Gabriel: „Vielen Dank. Tschüss!“

Handel

Edekaiser`s: Erlaubnis erteilt

Marktführer Edeka übernimmt 450 Filialen von Tengelmann Kaiser´s. Nur kurz nach der Untersuchung über die mangelnde Wettbewerbssituation auf beim Lebensmitteleinzelhandel durch das Bundeskartellamt kam Edeka mit der Meldung heraus, die angeschlagenen Kaiser´s-Filialen zu übernehmen. Vor allem in Berlin, München und Teilen Nordrhein-Westfalens allerdings hat das Bundekartellamt eine weitere Monopolisierung des LEH ausgemacht und die Fusion abgelehnt. Die Monopolkommission folgte dem Entscheid. Hingegen nicht Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der von den Firmen um eine Ausnahmegenehmigung in Form eines Ministerentscheids gebeten wurde.

Leicht hat er sich das nicht gemacht. Einer ersten Anhörung folgte eine Fristverlängerung mit erneuten Stellungnahmen. Dazwischen lag die Internationale Grüne Woche und die beklemmende Einsicht bei Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und Bauernpräsident Joachim Rukwied, dass Agrarargumente keine Rolle in der großen Wirtschaftspolitik spielen. Fleisch- und Milcherzeuger sowie Verarbeiter haben einen Ansprechpartner weniger und fürchten steigenden Druck auf die Agrarpreise, die durch ihr Dauertief aus einer Wirtschaftskrise der Landwirtschaft eine „Große Depression“ folgen lassen könnte. Gabriel gab sich ganz sozialdemokratisch und sicherte die Arbeitsplätze [1].

12:00 Uhr Mittags

Vielleicht ganz im Zeichen des SPD-Niederganges in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt hat Gabriel am Donnerstag den Sozialdemokraten weit herausgehängt. Die vormals beschriebenen Bestimmungen hat er nach erneuten Stellungnahmen der betroffenen Branchen verschärft und feiert seine Arbeitsplatzsicherung, die auch die besorgten Lagerarbeiter in Nieder-Olm mit einbezieht. Diese hatten in einem Brief an den Minister ihre Sorgen vor Ausklammerung der Beschäftigungssicherheit mitgeteilt [2]. Von den ziemlich exakt 15.640 Kaiser´s-Mitarbeitern arbeiten nach Gabriel besonders viele im Lohnbereich von 1.500 bis 2.000 Euro brutto. Auf dem Arbeitsmarkt hätten viele keine anderen Chancen. Daher wird Edeka alle Filialen übernehmen und sie fünf Jahre lang behalten müssen. Vorher dürfen sie nicht an Selbstständige Kaufleute bei Edeka oder an Dritte übergeben werden. Zudem müssen die Strukturen der Betriebsstätten und die Betriebsratsstrukturen erhalten bleiben. Um den Mitarbeitern eine finanzielle Zukunft zu sichern, muss Edeka mit den Mitarbeitern und Gewerkschaften Tarifverträge abschließen. Mit der NGG für die Fleischwerke, mit Verdi bei den anderen Unternehmensteilen. Nach Ablauf des fünfjährigen Moratoriums muss ein Kündigungsschutz von weiteren zwei Jahren ebenfalls mit einem Tarifvertrag abgeschlossen werden.

Edeka muss einen jährlichen Statusbericht an das Bundeswirtschaftsministerium liefern und die abgeschlossenen Tarifverträge ebenfalls vorlegen. Sind die Bestimmungen der Ministererlaubnis nicht erfüllt, kann der Wirtschaftsminister die Erlaubnis wieder rückgängig machen. Jetzt ist es an Edeka, die Bedingungen zu prüfen und einzuwilligen.

Arbeitsplatzerhalt und Arbeitsplatzrechte waren noch nie Gegenstand von Ministerentscheidungen, sagte Gabriel in Berlin. Damit besetzt er deutlich sozialdemokratische Urwerte – auf Kosten anderer Bedenken. Die Sorgen um eine regionale Konzentration des LEH teilt er nicht. „Wir glauben nicht, dass das eintritt.“ Die Sorgen kämen vor allem aus den Zulieferbereichen, für die Verbraucher hätte die Fusion hingegen Vorteile. Die Landwirtschaft und andere Branchen seien nicht so stark betroffen, stellte Gabriel klar. Auch vor einer Klage des Mitbewerbers Rewe hat der Minister keine Angst und verabschiedete sich mit einem knappen „Vielen Dank. Tschüss!“ vom Rednerpult.

Rewe klagt

Alan Caparros, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group, ist mehr als enttäuscht: „Das ist eine schlechte Entscheidung für die Beschäftigten bei Kaiser´s Tengelmann und zugleich für alle Verbraucher, für die kleinen und mittelständischen Lieferanten, für die Landwirtschaft und für den fairen und gesunden Wettbewerb im gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandel.“

Gabriel habe nicht nur die Bedenken des Bundekartellamtes und die der Monopolkommission „beiseite gewischt“, sondern auch die Alternativen, wie die Übernahme durch Rewe „völlig unberücksichtigt gelassen“. Um seine Interessen zu wahren wird die Rewe Group beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis einlegen.

Verschärfung bringt nichts

Auch die von Gabriel eingebrachten Verschärfungen der Fusionsbestimmungen ärgern den Deutschen Bauernverband (DBV). „Dies gehe eindeutig zu Lasten der Wettbewerbssituation der Landwirtschaft, der Verarbeiter und Vermarkter.“ Im jüngsten Wettbewerbsgutachten für den DBV hat auch Kartellrechtler Prof. Lettl eine zunehmende Marktmacht durch die Fusion ausgemacht. Verschlechterte Wettbewerbsbedingungen führen zu Wertschöpfungsverlusten in der Landwirtschaft.

Nobel, aber unvollständig

Katharina Dröge bezeichnet die Argumente Gabriels als „nobel“. „Doch Gabriel schweigt zu den Bedenken der Monopolkommission, die durch die Fusion Jobs bei Zulieferern und Wettbewerbern in Gefahr sieht“, sagt die Sprecherin für Wettbewerbspolitik bei Bündnis 90/Die Grünen. Dröge warnt vor Streichungen von Edeka-Arbeitsplätzen, um die Fusion mit Tengelmann rentabel zu machen. Zudem sei das Verfahren noch nicht abgeschlossen, denn Rewe will klagen. Für Dröge ist das gesamte Verfahren trotz öffentlicher Anhörungen alles andere als transparent und ein „Hinterzimmergekungel“ von Karl-Erivan Haub (Tengelmann), Markus Mosa (Edeka) und Sigmar Gabriel. Künftige Ministererlaubnisse müssen transparenter und unter Einbeziehung des Bundestags ablaufen.

Rewe wird Erfolg haben

Rewes Klage wird die Fusion weiter verschieben. Wettbewerbsexperte Hans-Peter Schwintowski glaubt an einen Erfolg: „Die Monopolkommission und das Bundeskartellamt haben aus gutem Grunde gegen die Übernahme votiert,“ sagt der Experte im Tagesspiegel. Das von Gabriel angeführte Arbeitsplatzargument sei wettbewerbsrechtlich irrelevant und ein zweischneidiges Schwert: „In der Vergangenheit sind solche Zusagen niemals eingehalten worden.“ Schwintowski empfiehlt Rewe sogar, zu klagen.

Köpfe

Wenn Gabriel mit der Erlaiubnis seinen Kopf durch Eigenständige Politik hat retten wollen, so hat die Ministererlaubnis doch einen Kopf gekostet: Am Nachmittag trat Daniel Zimmer, Vorsitzender der Monopolkommission mit den Worten zurück: „Eine Fortführung meiner Tätigkeit in der Monopolkommission erscheint mir nicht sinnvoll, wenn eine einstimmig erteilte Empfehlung der Kommission in einem eindeutigen Fall nicht angenommen wird.“

SPD-Vizefraktionsvorsitzenden Hubertus Heil bedauert die Entscheidung: „Ich finde den Rücktritt persönlich bedauerlich und nicht verhältnismäßig“, sagte er der Rheinischen Post. „Aus unserer Sicht ist die Ministererlaubnis vertretbar, weil sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit die Gemeinwohlinteressen in den Mittelpunkt stellen.“

Lesestoff:

Bestimmungen, Nebenbestimmungen und auflösende Bestimmungen zur Fusion finden Sie hier als PDF.

[1] Erlaubnis unter Bedingungen

[2] Furcht vor Arbeitsplatzverlust im Zentrallager Nieder-Olm

Roland Krieg; Screenshot Pressekonferenz Sigmar Gabriel im BMWi

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