Gute Stimmung im Handel

Handel

Deutscher Handelskongress 2011

Schon der Blick auf das kommende Weihnachts-geschäft verbreitet gute Stimmung im Handel, wie das kürzlich veröffent-lichte Meinungs-barometer der Handels-verband Deutschland (HDE) aufzeigte1). Das Jahr 2011 hat dem Lebensmittelhandel trotz Krisenzeiten ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Die Fast Moving Consumer Goods (FMCG), die schnell drehenden Waren aus dem Bereich Lebensmittel und Drogerie, haben die 200 Milliarden Umsatzgrenze stabil erreicht. Das Preisniveau stagniert im Vollsortimenter, bringt ihm aber neue Kunden, denn der Discount musste seines um 0,7 Prozent erhöhen. Nach Friedhelm Dornseifer, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL), hat sich in diesem Jahr die positive Entwicklung fortgesetzt. Der qualitätsorientierte Einkauf der Konsumenten lässt die Kategorien Bio, Region und Convenience wachsen. Frische ist bei den Kunden wieder gefragt, so dass der Vollsortimenter mit einem Ausbau seiner Bedientheken auch bei Service und Fachkompetenz glänzen kann.

Sorgen im Detail

Auf dem Handelskongress 2011 in Berlin konnte Josef Sanktjohanser, Präsident des HDE, zur Eröffnung den „Hochleitungsbetrieb Handel“ rühmen. Stabilität der Branche heiße aber nicht Stillstand, sondern weitere Innovationen in der „unglaublichen Vielfalt“ des Handels. Letztlich entscheidet der Kunde mit seinem Konsum, was gekauft wird oder liegen bleibt. Diese Nachfragekraft fordert Nachhaltigkeit der Produkte und der Branche heraus, der „moralische Konsum nehme zu“, erläuterte Sanktjohanser. Und das beschäftigt den Handel.
Vor diesem Hintergrund ist die seit Oktober zu vermerkende Konjunktureintrübung nicht das größte Problem des Handels. Nach Sanktjohanser sind es vielmehr kriminelle Energie Einzelner und eine kreative Auslegung des Lebensmittelbuches, was die Mehrheit der Branche immer wieder in Verruf bringt. Trotzdem sei das Klarheitsportal der Bundesregierung nicht der richtige Weg. Was Verbraucherministerin Ilse Aigner und Verbraucherschützer Gerd Billen auf der 100-Tage-Bilanz des Portals gefeiert haben2), empfinden die Firmen im Alltag vielmehr als Pranger. Das Geld für die Budgetaufstockung solle nach Sankjohanser besser in die Kontrolle investiert werden. Das fragte auch Gerhard Berssenbrügge, Vorstandsvorsitzender der Nestlé AG, nicht nur rhetorisch: „Welchen Populismus haben wir?“ Besser sei es, die Gute Fachliche Praxis der Lebensmittelüberwachung auszubauen, die durch das Portal ins schlechte Licht gerückt werde.

Handel unterm Rettungsschirm

Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler betonte in seiner Rede die Bedeutung des Handels für lebendige Innenstädte, wo die Menschen in der Nahversorgung noch „ihr Stück Butter kaufen“ können. Um den Handel zu entlasten sei die Verringerung der Bürokratie wichtiger als eine Steuerentlastung. Es sei nicht nachzuvollziehen, wenn nach abgeschlossener Steuerprüfung die Unterlagen noch neun weitere Jahre aufbewahrt werden müssen, so Rösler.
Die meiste Zeit verteidigte Rösler aber den Euro-Rettungsschirm und die Politik der Bundeskanzlerin, die mit ihrer Meinung in Europa „oft alleine dastehe“. „Unsere Bundeskanzlerin leistet außerordentlich viel nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa“, so Rösler (FDP). Er verwies darauf, dass die verschuldeten Länder auch eine schlechte Wettbewerbskraft haben und auch dadurch die Schulden nicht begleichen könnten. Neben dem Rettungsschirm sind nach Rösler ein modernes Kartellrecht, geordnete Finanzmärkte und ein vernetztes Handeln Voraussetzungen für eine stabile Wirtschaft, die sich neue Märkte und neue Chancen erarbeiten könne.

Neuaufstellung des Handels

In Deutschland muss sich der Handel neu einrichten, prognostiziert Gerhard Berssenbrügge. Im Vergleich zwischen Geburten- und Sterbezahlen verliere das Land jede Stunde 13 Menschen. Im Jahr 2030 werden 30 Prozent der Menschen über 50 Jahre sein, was eine vollkommen neue Kundenstruktur nach sich bringt. Die Zukunft bringe weniger Kunden, weniger Konsum und weniger Arbeitskräfte. Der Handel könne mit einer höheren Ladendichte in den Ballungszentren nicht mehr Konsum erzwingen. Maßnahmen des Handels zur Mengensteigerung werden ins Leere laufen.
Was künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen werde, sei der Außer-Haus-Verzehr, der die Eingangsschwelle Fast Food bereits hinter sich gelassen habe. Wer im Imbiss und Restaurant Lebensmittel und Gerichte anbieten möchte, der muss sich an Frische, Qualität und Vielfalt orientieren. Lebensmittel werden zum Synonym von Lebensqualität. Doch da haben die Deutschen noch viel aufzuholen. Mit einem Budget für Nahrungsmittel in Höhe von zehn Prozent liegen sie im hinteren Bereich der europäischen Länder. Die deutschen kaufen nach Berssenbrügge lieber teure Autos, gehen auf Reisen und kaufen Elektronik.

Lesestoff:

1) Weihnachtsprognose des Handels

2) 100 Tage Lebensmittelportal Klarheit und Wahrheit

Merkel auf dem Handelskongress

Roland Krieg (Text und Fotos)

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