Heute ist Weltverbrauchertag

Handel

Politik mit dem Einkaufskorb

„Ich bin was ich esse. Ich weiß nicht mehr, was ich esse, weiß ich noch was ich bin?“ Gerade die Fleischesser wurden im letzten Jahr mit wiederkehrenden Skandalen immer wieder aufs neue im Vertrauen auf den erwarteten Genuss erschüttert. Kurz nach der Internationalen Grünen Woche riss auch ein europaweiter Wildfleischhändler aus Bayern eine vormals als gesunde Alternative geschätzte Marktnische ins Verderben. Die Menschen stürzen sich auf verheißende Werbung „Aus eigener Herstellung“ und verbinden damit eine heimelige Warenwelt. Herstellung bedeutet aber in der Gesetzgebung, dass Ware zubereitet, be- und verarbeitet sein muss. Damit macht jeder Bäcker mit einem Zuckerstreusel eine angelieferte Industriepraline zum Backwerk „Aus eigener Herstellung“. Eine Praline „aus Meisterhand“.

Geheimsache Verbraucherinformationsgesetz
Marktforscher haben sich aus der Verzweiflung in die Beschreibung des „hybriden Verbrauchers“ gerettet. Lange sind sie erschüttert gewesen, dass Verbraucher Waren haben wollten, die aus artgerechter Tierhaltung stammen, umweltgerecht produziert werden, den Bauern gerechte Preise garantieren, sich dann aber doch mehrheitlich lieber beim Discounter versorgten. Der „moderne Verbraucher“ kauft bei Aldi und im Delikatessengeschäft. Was will er wirklich - wissen?
Es ist nicht praktikabel, dass vor dem Einkauf ein Besuch im Internet ansteht, um sich über die aktuellsten Geschäftspraktiken verschiedener Händler zu orientieren. Stehen sie heute auf der „roten Liste“? Firmennamen dürfen aber nach geltendem Recht nur bei einer Gesundheitsgefährdung genannt werden. Firmen, deren verdorbene Waren aus den Regalen bereits entschwunden sind, sind kaum noch in Erfahrung zu bringen. Ein bundesweiter Tortenhersteller dient der konventionellen Branche als abschreckendes Beispiel, zu Unrecht in die Schlagzeilen gebracht worden zu sein. Kleineren Firmen kann das die Existenz kosten.
Horst Seehofers Vorgängerin im Bundesverbraucherministerium, Renate Künast, scheiterte zweimal mit einer Vorlage, ein Verbraucherinformationsgesetz einzuführen. Kunden hätten aktiv Informationen bei den Behörden einholen können und selbst für Transparenz gesorgt. Der für April angekündigte Entwurf gibt keine Auskunft bei laufenden Verfahren, Geschäftsgeheimnissen oder wettbewerbsrelevanten Informationen. Weil das sehr weit interpretiert werden kann, sieht Foodwatch-Chef Thilo Bode darin einen „Gummiparagraphen“ und die Berliner Verbraucher Initiative titelte bereits: „Ziel verfehlt, Herr Seehofer.“
Die Beratungen der Landesverbraucherminister über den Entwurf vor einer Woche ließen die Presse draußen. Eine aus dem Ministerium angekündigte Presseerklärung gab es im Anschluss daran auch nicht. Immerhin sollen Informationen über Produkte auch dann herausgegeben werden, wenn die Waren selbst nicht mehr im Handel und beim Verbraucher sind, so ein erneut überarbeiteter Entwurf.
Nicht nur der Werdegang des Gesetzes scheint verkrampft, sondern auch der Umgang mit den Informationen. In den USA sind sie frei verfügbar: Alle Beteiligten sollten auch in Deutschland lernfähig sein, diese sachgemäß zu verarbeiten.

Brennpunkt Point of Sale
Ob es um die Gentechnik geht, das Verbraucherinformationsgesetz oder um Pflanzenmittelrückstände in Lebensmitteln, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in einem Bericht gestern in Bonn termingerecht veröffentlicht hat: Entscheidend ist, was gekauft wird. Wenn das BVL feststellt, dass bei 52 Prozent der untersuchten Lebensmittel Rückstände gefunden wurden, dann gehört die Information zwingend dazu, dass „nur“ bei 7,4 Prozent aller Proben auch die erlaubte Höchstmenge überschritten wurde. Dazu gehört auch das Wissen, dass eine Überschreitung der Höchstmenge nicht mit einer akuten Gefährdung der Verbrauchergesundheit gleichzusetzen ist – aber auch, dass Säuglings- und Kleinkindernahrung keine Überschreitungen aufwiesen. Wie viel Interpretationen sind damit möglich, wie viel Irritationen?
Wissen setzt sich aus den Puzzleteilen Informationen zusammen und darf man König Kunde an seine kaiserlichen Pflichten erinnern, sich umfassend zu informieren, bevor er einkauft? Wichtiger ist nicht, was wir einkaufen, sondern das, was wir nicht kaufen. Mehrheitlich werden daraus Ladenhüter, die wieder aus den Regalen verschwinden. So hat der Weltverbrauchertag auch etwas besinnliches an sich. Überlegen wir einmal nicht, was wir kaufen, sondern einmal was wir liegen lassen. Auch wenn das der Großraumparkplatz in einem Einkaufscenter schwer macht. Vielleicht weiß ich dann wieder, was ich bin.

Der Bericht des BVL kann unter www.bvl.bund.de/berichtpsm eingesehen werden.

Roland Krieg

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