Hengstenbergs schwieriger Start
Handel
Relaunch BLL ohne iglo
Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) hat sich diese Woche einen neuen Namen gegönnt. Künftig heißt der Verband der Ernährungsindustrie „Lebensmittelverband Deutschland“. Auf der Mitgliederversammlung übergab zudem Präsident Stephan Nießner den Staffelstab an Philipp Hengstenberg.
Mit dem neuen Namen will der BLL den Zeitgeist treffen. „Es reicht heute nicht mehr aus, lebensmittelrechtlich zu argumentieren und zu agieren“, sagte er in seiner Rede am Donnerstag. Denn neben recht und Wissenschaft sind längst Kommunikation und Wertediskussion getreten.“
Der neue Name soll gemeinsame Stärke symbolisieren, auch wenn nicht immer die gleiche Meinung vertreten wird. Iglo Deutschland aber zieht Konsequenzen und ist am gleichen Tag, nach der Mitgliederversammlung, aus dem BLL ausgetreten. Das deutsche Familienunternehmen steht derzeit im Kampf gegen einen Münchener Abmahnverein. Dieser ist gegen iglo als einzige Firma wegen des Einsatzes des von Frankreich empfohlenen NutriScore-Modells mit einer Unterlassungserklärung vor Gericht gezogen. Iglo hat Berufung eingelegt.
Vom BLL hat iglo offenbar keine Unterstützung erhalten. Bei Konsumenten sind farbige Ampeln beliebt und auch die Analyse des Max-Rubner-Instituts bescheinigt dem Modell etliche Vorteile. Der BLL allerdings bleibt mit seinem Vorschlag auf traditioneller Linie [1]. Antje Schubert aus dem iglo-Vorstand begründet den Austritt eindeutig: „Im Zuge der Debatte um eine Einführung einer Lebensmittelkennzeichnung sind grundsätzliche Defizite in der Ausrichtung des Verbandes zutage getreten.“ Der Fortbestand der Mitgliedschaft sei aus drei Gründen nicht mehr tragbar:
Der BLL-Vorschlag stehe für eine rein nationale Lösung und erhöht für internationale auftretende Unternehmen den Verwaltungsaufwand. Die aktuelle „Helden-Kampagne“ des BLL für ein gemeinsames Europa werde daher zu einer „Symbolpolitik.
Die Lebensmittelindustrie sei in der Gesellschaft in eine Verteidigungsposition gerückt. Sendeformate im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wie „Die Tricks der Lebensmittelindustrie“ mahnten eine Öffnung in Richtung Gesellschaft an. Die Menschen erwarten Antworten aus der Branche, die diese nicht gebe. Der BLL verharre auf alte Bestandsinteressen und habe iglo bei der Modellierung des Kennzeichnungsmodells „ausgegrenzt“.
Die Hamburger sind zur Mitgliederversammlung gar nicht erst nach Berlin angereist und haben fristgerecht gekündigt. Und das mediengerecht und termingenau veröffentlicht. Ob der Austritt ein Resultat des „alten BLL“ ist oder als Fehlstart für den neuen Präsidenten zu gelten hat, bleibt offen. Hengstenberg führt selbst ein über 140 Jahre altes Familienunternehmen, das mit Essig begann und heute mit Rotkohl, Gewürzgurken und Sauerkraut Marken für die deutschen Haushalte liefert.
Mit dem neuen Namen ist auch ein neues Logo entwickelt worden. Der Lebensmittelverband Deutschland hat den Spruch vom Acker bis zum Teller grafisch umgesetzt. Im Reihenanbau gewachsenes Gemüse führt in Leserichtung auf einen Teller.
Lesestoff:
[1] Wie wichtig ist der NutriScore: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/ampelstreit.html
Roland Krieg