Getreidemacht Russland
Handel
Internationale Getreidemärkte: Die neue Macht Russland?
Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich Russland vom einstigen Nettoimporteur zu einer der bedeutendsten Anbieter von Weizen auf dem Weltmarkt entwickelt. Laut Prognose könnte die Nation bis 2020 zum weltgrößten Weizenexporteur werden. Die Bedeutung Russlands und damit verbundene Frage nach der Ausübung von Marktmacht und Preisdiskriminierung auf dem internationalen Weizenmarkt rückt zunehmend in den wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Fokus.
Ebenso wie die Weltmarktpreise für andere agrarische Rohstoffe, sind auch die Preise für Weizen seit der Jahrtausendwende kontinuierlich angestiegen. Für stark importabhängige Regionen können höhere Agrarpreise eine Gefahr für die politische und soziale Stabilität sowie dementsprechend eine Zunahme von Armut, Unterernährung und Hunger darstellen. Andererseits schaffen steigende Preise auch Anreize für Investitionen und Einkommensmöglichkeiten in ländlichen Räumen, was mittel- und langfristig dem Welternährungsproblem entgegenwirkt.
Insbesondere den Getreideexporteuren im Osten wird bei verstärkter Mobilisierung bisher brachliegender Agrarmarktpotentiale eine erhebliche Bedeutung für die weltweite Getreideproduktion und den internationalen Handel zugesprochen. Seit der Jahrtausendwende konnte Russland seinen Anteil auf dem weltweiten Weizenmarkt von 0,5 Prozent auf etwa 15 Prozent anheben. So gilt Russland derzeit als der viertgrößte Weizenexporteur und es ist anzunehmen, dass Russlands Weltmarktanteil sogar noch weiter wachsen wird.
In den vergangenen Jahren exportierte Russland jährlich zwischen 11 und 17 Millionen Tonnen Weizen in knapp 60 verschiedene Länder. Zu den bedeutendsten Abnehmern russischen Weizens zählen im Kaukasus die Länder Armenien und Georgien. Im Nahen Osten und Nordafrika sind Ägypten, die Türkei, der Irak, Jemen, Israel, Libyen, Iran und Syrien die wichtigsten Importländer für Russland. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob Russland seine neugewonnene Marktposition dazu ausnutzen wird, um Marktmacht und Preisdiskriminierung auszuüben. Insbesondere für die Importländer in Zentralasien und Kaukasus ist diese Frage von großer Bedeutung, da sich Russland in diesen Ländern auf Grund ihrer geografischen Lage nur wenigen Konkurrenten gegenüber sieht.
IAMO-Direktor Thomas Glauben sowie die WissenschaftlerInnen Zsombar Pàll, Oleksadr Perekhozhuk, Sören Prehn und Ramona Teuber haben in ihren Untersuchungen festgestellt, dass in einigen Importregionen Zentralasiens und Nordafrikas durch russische Getreideexporteure Marktmacht ausgeübt wurde. Die Exporteure im internationalen Weizenhandel konnten dort scheinbar strategische Preissetzungsspielräume ausnutzen und zusätzliche Gewinne erwirtschaften. Allerdings zeigte sich auch, dass in der Mehrzahl der Destinationen keine Marktmacht oder Preisdiskriminierung feststellbar war.
Lesestoff:
Die ausführlichen Ergebnisse zur Studie können im IAMO Policy Brief 6 auf der folgenden Homepage eingesehen werden: www.iamo.de/nc/iamo/publikationen/iamo-policy-briefs.html
Daniela Schimming (IAMO)