Handel mit Ethik und Werten
Handel
Fair Trade wird zum „Muss“ im Handel
Fair Trade ist die Chance, die Globalisierung auch zur Nivellierung von Reich und Arm zu nutzen, sagte Karin Kortmann zum Auftakt des ersten Fair Trade Kongresses in der Berliner Konrad-Adenauer-Stiftung. Am Montag trafen sich Vertreter des Handels, um sich mit dem Thema des fairen Welthandels auseinander zusetzen. Der Faire Handel sei die Brücke zwischen den Ökonomien, so die Parlamentarische Staatsekretärin aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter, und braucht zur vollen Ausschöpfung des Marktpotenzials professionellen Handel und Konsum. Verbraucher hätten derzeit nur den Fair Trade als globalen Rahmen, Gerechtigkeit in der Welt durchzusetzen. Es wichtig, dass die hohen ökologischen, ökonomischen und sozialen Standards weltweit gelten. Kortmann setzt dabei auf die Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen.
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Fair Trade ist Entwicklungshilfe
Der gerechte Handel ist „Hilfe zur Selbsthilfe“, damit die Produzenten, die höhere und sichere Preise erhalten, sich aus der Armut befreien können. Gleichzeitig erfülle der Fair Trade einen Bildungsauftrag bei den Konsumenten im Norden. Er sensibilisiert die Kunden für die Nöte des Südens, so Kortmann. Zwar ist ein Drittel der Bundesbürger von der Richtigkeit des fairen Handels überzeugt, doch im Ländervergleich hinken die Konsumenten zwischen Sylt und Alpenrand hinterher. Auf das Jahr gerechnet geben Konsumenten für faire Produkte lediglich durchschnittlich 1,70 Euro aus. Die französischen Nachbarn liegen mit 3,30 Euro schon weiter vorne, Österreicher und Finnen konsumieren für 6,60 Euro fast das dreifache, doch den Spitzenverbrauch erzielen die Schweizer mit 20,80 Euro pro Kopf und Jahr. Fair Trade-Produkte sind noch nicht so selbstverständlich wie Bioprodukte.
...Die Stärke des Systems liegt nach Overath in der weltweit einheitlichen Zertifizierung mit dem Fair Trade-Logo. Mit der Zertifizierung von Bio-Baumwolle hat der gerechte Handel den Sprung in den Non-Food-Bereich geschafft. Allerdings habe Transfair den Fokus zu lange auf die Produzenten gelegt, räumt Overath ein. Das Marketing für den heimischen Konsumenten wurde vernachlässigt. Dabei zeigt gerade England, das rund ein Drittel aller fair gehandelten Produkte absetzt, die Massenwirkung. Seit 2007 Sainsbury seine Bananen komplett auf Fair Trade umstellte, können die Produzenten schlagartig 100.000 Tonnen der gelben Früchte im Jahr absetzen. Damit Kunden mehr über die Produkte erfahren können soll ab 2009 ein Barcode auf der Verpackung dem Betrieb und den Mitarbeitern im Internet ein Gesicht geben, kündigte Overath an. |
Fair Trade ist nicht Bio. John Kanjagaile aus Tansania ist Mitarbeiter der Kooperative, die alle 60.000 Kaffee-Kleinbauern betreut. Vielen Bauern hat Fair Trade erstmals den Anschluss an den Weltmarkt, an einen Absatzmarkt überhaupt gebracht. Seit 1958 waren die Bauern der Kaffee-Kooperative den starken Schwankungen des Weltmarktpreises ausgesetzt. Der Mindestpreis des 1990 aufgenommenen fairen Handels hat ihnen Spielraum für Investitionen gegeben. Den erhaltenen Mehrwert investieren sie in Krankenhäuser, Schulen und in ein regelmäßiges Mittagessen für die Arbeiter. Zuletzt nutzen die Bauern die Gewinne, um ihre Kaffeebäume zusätzlich ökologisch zu bewirtschaften.
Fair Trade erstes Anliegen sind soziale Sicherungssysteme. Der ökologische Aspekt kommt seit einigen Jahren hinzu. Drei Viertel der gehandelten Güter sind mittlerweile auch biozertifiziert.
Marktpotenziale nutzen
Der Wettbewerb im Einzelhandel scheint den gerecht gehandelten Produkten Vorschub zu leisten. Ökonom Prof. Dr. Thomas Roeb von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg beschreibt den Wachstumsprozess und die Profilierungssuche von Discounter, Supermärkten und großen SB-Warenhäuser. Der Discounter Lidl hat bereits vor einiger Zeit faire Produkte gelistet und will, so interpretiert Roeb, damit ein Zeichen setzen, den „corporate citizen“ anzugehören. Mitglied der guten Bürgerschaft sein. So hat sich die Listung von Fair Trade-Produkten von einem „könnte“- zu einem „sollte“-Produkt entwickelt und den größeren SB-Warenhäusern bliebe demnächst nichts anderes mehr übrig, als das „muss“-Produkt ebenfalls aufzunehmen. Kritik widersprachen der These, weil sie unterstellte, dass der Handel nicht aus sich heraus, um Umsatz zu generieren, den Trend aufnimmt.
Doch gerade Fair Trade ist neben dem Billigsegment derzeit das einzige Sortiment, das trotz Konsumflaute im Handel boomt, stellt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE) fest. Weil der Marktanteil im Lebensmittelsegment derzeit nur bei etwa 0,05 Prozent liegt, sei hier noch ein großes Wachstumspotenzial vorhanden.
Der Fair Trade Handel muss die Balance zwischen der Glaubwürdigkeit der Produktion, der erforderlichen Nachfragemenge und einem Standard finden, der den Betrieben noch eine Entwicklungschance lässt. Er darf nicht zu hoch sein, sagt Rüdiger Meyer von FLO-Cert, dem einzigen akkreditierten Zertifizierungsbüro für soziale Standards weltweit. Erst seit fünf Jahren sind gerecht gehandelte Produkte über ein Siegel geprüft. Bis dahin wuchs die Branche langsam vor sich hin, weil der Lebensmitteleinzelhandel ein Glaubwürdigkeitsdefizit sah. Wer dem Kunden ein Versprechen verkauft, der muss auch in der Lage sein, die Einlösung nachzuprüfen. Mit dem Zertifikat verließen die Produkte die Weltläden, die gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel den Status eines Fachgeschäftes mit intensiver Beratung haben. |
„Handel ist grundsätzlich nicht unfair“, findet Genth. Das Arbeitsbedingungen zu wünschen übrig lassen, die Weltmarktpreise verfallen und Bauern keinen Anschluss an den Markt finden, sei beispielsweise auf die Abschottung des EU-Marktes zurückzuführen. Anti-Dumpingzölle dienten dem Protektionismus und subventionierte Exporte überschwemmten ausländische Märkte. In den Entwicklungsländern ist Korruption ein weiteres Hindernis für einen gerechten Warenaustausch. Der Handel verfolge von sich aus bereits mit der Business Social Compliance Initiative vergleichbare Ziele. Der Fair Trade, so Genth, ist kein Widerspruch zum regulären Handel, sondern eine Ergänzung.
Vorbild England
England ist nicht nur hinsichtlich des großen Fair Trade-Konsums ein Vorbild. Auf der Insel widmen sich ganze Städte dem gerechten Handel und führen es stolz im Schild. Wenke Ruebesamen vom englischen Marktforscher Mintel gab einen Einblick in die britische Vielseitigkeit. Hier kann sich der Konsument nicht nur für ein Päckchen Kaffe oder einen Pullover entscheiden. Fair Trade umfasst komplexe Produkte, die auch pfiffig beworben werden. So gibt es eine Eiskrem mit fair gehandelter Vanille aus Indien und fair gehandeltem Rohrzucker aus Paraguay. Fair Trade ist für die Kunden individualisierbar und wird mit Geschichten über die Produzenten verkauft.Allerdings ist Fair Trade kein Selbstläufer. Während der Europameisterschaft blieb in den Karstadthäusern der fair hergestellte, nicht für die EM lizenzierte Fußball liegen, klagte Klaus Wilmsen, Abteilungsleiter für Umwelt und Qualitätssicherung bei Karstadt. 1993 wurde das erste Produkt gelistet und die Einkäufer und Logistiker mussten von den Waren erst noch überzeugt werden. Mittlerweile bietet das Kaufhaus mit über 50 Lebensmittelprodukten eines der größten fairen Sortimente an. Die Kunden werden mit Präsentationen, Regalstoppern und verschiedenen Aktionen auf den Fair Trade hingewiesen. Damit die Mitarbeiter den Kunden die Besonderheiten der Waren erklären können, werden sie extra geschult.
Auch Achim Lohrie, Leiter der Corporate Social Responsibility bei Tchibo, kennt die Komplexität der fairen Warenwelt. Erfolgreich ist, wer den fairen Handel zu einem Teil seiner Unternehmensstrategie macht. Tchibo hat erst 2007 mit einem Prozentanteil angefangen. Aktuell sind es sechs Prozent und über 2010 bis 2015 soll der Anteil fairer Produkte auf 12 und 25 Prozent steigen. Das ist viel, denn mit 180.000 Tonnen Kaffe im Jahr ist Tchibo in Deutschland die Nummer eins und weltweit die Nummer vier.
Tchibo steigt langsam in die Standards ein. Basis für die Auswahl der Produzenten ist die im letzten Jahr beschlossene 4C-Initiative im internationalen Kaffeegeschäft. Diese Standards sind das „Basisprofil“ für den Wechsel vom konventionellen zum nachhaltigen Anbau. Tchibo wird dann fallweise entscheiden, in welche Richtung es weiter geht: Niedrigere Standards bei der Rainforest Alliance, Transfair oder gleich in den Bioanbau? Tchibo hat ein ureigenes Interesse an nachhaltig produziertem Qualitätskaffee. Wenn die Bauern beginnen, ihre Felder zu vernachlässigen und Kaffeeanbau nicht mehr rentabel wird, würden sie beginnen, Biotreibstoffe auf den Äckern anzubauen. Der Konsum von Qualitätskaffee als Balance der landwirtschaftliche Produktionsvielfalt.
Schwierig bleibt im Handel die Preisbildung. Sowohl Wilmsen als auch Lohrie beschreiben die langwierigen Überlegungen der Preisfestsetzung. Was kann man dem Verbraucher noch zumuten, wann springt er ab?
Fair Kochen
Transfair gibt im Frühjahr 2009 das Buch „Fair Kochen“ heraus. Infos gibt es unter www.dk-germany.de. Für Ungeduldige empfiehlt TransFair eine Speise für 5 Personen:
Pfannkuchen mit Quinoa-Mango-Creme
Zutaten für Pfannkuchen:
200 g Mehl; 5 Eier; 400 ml Milch; Salz; 25 g Zucker
Zutaten für Quinoa-Mango-Creme:
80 g Quinoa; 160 ml Wasser; 1 Zimtstange; 1 Prose salz; 30 g Honig; 200 g Sauerrahm; 200 g Schlagsahne; 150 g Joghurt; 1 mittelgroße Mango; 1 Messerspitze Vanillemark
Zubereitung:
Mehl in eine Schüssel sieben und mit Milch glatt rühren. Aufgeschlagene Eier, Zucker, Salz unter rühren. In der Pfanne mit wenig Butter dünne Pfannkuchen backen. Das Wasser mit der Zimtstange aufkochen, Quinoa mit warmen wasser gut durchwaschen und dazugeben. Aufkochen lassen, dann zugedeckt auf ganz kleiner Flamme köcheln, Quinoa quellen lassen, Salz unter rühren und erkalten lassen. Sauerrahm, Joghurt und Honig mit Vanillemark abschmecken
Guten Appetit
Lesestoff:
www.transfair.org
Roland Krieg; Fotos: roRo