Handelsbilanz Deutschland - Polen
Handel
Handel ist besser als das Image
„Die Mittel- und Osteuropäischen Länder haben Wirtschaftsfaktoren, die wir gerne hätten“, sagte Andreas Apelt, Direktor des Europäischen Informationszentrums gestern in Berlin auf der Jahrespresskonferenz der polnischen Botschaft. Nach Frankreich, den Niederlanden und den USA bleibt Deutschland der viertstärkste Investor im Nachbarland Polen. „Wir sind aufeinander angewiesen und können ein Motor im Herzen Europas sein.“ Prof. Dr. habil Józef Olszynski, Gesandter der Wirtschaftsabteilung der Botschaft „hat fast nichts negatives zu berichten“. Der LKW-Bauer MAN jetzt 140 ha Gewerbegebiet in Niepolomice bei Krakau erworben und will 2007 mit 650 Mitarbeitern 15.000 Kipplaster in Polen bauen und mit fast 100 Millionen Euro Volumen nach der Metro und Volkswagen den dritten Platz Investitionshitliste ein. Auf dem Gelände entsteht neben dem Montagebereich und der Logistik auch eine Lackiererei und ein Testzentrum, so Peer Stauske, Departmentmanager in MAN Nutzfahrzeuge AG.
Wirtschaft ist viel Psychologie
Gegenüber den prozentualen Änderungen sagen die absoluten Zahlen des Handels viel eher etwas über die Größenverhältnisse aus. So beträgt das Exportvolumen Polens mit 71 Milliarden Euro nur etwa ein Zehntel des deutschen. Während Deutschland für 625 Mrd. € Waren importiert, kommt Polen nur auf gut 80 Mrd. Prof. Olszynski sieht daher in Deutschland die potentere Wirtschaftsmacht, aber weist auf die Stärke der polnischen hin: Hier sind viele kleinere Unternehmen tätig.
Eine deutliche Rüge fing sich der Elektronikhändler Media-Markt ein, der in seiner Werbung „praktisch Polen als Diebe“ darstellte. Während der Fleischskandale im letzten Jahr geisterte die Zahl von 26.000 polnischen Arbeitern durch die Medien, die in Kolonnen in den Schlachtereien arbeiteten. Olszynski bezifferte die Zahl der Arbeiter nur auf 2.000 und beklagte die oft negative Berichterstattung der Medien. Es geht ihm dabei nicht, eine extra freundliche Berichterstattung zu fordern, sondern mehr, keine falsche Darstellung zu erreichen. Mit Blick auf Rheinland-Pfalz stellte er fest, dass die guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich erst durch die jeweilige Einführung der anderen Landesprache als Pflichtfach in der Schule einen Aufschwung erhalten hätten. Immerhin sprechen mehr Polen deutsch als umgekehrt.
Schwerpunkt und Dynamik
In den beiden letzten Jahren hat sich in der Handelsstruktur zwischen den beiden Ländern kaum etwa verändert. Mit der deutschen Regierungskoalition hätte sich aber das Klima deutlich verbessert, so Olszynski.
Die Warengruppe XVI bis XVIII, Erzeugnisse der Elektro- und Maschinenbauindustrie bilden nach wie vor den Handelsschwerpunkt mit 7,5 Milliarden Euro Warenwert nach Deutschland und 8,4 Milliarden nach Polen. Die stärkste Wachstumsdynamik hingegen weist die Warengruppe I bis IV auf: Agrar- und Lebensmittel. Hier gab es 2005 eine Steigerung von 33 Prozent in Richtung Deutschland und 36 Prozent nach Polen.
Fleisch- und Fleischprodukte haben dabei mit 241 Prozent die größte Steigerung alle Handelsprodukte nach Polen gehabt und nach Wasserfahrzeugen und Metallerzen stehen mit Gemüse, Wurzeln und Knollen wieder landwirtschaftliche Erzeugnisse auf Rang vier mit einer Steigerungsrate von 224 Prozent. Milchprodukte, Eier und Honig sowie andere tierische Lebensmittel kommen 2005 auf Platz 5.
Aus Polen ist Getreide mit einer Steigerung von 998 Prozent die stärkste Warengruppe in 2005 gewesen. Danach folgen chemische Produkte und Milchprodukte und Eier auf Platz 3.
Eine neue Warengruppe hat sich in den Statistiken einen bleibenden Platz erobert: Fassungen und Beschläge für Möbel, Türen und Fenster wandern vermehrt nach Polen und kommen in Polstermöbeln wieder nach Deutschland zurück.
Günstig im Wettbewerb
Kumuliert betragen die deutschen Investitionen in Polen knapp über 10 Milliarden US-$, während sich umgekehrt das polnische Investitionsvolumen mit 500 Millionen Euro bescheiden ausfällt. Die polnische Spezialität sind viele kleine Firmen, die hier tätig sind und Prof. Olszynski legt dabei Wert auf die Aussage, dass diese nicht billig seien, sondern „günstig zur Wirtschaftsdynamik beitragen“. „Die Verlängerung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist sehr bedauerlich“, sagte Volkmar Strauch, Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium. Die Unternehmerverbände beginnen aber umzudenken und sektorale Befreiungen auf bestimmten Teilmärkten könnten früher möglich sein. Man solle die Unternehmen darauf vorbereiten und die Verlängerung der Regelung „nicht als Verschiebebahnhof“ betrachten.
Im Rahmen von Werkverträgen sind nur etwas mehr als 10.000 Polen in Deutschland tätig, was in etwa dem umgekehrten Kontingent in Polen entspräche, stellte Prof. Olszynski fest. Den größten Anteil stellen die Saisonarbeitskräfte aus dem Nachbarland mit 279.197 Menschen. Für die polnische Volkswirtschaft hätten diese nur eine untergeordnete Bedeutung.
Auf Nachfrage von Herd-und-Hof.de legte Wolfgang Kowalski aus dem Arbeitsministerium noch einmal die Ziele der Bundesregierung dar: Angesichts von 4,96 Millionen Arbeitslosen in Deutschland solle die Zahl der Saisonarbeitskräfte um 10 Prozent reduziert werden. Als zweites Problem gelte es den deutschen Bauern die Verpflichtung der Arbeiter zu erleichtern, um die Sozialversicherung nach europäischer Vorgabe bürokratisch leichter und weniger kostenintensiv abzuführen. Wolfgang Kowalski leitet eine bilaterale Arbeitsgruppe, die sich am 24. April erneut mit diesem Thema auseinander setzen wird. „Aber ohne eine endgültige Regelung zu erwarten.“
Polen ist auf der Nürnberger BioFach zum Ökoland des Jahres auserkoren worden. Die Regierung fördert nicht nur den ökologischen Landbau, sondern hat noch viele ehrgeizige Ziele.
2005/2006 ist das Deutsch-Polnische Jahr mit einer Vielzahl von kulturellen Veranstaltungen, die sie unter www.de-pl.info einsehen können. Die Seite www.wirtschaft-polen.de gibt detaillierte Auskunft über Zahlen und Handelsbedingungen.
roRo