Gesucht: Kohleaustiegspolitik
Handel
Deutsche Klimapolitik muss ehrgeiziger werden
Angela Merkel hatte sich schon einmal als Klimakanzlerin präsentiert. Da sie Anfang Dezember jedoch nicht nach Lima zur UN-Klimakonferenz fährt, ist dieses Bild ins Schwanken geraten. Es ist das letzte Treffen der Weltgemeinschaft vor dem entscheidenden Gipfel in Paris 2015, wo endlich ein „für viele Jahrzehnte gültiges verbindliche Klimaprotokoll“ unterzeichnet werden soll. So hofft Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium in Berlin, der am Donnerstag auf die beiden Ruderer Anna Warnke und Veit Quack traf. Eingeladen hatte Germanwatch, die mit dieser Veranstaltung die Bundesregierung auffordert, die Ruderschläge in der Klimapolitik deutlich zu erhöhen. Ganz oben auf der Agenda steht der Ausstieg aus der Kohleversorgung.
Zerbrechliche Welt
Bilder aus dem All auf den blauen Planeten Erde zeigen,
wie zerbrechlich unsere Welt ist und mahnen ständig daran, sorgsam mit dem
schmalen Fundament des Lebens umzugehen. Die Berlinerin Anna Warnke aus
Frankfurt erfuhr zusammen mit dem Frankfurter Ruderer Veit Quack, der jetzt in
Berlin lebt, wie fragil und zerbrechlich das Leben inmitten der Elemente ist.
Mit einem Ruderboot von gerade einmal 4,70 Meter Länge und 1,20 Meter Breite
querten sie in acht Stunden und 47 Minuten den Atlantik zwischen der kleinen
Insel Porto Santo und Madeira. Das Abenteuer, das erst diesen Montag stattfand
war als Aktion gesetzt, auf den ansteigenden Meeresspiegel hinzuweisen. Alle,
die von den beiden Ruderern im Vorfeld befragt wurden, hielten die Querung
wegen der Strömung und den Wellen für unmöglich. Sie haben es aber geschafft
und wollen damit den Politikern ein Zeichen setze, auch die teilweise
verfahrene globale Klimapolitik zu einem guten Ende zu führen.

Anna Warnke und Veit Quack sitzen im Ruderboot unten rechts. In der Bildmitte ist das Begleitboot zu sehen.
Kohleausstieg
Die Welt schaut wieder einmal auf Deutschland, sagte
Klaus Milke, Vorsitzender von Germanwatch. Deutschland übernimmt die
Präsidentschaft der G7-Länder und will die Klimapolitik als einen Schwerpunkt
herausstellen. Der Klimagipfel von Kopenhagen hat gezeigt, dass der Sack im
Vorfeld zugemacht werden muss und nicht erst am Ende. Die G7-Präsidentschaft
soll daher für Vertrauen in eine gemeinsame Klimapolitik genutzt werden.
Deutschland bleibt mit dem Petersberger Klimadialog Vorreiter in der Klimadiplomatie und soll „die Lokomotive“ für die EU werden, ehrgeizige Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen für 2030 zu formulieren. Das bedeutet vor allem: Hausaufgaben machen, denn Deutschland weist eine Lücke von rund sieben Prozent für die Erreichung der Emissionsreduzierung bis 2020 auf. Für Milke müssen daher „Tabuthemen“ wie Wärme, Verkehr und vor allem die Kohlepolitik auf den Prüfstand.
Im letzten Jahr haben die Unternehmen in Deutschland für rund vier Milliarden Euro Steinkohle importiert. Mit 50,6 Millionen Tonnen ist das ein Anstieg von 15,2 Prozent. Jeweils 12 Millionen Tonnen kamen aus Russland und den USA, zehn Millionen Tonnen aus Kolumbien. „Das wird keine einfache Debatte“, sagt Milke voraus.
Transformation
Staatssekretär Flasbarth sieht dringenden
Handlungsbedarf. Nicht erst wenn die Klimaszenarien den schrecklichen Fall
einleiten. Europa sei aber nicht mehr der Nabel der Welt. Deutschland ist beim
Klimaschutz schon nicht mehr Spitze in der EU. Die Chinesen wollen freiwillig
eine Energiewende und US-Präsident Barack Obama hat das Klima zu einem
Schwerpunkt seiner zweiten Amtszeit gemacht. Reduktionsziele von 55 Prozent für
2030 hält Flasbarth für richtig. Diese Zielmarke, die von den
Nichtregierungsorganisationen befürwortet wird, sei aber sehr ehrgeizig. Für
den Klimapolitiker muss sich die Einstellung in der Verhandlungspolitik ändern.
Klimaziele dürfen nicht per Mehrheit in der EU „durchgedrückt“ werden. Vor
allem die osteuropäischen Staaten, die ihre Energie noch überwiegend aus der
Kohle beziehen, könnten sich immer noch zu einer Sperrminorität zusammen
setzen. Ihnen müsse ein Weg aufgezeigt werden, den Weg aus dem Kohlezeitalter
zu finden. „Reden, reden, reden“, heiße die Devise.
Steigt China schon aus?
Mittlerweile auch schon in Deutschland kolportiert, will China bis 2020 aus der Kohle aussteigen. Eine australische Quelle berichtet über Pläne, zumindest in sechs Distrikten bis 2020 jegliche Kohlefeuerung einzustellen. Jochen Flasbarth hält das gegenüber Herd-und-Hof.de für unmöglich. Zwar bauen die Chinesen deutlich ihre erneuerbaren Energiequellen aus, doch sei der Energiehunger des Landes so groß, dass die Kohle auch noch länger zum Energiemix dazugehören werde. Daher sollte die CCS-Technik nicht von vornherein über Bord geworfen werden. Für die Länder, die noch auf Kohle setzen müssen, kann das eine Brücke sein. Für Deutschland hingegen definitiv nicht, fuhr Flasbarth fort. Der deutsche Klimapfad kann bis 2050 auch ohne Kohle auskommen.
Ende August und Mitte September wird in Sachsen und Brandenburg gewählt. Beides sind Bundesländer, in denen Braunkohle gewonnen wird. Den Ausstieg plant keines der Länder. Aber den Einstieg in den Ausstieg sollten sie planen. Flasbarth wünscht sich eine Transformation für den Kohleausstieg, bei dem es auch für die Arbeitsplätze einen sanften Übergang geben soll. So plötzlich wie beim Atomausstieg soll es nicht sein.
Deutschland werde sich auf europäischer Ebene für eine dringende Reform des Emissionshandels einsetzen. Die 900 Millionen Zertifikate sollten dauerhaft vom Markt und nicht später wieder rückgeführt werden. Wenn der Emissionshandel nicht funktioniert, dann gebe es bald keine Alternative mehr zum Ordnungsrecht oder zur CO2-Steuer, betonte Flasbarth.
Den Atlantik mit dem Ruderbott zu bezwingen scheint
einfacher zu sein, als ein globales Klimaabkommen zu finden.
Anti-Kohle-Kette
Um der Forderung nach einem Ausstieg aus der Kohle Nachdruck zu verleihen wird die Klima-Allianz am kommenden Samstag in der Lausitz zwei vom Tagebau bedrohte Dörfer mit einer Anti-Kohle-Kette verbinden. Die Aktion ist grenzübergreifend zwischen Grabice in Polen und Kerkwitz in Deutschland geplant.
Lesestoff:
Informationen zur Anti-Kohle-Kette gibt es unter www.humanchain.org
Roland Krieg; Fotos: roRo