Handel zwischen Zukunft und Herausforderung
Handel
Handelskongress: E-Commerce und Schuldenkrise
Mit 422 Milliarden Euro Umsatz hat der deutsche Einzelhandel das Jahr 2011 abgeschlossen. Der seit zehn Jahren stärkste Umsatz weist nach der Finanzkrise ein weiteres Plus in Serie auf. Auch die nominale Veränderung zum Vorjahr scheint auf den ersten Blick nicht schlecht. Das Plus von 2,6 Prozent ist ebenfalls das höchste der letzten zehn Jahre. Dennoch dürfen die Zahlen nicht über den Druck hinwegtäuschen, der an den Kassen herrscht. Steigende Kosten, insbesondere für Energie und Wareneinsatz, lassen die Margen schmelzen. So ist auch die Stimmung bei den Händlern wieder eingetrübt. Noch im Frühjahr 2011 lag das Konjunkturbarometer bei einem Wert von Plus 19 und hatte seit 2005 wieder einen Spitzenwert erreicht. Seitdem geht es gefühlt jedoch bergab und die Konjunkturpunkte lagen im Frühjahr 2011 nur noch bei einem Wert von fünf. Trotzdem freut sich der Handel auf das kommende Weihnachtsgeschäft [1].
Handel(n) der Zukunft
Ohne Nachhaltigkeit geht im Handel nichts mehr, prognostiziert Dr. Michael Heller von der Otto Group auf dem am Mittwoch gestarteten Deutschen Handelskongress in Berlin. Verbraucher zögerten selbst bei Hightech-Produkten von Apple, diesen wegen den in Verruf geratenen Herstellungsbedingungen in China nicht unter den Weihnachtsbaum zu legen. „Green thinking is sexy“, laute die Richtschnur der Handels.
Das Internet spiele dabei eine immer dominantere Rolle. Die „social community“ rund um die Shops seien ein Abbild des alten Markttreibens. Der Warenaustausch ist nur noch ein Teil der Kundenbeziehung. Das Internet revolutioniere den Handel wie das Automobil in den 1950er Jahren, als die Massenmobilität zum Massenkonsum führte und neue Räume für den Handel erschloss. Am Versandhandelsumsatz hat der Online-Handel bereits einen Anteil von 78 Prozent und erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 27,6 Milliarden Euro. Nach Dr. Heller wird sich das Online-Geschäft nicht nur weiter entwickeln, sondern auch wandeln. Amazon erzielt in den USA alleine schon 20 Prozent des amerikanischen E-Commerce und sieht sich eher im Wettbewerb mit Apple und Windows, nicht mit Wal Mart.
Mit „Augmented Reality“, der computergestützten Erweiterung der Sinneswahrnehmung, Einkaufsberatern im Web-Shop und Körperscannern, mit deren Hilfe sich die Kunden Kleidung maßschneidern lassen können, malt Dr. Heller die Zukunft des Handels aus. Am Ende wird der Kunde sich die Hose gleich auf dem 3D-Drucker ausdrucken.
Wirtschaftstal
Doch vorher muss der Handel noch das tiefe Tal der Wirtschaftskrise überwinden. Im Gegensatz zur Ernährungsbranche [2] ist Prof. Dr. Lars Feld vom Sachverständigenrat für Wirtschaft eher skeptisch. Zwar setze der deutsche Handel einen Kontrapunkt gegenüber anderen Ländern in der EU, aber 2013 werde sich kaum etwas verändern. Gerade die Südländer werden dem Handel zusetzen. Griechenland schrumpft bereits im sechsten Jahr. Der Sachverständigenrat ist seiner Wachstumsprognose von 0,8 Prozent deutlich skeptischer als die Bundesregierung, so Prof. Feld.
Hat in diesem Jahr noch der Außenhandel die Wirtschaft gestützt, werde es im nächsten Jahr die Binnennachfrage sein.
Investoren hätten vor allem Furcht um die Zukunft der Eurozone. Frankreich als Deutschlands größter Handelspartner wackelt, wenn auch nicht besorgniserregend, so Prof. Feld, und die „Nicht-Einigung“ über Griechenland in der Nacht zu Mittwoch senden negative Signale aus. Wer im Euroraum bleiben will, der schichtet seine Investitionen aus den mediterranen Ländern nach Deutschland, Österreich und Frankreich um, wer aus dem Euro flüchten will, der geht wieder in die USA und nach Fernost. So wie es amerikanische und chinesische Investoren bereits machten.
In Griechenland ist viel passiert. Es wurde erstmals wieder ein Haushaltsüberschuss erzielt und die Leistungsbilanz weist steigende Exportzahlen auf. Dennoch: „Die Schuldendynamik in Griechenland ist ungebrochen“, erläutert der Ökonom. Anfang dieses Jahres lag die Verschuldung noch bei 120, derzeit bewege sie sich in Richtung 180 Prozent. Auch Spanien habe seine Schuldenquote von 60 auf 80 Prozent verschlechtert. Insgesamt wurde wenig erreicht, um die „systemischen Probleme der gemeinsamen Währung zu lösen“. Lob gibt es vom Sachverständigen für die EZB, die immerhin Liquidität bereitstellt. Um die Europäische Zentralbank jedoch zu entlasten, brauche es einen „Schuldenpakt“, der im Kern einen Schuldentilgungspakt für die Konsolidierung der Haushalte aufweist und keine weiteren nationalen Verantwortlichkeiten beinhaltet.
Lesestoff:
Roland Krieg