproduktion waren 700 Autos für dieses Jahr angepeilt. Die Fachzeitschrift
„Auto Motor Sport“ berichtet jedoch, dass bereits mehr als 1.500 Bestellungen
eingegangen sind. Für 2016 und 2017 planen die Japaner bereits eine Auflage von
2.000 und 3.000 Fahrzeugen.
Dass die japanischen Hersteller bei alternativen Alltagsautos in Führung liegen, begründete der Berliner Toyota-Repräsentant gegenüber Herd-und-Hof.de mit einem Konzern-Bekenntnis zur Alternative. Die Ressourcenknappheit Japans zwinge ständig, über neue Wege nachzudenken.
Die Autos haben Reichweiten von rund 500 Kilometer, so dass sie nicht nur im Stadtverkehr, sondern auch für die Langstrecke eingesetzt werden können. Das „Betanken“ mit Wasserstoff dauert in etwa so lange, wie das Nachfüllen fossilen Sprits.
Netzwerk
In der Heidestraße, in der Nähe des Berliner
Hauptbahnhofs, wurde am Dienstag die dritte Wasserstofftankstelle von Total in
Betrieb genommen. Der deutsche Konzern-Chef Hans-Christian Gützkow (im Bild ganz links) sagte schon
bei der Eröffnung der ersten H2-Tanke: „Seit etwa zehn Jahren bereits engagiert
sich Total in Berlin in der Erforschung von Wasserstoff als Kraftstoff. Mit dem
Hybridkraftwerk bringen wir grünen Wasserstoff an die Tankstelle.“
Der Lagerraum für den Wasserstoff erinnert an ein
Torpedo-Lager und wird von einem Tankwagen aus der Uckermark beliefert.
Hinter allem steht ein ganzes Netzwerk, In der „Clean Energy Partnership“ (CEP) sind mehr als 20 Industriepartner zusammen gefasst, die seit 2002 unter der Federführung des Bundesverkehrsministeriums die Alltagstauglichkeit von Wasserstoff als Kraftstoff erproben [3]. Eingebunden ist das Ganze im Nationalen Innovationsprogramm (NIP) der deutschen High-Tech-Strategie und ist ein Querschnittsprogramm von Wirtschafts-, Verkehrs-, Forschungs- und Umweltministerium.
CEP und die Now GmbH (Nationale Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) sind in zwei Wochen auch international auf der Hannover Messe präsent (Halle 27 Stand B56).
Lesestoff:
[1] Deutsch-französisches Büro für erneuerbare Energien https://enr-ee.com
[2] www.enertrac.com
[3] www.cleanenergypartnership.de
Roland Krieg; Fotos: roRo; Grafiken: CEP