Handel mit Vietnam

Handel

EU-Freihandel mit Vietnam beginnt

Handelsabkommen EU-Vietnam

Nach Singapur ist Vietnam der zweitgrößte Handelspartner der EU in der Südostasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN. Im Jahr 2019 wurden Güter im Wert von 45,5 Milliarden Euro zwischen gehandelt. Aus Vietnam kommen überwiegend Elektronikteile, Schuhe, Textilien und im Bereich der Lebensmittel Kaffee, Reis und Meeresfrüchte. Die EU verkauft Hightech-Produkte, elektrische Maschinen, Fahrzeige und Pharmazieprodukte nach Ho-Chin-Minh-Stadt.

Arbeitsrechte

Vor einem Jahr haben die EU und Vietnam ein Handelsabkommen unterzeichnet, das am 01. August in Kraft trat. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht für europäische Firmen neue Absatzchancen, um aus der Pandemie-Wirtschaft herauszukommen. Handelskommissar Phil Hogan legt den Schwerpunkt seines Kommentars auf die Vereinbarung zu den Arbeitsrechten. Im Handelsabkommen hat sich Vietnam verpflichtet die acht Fundamentalrechte für Arbeiter nach Standard der Internationalen Arbeiterorganisation ILO anzuerkennen und umzusetzen. Darüber hinaus versichern sich beide Seiten zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen für das Klimaabkommen von Paris sowie des Artenschutzes.

Doi Moi

Hinter dem Begriff Doi Moi stehen Wirtschaftsreformen, die das Land seit den 1980er Jahren aus einem Entwicklungsland deutlich nach vorne gebracht haben.  Das wirtschaftliche Zentrum liegt im Süden des Landes. Die Hauptstadt hat mittlerweile mehr als 13 Millionen Einwohner. Vietnam ist eines der Länder, wo Tradition auf Moderne stößt. Die Startup-Szene ist im Elektronikbereich äußerst aktiv.

Die Herausforderungen sind aber noch gewaltig. Zum einen sollen mehr als 70 Prozent der Menschen im informellen Sektor arbeiten. Vor der Küste verschärft China die Spannungen durch sein Interesse am südchinesischen Meer. Im Inland ist Kritik noch immer unerwünscht. Es gibt Geheimpolizei, Sippenhaft und Unterdrückung von Medien. Heiner Bielefeldt wollte beispielsweise im Jahr 2014 als UN-Sonderermittler den inhaftierten Rechtsanwalt Nguyen Bac besuchen, aber nach Blockade seines Reiseweges, den Vietnam-Besuch abbrach [1]. Im Bundestag setzte sich zuletzt 2018 die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, die Liberale Gyde Jensen aus Schleswig-Holstein, für die Freilassung des Anwalts ein.

Das Freihandelsabkommen bietet die Möglichkeit, es bei Verstoß gegen Menschenrechtsabkommen wieder aufzulösen.

Vietnam kommt durch das Freihandelsabkommen in den sofortigen Genuss des zollfreien Zugangs zum EU-Markt. Nur bei Kaffee und Reis sind Einfuhrquoten festgesetzt. Umgekehrt darf das Land sich bei 35 Prozent der Waren zwischen sieben und zehn Jahren Zeit lassen, die Zölle auf EU-Produkte auf null zu stellen.

Land- und Ernährungswirtschaft

Das größte landwirtschaftliche Problem ist aktuell die Afrikanische Schweinepest (ASP). Das für den Menschen ungefährliche Virus ist erst Anfang 2019 aufgetaucht, hat sich aber bis Ende des Jahres in allen 63 Provinzen ausgebreitet. Mehr als 5,9 Millionen Schweine sind gekeult worden. Im April dieses Jahres hat das Landwirtschaftsministerium den Erfolg vermeldet, dass 44 Provinzen wieder frei von ASP sind. Dennoch fehlen Zuchtsauen und der Preis für Schweinefleisch ist hoch [2].

Vietnam darf noch drei Jahre lang Zölle auf EU-Rindfleisch, fünf Jahre auf Molkereiprodukte und zehn Jahre für Geflügel erheben. Oder muss sie nur in Stufen senken. Vietnam erkennt 169 geschützte EU-Produkte an und bekommt selbst Schutz für Produkte wie beispielsweise Kaffee aus Buôn Ma Thuôt. So heißt die Kaffeehauptstadt Vietnams. Hochwertiger Kaffee aus dem Hochland wird in der Stadt in einem „Café“ von 20.000 Quadratmetern Größe in allen Varianten angeboten.

Handelsbeispiele

Chula Fashion ist eine vietnamesische Textilfirma mit landesweit 68 Angestellten und Hauptsitz in Hanoi. Die Spanier Laura Fontan und Diego Cortizas haben nach ihrem ersten Besuch im Land 2005 zwei Jahre später das Modelabel gegründet und fertigen handverarbeitete Textilien für Europa an. Seit dem 01. August können sie ihre Ware ohne den bisherigen Zollsatz von 7,5 Prozent verkaufen. In einem Interview mit der spanischen Zeitung INC Madrid sagte Fontan im Oktober 2019, dass 80 Prozent der Arbeiter Menschen mit Behinderung sind, die in drei- bis fünfjähriger Ausbildung Spezialtechniken für das Schneidern erlernen. Ein Teil der Kollektion wird aus nachhaltigen Fasern, wie beispielsweise Hanf, geschneidert.

In die andere Richtung kann die Dänin Christine Holt von SiccaDania Verdampfer für die Kaffeehersteller leichter nach Vietnam verkaufen. Diese Geräte verwandeln flüssige in dampfförmige Phasen und werden auch in der Kaffeeherstellung eingesetzt. Sprühmaschinen und Trockner runden das Lieferprofil aus dem dänischen Pilihøy ab. Mit den Maschinen kann auch Milch in Milchpulver verwandelt werden (Pulverturm). Der südostasiatische Markt entdeckt vermehrt den Kaffeegenuss. Die erst 2014 gegründete Firma hatte deswegen im vergangenen Jahr eine Niederlassung in Singapur gegründet. In Vietnam kooperieren sie bereits mit den deutschen Verfahrenstechnikern von DEVEX aus Warendorf in Nordrhein-Westfalen bei der Herstellung von Instant-Kaffee. Das Handelsabkommen erleichtert nicht nur den Warenverkauf, sondern auch den Wartungsservice nach dem Verkauf.

Lesestoff:

Standards der ILO. https://www.ilo.org (Aktuell fehlt noch die Ratifizierung der ILO-Konvention zu erzwungener Arbeit, die bis 2023 folgen soll; roRo)

[1] Heiner Bielefeldt war von 2010 bis 2015 Sonderbotschafter der UN für Menschenrechte und berichtete in seiner ausführlichen Erklärung vom 31. Juli 2014 unter anderem über anhaltende Landkonflikte: https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=14914&LangID=E

[2] Thailand verkauft Sauen nach Vietnam: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/thailand-versorgt-suedostasien-mit-schweinen.html

Roland Krieg; Grafik: Europäische Kommission

© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html

Zurück