Gewinner und Verlierer im Weihnachtsgeschäft

Handel

Virus befördert Strukturwandel in der Handelslandschaft

SARS-CoV-2 legt auch beim Handel seinen Finger in die Wunde. Neben der prioritären Gesundheitsgefahr wirkt das Unterbinden der Infektionsketten auf die Wirtschaft. Die Bundesregierung nimmt, wie alle Länder in der Welt, riesige Summen in die Hand, Pleiten zu verhindern, die Wirtschaft am Laufen zu halten und den ökonomischen Kollaps zu verhindern. Wie in anderen Branchen auch, gibt es beim Handel Gewinner und Verlierer, eine Lernkurve und Versäumnisse der Vergangenheit. Das hat sich am Donnerstag während der Weihnachtspressekonferenz des Handelsverbandes Deutschland (HDE) gezeigt.

Lockdown

Deutschland ging im März 2020 relativ gelassen in den ersten Lockdown. Die gesundheitlichen Risiken waren eindeutig und noch lockte ein baldiges Ende der Pandemie. Die vorrangig Betroffenen, wie Künstler, Hotel und Gastronomie hielten tapfer durch und duften auf ehrliche Wirtschaftshilfe zählen. Die Menschen blieben zu Hause und die Innenstädte leerten sich. Nach Wiederöffnung gab es solidarische Restaurantbesuche und einen allgemeinen Trend, regionale Produkte beim Einzelhändler zu kaufen. Was im Lebensmittelbereich gut möglich ist, war bei Textilien, Schmuck und Möbel schon schwieriger. Schon vor der Pandemie weiteten sich die Einkaufszenten auf Kosten der Innenstädte aus. Der Fachhandel musste sich gegen Online-Märkte behaupten. Kommunen nahmen Geld in die Hand, gestalteten die Innenstädte Kundenfreundlicher, Geschäfte organisierten sich auf lokale Marktplätze und bewarben „ihre Innenstadt“. Es gibt zahlreiche Zielkonflikte: Kunden wollen so nah wie möglich mit dem Auto an die Geschäfte fahren, wer flaniert, will das vom Fahrzeugverkehr ungestört zwischen ausladenden Café-Terrassen genießen. Die Menschen erobern seit einigen Jahren „ihre Stadt“ wieder zurück, können sich aber die Mieten in den Innenstädten kaum mehr leisten.

„Manche Innenstädte wird es künftig nicht mehr geben!“. Ein düsterer Ausblick von Modechef Steffen Jost, der bundesweit mit fünf Filialen weiß, wovon er spricht. Der Satz stammt allerdings nicht aus der Zeit vor der Pandemie. Er hat ihn am Donnerstag auf der HDE-Pressekonferenz gesagt.

Schlechte Zeiten für den Konsum

Als die Infektionszahlen im Sommer stiegen, stieg auch die Furcht vor einem zweiten Lockdown. Es gelang nicht, die Infektionsketten zu unterbrechen. Seit Anfang November hat Deutschland wieder geschlossen. Allerdings weniger restriktiv als im März. Die Bundesregierung führt das auf die Lernkurve mit der Pandemie zurück, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Mittwoch im Bundestag ausführte. Nicht allen war der Lerneffekt ausreichend. Der zweite Lockdown beinhaltet den Fürsorgesatz der Kanzlerin „Bleiben Sie zu Hause“, doch die deutlich mehr Geschäfte locken für einen Konsum. Beides zusammen geht nicht. Ausgerechnet jetzt. Jetzt ist Weihnachtszeit. Der Oktober startet mit dem Weihnachtsgeschäft. Immerhin decken sich die Kunden zu acht Prozent mit Geschenken für den Dezember ein. 29 Prozent der Geschenke werden im November, 31 Prozent Anfang Dezember und noch elf Prozent in der Mitte des Monats gekauft. Ein Prozent saust noch am 23. und 24. Dezember los.

Die beiden „Weihnachtsmonate“ sind aber November und Dezember. Der November mit einem „Lockdown-Light“, der Dezember könnte bei Erfolg im Kampf mit dem Infektionsgeschehen wieder freier werden.

So waren die Geschäfte in den Innenstädten und auf dem Land überwiegend mit dem Konsum in der Pandemie zufrieden. Das hat der November ins Gegenteil verkehrt. Die Non-Food-Branche befürchtet Umsatzeinbußen vor allem im Textilbereich inklusive Schuhe und Lederwaren von 80 Prozent. Und überwiegend in den Innenstädten.

Das hängt mit den Prozessen zusammen. Die Herbst-Winter-Kollektion ist nach Kost bereits zu 95 Prozent ausgeliefert und hängt in den Geschäften. Eine Stornierung ist nicht mehr möglich. Die Textilbranche wird deutlich weniger Umsatz bei bekannt schlechten Margen machen und zahlt dennoch die Hälfte an Kosten für Ladenmiete und Personal. „Wir werden massive Verluste einfahren“, prognostiziert Jost. Der Strukturwandel der vergangenen Jahre hat bereits am Eigenkapital gezehrt. Wirtschaftshilfe als Kredit wird eine Belastung für die Zukunft. Bereits geschwächte Betriebe kommen aus der Falle nicht mehr heraus. „Es wird ein erhebliches Ladensterben in allen Lagen und in jeder Stadtgröße geben.“

Pandemie und Konsum: Das passt nicht zusammen.

Es fehlen branchenspezifische Programme

Stefan Genth unterstreicht zwar, dass es ein Wirtschaftsprogramm gebe. Der Hauptgeschäftsführer des HDE beklagt aber, es sei nicht auf die Besonderheiten einzelner Branchen zugeschnitten. Im Non-Food-Bereich sind zehn bis 15 Prozent Umsatzeinbußen bereits eine existenzielle Größe. Die von Wirtschaftsprüfern festzustellenden Umsatzeinbußen für die Novemberhilfe seien für die meisten Geschäfte kaum erreichbar. Der HDE ist aber schon im Gespräch mit der Bundesregierung, es bei der Überbrückungshilfe III besser zu machen. Zudem sind von den 25 Milliarden Wirtschaftshilfe bislang nur eine Milliarde abgeflossen. Das zeige, wie hoch die Antragshürden seien, so Genth.

Die bisherigen Sonntagsöffnungen in Deutschland gelten anlassbezogen. Fallen die Anlässe, wie Kulturfestivals oder Messen aus, entfallen auch die Begründungen für die Sonntagsöffnungen. Dabei könnten Sonntagsöffnungen den Kundenverkehr entzerren. Die Branche habe in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die ausgearbeiteten Hygienekonzepte wirken. Der Handel ist kein Hotspot für das Infektionsgeschehen.

Für Genth müsste die Pandemie als Mietminderungsgrund in das Bürgerliche Gesetzbuch festgeschrieben werden. Handel und Vermieter stehen in einer Risikopartnerschaft. Die meisten Vermieter sind maximal für Stundungen zu haben, kaum für eine Mietminderung. Gehören die Läden ausländischen Pensionsfonds fänden die Ladeninhaber überhaupt kein Gehör.

Virus als Strukturbeschleuniger

Die Pandemie gilt Stefan Genth als Strukturbeschleuniger für die Innenstadt, sagte er zu Herd-und-Hof.de. „Wo vorher große Probleme waren, wird es schwerer.“ Es gibt genug gute Beispiele, Kommunen, die den Branchenmix im Griff haben und die Kundenfrequenz in den Innenstädten stimmt. Mittlerweile gibt es eine Mithilfe des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Bürger wollten in der Innenstadt einkaufen. Das Angebot muss mit Kultur und Bildung abgerundet werden und jede Stadt muss ihr eigenes Konzept entwickeln.

Die Weihnachtszahlen

Nach Genth ist die Belebung der Innenstadt keine Absage an den Online-Handel. Der steigt seit Jahren und nimmt auch seinen Raum für das Weihnachtsgeschäft ein. Der HDE erwartet ein Umsatzplus von 15 Prozent auf 68 Milliarden Euro und für das Weihnachtsgeschäft ein Plus von 19 Prozent auf 17,5 Milliarden Euro.

Für den gesamten Handel erwartet der HDE ein Jahresgeschäft von 551,8 Milliarden Euro, was einem Plus von 1,5 Prozent entspricht. Für das Weihnachtsgeschäft gibt es ein Plus von 1,2 Prozent auf 103,9 Milliarden Euro.

Am Geschenkeportfolio wird sich kaum etwas ändern. Geschenkegutscheine, Spielwaren, Bücher und Schreibwaren stehen nach wie vor auf den ersten drei Plätzen der deutschen Wunschzettel. Aber: Die Ausgaben sind ungleich verteilt. 53 Prozent der Bundesbürger werden wegen der Pandemie seltener auf Weihnachtstour gehen. Nur 36 Prozent lassen sich vom Einkaufsbummel nicht abhalten. 44 Prozent weichen auf den Online-Handel aus.

Händler für Nahrungsmittel, Bau- und Heimwerkermärkte, auch der Kfz-Handel mit Tankstellen und Fahrrädern sowie Unterhaltungselektronik gehören zu den Pandemiegewinnern zum Fest. Im Bereich Bekleidung und Textilien gibt nur ein Prozent der Händler an, einen besseren Umsatz als im Vorjahr zu erzielen, zehn Prozent antworteten mit einem „weder, noch“ und 89 Prozent erwarten einen rückläufigen Umsatz. In den beiden Kategorien „Schuhe und Lederwaren“ sowie „Drogerie und Kosmetika“ gibt es überhaupt keine positive Einschätzung. Mit 97 und 88 Prozent erwarten die Händler schlechtere Umsätze.

Roland Krieg

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