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Handel

Chancen in der Ernährungsbranche überwiegen

Weihnachten ist nicht nur Zeit der Besinnung. Sie ist auch die Zeit seltener Aromen und Düfte. Was wäre die Adventszeit ohne Nüsse, Gewürze oder Zitrusfrüchte? Gemeinsam mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium hat die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) in Berlin einmal über das Importgeschäft agrarischer Rohstoffe nachgedacht.

Weltweite Regionalität

Deutschland steht nicht nur auf dem 3. Platz der größten Agrarexporteure, sondern auch auf Platz 2 der Agrarimporteure. Deutschland ist „weltweit unterwegs und regional stark“, sagt Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Dr. Robert Kloos. Regionalität und Rückverfolgbarkeit sowie Nachhaltigkeit stehen auch bei Importen immer mehr auf der Wunschliste der Verbraucher und müssen von der Ernährungsindustrie berücksichtigt werden. Das reicht vom Kaffee und Kakao bis zu Futtermitteln. Allesamt „cash crops“ die im strittigen Fokus stehen. Daher tauchen Fragen auf, ob Deutschland Agrarprodukte wirklich importieren und exportieren muss. Dr. Kloos: „Das ist eine fixe Idee, eine Träumerei.“

Das Sourcing nach weltweiten Delikatessen und Rohstoffen ist schwieriger geworden. Mit dem Auftreten von Schwellenländern steigt der Nachfragedruck auf einzelne Erzeugnisse, die Rohstoffpreise steigen. Die Industrie und selbst kleine Erzeugergemeinschaften suchen gezielt nach GVO-freien Futtermitteln und zertifizieren Kooperativen von „bio“ bis „fair“. Dazu müssen sie das weltweite Warenwirtschaftssystem transparent gestalten, um die Forderungen der Verbraucher am deutschen Ladenregal zu erfüllen.

Einfluss auf die Konjunktur

Die Ernährungsbranche mit 0,5 Millionen Arbeitskräften ist von den weltweiten Ereignissen abhängig. Im aktuellen Konjunkturbericht der BVE zum zweiten und dritten Quartal 2014 steht: „Die Ertragslage der Lebensmittelhersteller bleibt schwierig, steigende Produktionskosten, saisonale und witterungsbedingte Angebots- und Nachfrageschwankungen, harter Wettbewerb, wachsende Verbraucheranforderungen und immer mehr Handelsbarrieren in Drittländern bestimmen die konjunkturelle Entwicklung.“

Die aktuell guten Ernteprognosen haben die Lage bei den Rohstoffen jedoch entspannt. Der Rohstoffindex sank im zweiten Quartal um 1,9 und im dritten Quartal um 4,1 Prozent. Doch liegen die Preise weiterhin auf hohem Niveau.

Einzelereignisse lassen die Branche erzittern. So fragte der Boulevard in diesem Sommer bereits, ob Deutschland das „Nutella“ ausgeht? Ein Frosteinbruch im Frühjahr hat in der Türkei, 60 Prozent aller Haselnüsse kommen von dort, auf Tausenden Hektaren die Blüten zerstört. Die türkische Erntemenge ist, so die derzeitige Bilanz, um 30 Prozent eingebrochen. Der Preis für eine Tonne Haselnüsse stieg von 5.000 auf 10.000 Euro. Auch wenn die Süßwarenindustrie betont, dass trotz des Ernteeinbruchs heute mehr Haselnüsse als vor zehn Jahren produziert werden, zeigt das Wetterereignis auch, welche Angebots- und Nachfrageeffekte gepaart mit dem Wetter durch den steigenden Konsum künftig zu erwarten sind.

Anpassen

Der Blick des Ernährungsgewerbes auf die Weltmärkte ist nicht einfach. Wetterunbilden und politische Krisen, wie gerade in der Ukraine, beeinflussen den Handel mit Agrarrohstoffen. Doch lohnt auch der langfristige Blick auf die Chancen. Und die stehen nach Justin Sherrard von der niederländischen Rabobank gut. Die Weltwirtschaft stockt, der Vertrauensindex hat ein Fünfjahrestief erreicht, doch der Agrarökonom sieht das Positive: Aktuell sind die Agrarpreise niedrig und die Volatilität gering. Das Wachstum der Weltbevölkerung, steigende Einkommen und damit steigende Nachfrage nach Agrargütern bieten der Branche viele Chancen. Wenn sie bereit ist, sich zu ändern.

Knappe Energie- und Wasserressourcen zwingen zur Produktivitätssteigerung. Vorteile habe, wer auf Ressourceneffizienz setze. „Big data“ heißt das Zauberwort. Wer über historische Produktionsdaten, über Bodendaten und moderne Technik verfügt, kann über Precision Farming Erträge bei sinkendem Input steigern. Der wirtschaftliche Nutzen werde die Zusatzkosten übersteigen. Vor allem in Zentral- und Osteuropa liegt die Erntedurchschnitt noch weit unter dem Möglichen.

Die Menschen verlangen gesündere Produkte. Sherrard verweist auf das Wachstum der „frei von …“ – Produkte: Ohne Gluten, ohne Gentechnik, ohne Laktose. Dieses Wachstum ist stärker als im Biomarkt. In den USA und in Europa läuft das Wachstum für Fertigprodukte aus. Nur in den Schwellenländern bleibe es hoch.

Zentral werde die Optimierung der Prozesskette sein. Europa verliert jährlich rund 90 Milliarden Euro durch Verluste von Ernten und Lebensmittel. Verpackung, Frischemonitoring und Erntetechniken könnten heute schon 10 Milliarden Euro davon verhindern.

Und selbst das Ausliefern der Ware erlebt durch den Online-Handel eine Revolution.

Sherrards Ausblick für die Ernährungsbranche ist gut: „Die Land- und Ernährungswirtschaft bleibt für Investoren attraktiv.“

Obst und Gemüse

In den letzten Jahren haben die südamerikanischen Länder ihre landwirtschaftlichen Produktionen ausgebaut. Es kommen beispielsweise weniger Äpfel aus Südamerika, aber mehr Beerenobst, erklärte Dr. Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft AMI gegenüber Herd-und-Hof.de. Vor allem Peru zeichnet sich als „Aufsteiger“ in dieser Marktnische mit hohem Gewinn aus. Das Land hat sich mit Hilfe von Bewässerungstechnik zu einem ganzjährigen Anbieter von wertvollen Beerenfrüchten etabliert. Die Zeiten des Fluggemüses gehen zu Ende. Moderne Kühl-Container übernehmen die Fracht von Südamerika nach Europa [1]. Aber: Die Seefracht ist rund 14 Tage unterwegs und es gibt „Frischeprobleme“.

Fast jährlich ist auf der Fruit Logistica zu hören, dass Europa eine Billig-Region ist. Obst- und Gemüseerzeuger suchten sich ökonomisch attraktivere Märkte. Das allerdings sei übertrieben, sagt Dr. Behr. Die Exporteure wollen weiterhin gerne nach Europa liefern und wer hier in der Branche bereit ist, etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, der habe auch beim Sourcing kein Problem.

Lesestoff:

[1] Container mit kontrollierter Atmosphäre

Roland Krieg

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