Himmel und Hölle über Katowice

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Neue Klima-Allianzen und alte Probleme

Am kommenden Montag startet im polnischen Katowice die 24. Vertragsstaatenkonferenz (COP) zum Klima. Nach dem Desaster von Kopenhagen im Jahr 2009 fand die Weltgemeinschaft 2015 in Paris doch zu verbindlichen Zielen zum Schutz des Klimas. Die zweiwöchige Konferenz in Katowice beschäftigt sich vor allem mit technischen Fragen der Überprüfbarkeit nationaler Ziele und wird keinen weiteren „Meilenstein“ wie Paris hervorbringen. Doch alleine die Messbarkeit des Prozesses auf dem Weg zum 2-Grad-Ziel ist wichtig. Ob Katowice so viel Himmel hervorbringt, bleibt abzuwarten, denn die Hölle ist nicht weit entfernt. Die eingeschlagenen nationalen Klimawege gehen eher auf eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf rund drei Grad Celsius zu. Die Anstrengungen müssen also vervielfacht werden.

Wo liegt das Versagen?

Gerd Müller

Dazu passt, dass die UN-Organisation für Meteorologie in der vergangenen Woche die Zahl 405,5 ppm veröffentlicht hat. So hoch ist die Zahl der Kohlendioxidteilchen pro eine Million Teilchen in der Luft und liegt über dem Vorjahreswert von 403,3 ppm aus dem Jahr 2016. So viel Treibhausgase wie jetzt hat es seit den Messungen noch nie gegeben, heißt es in dem Bericht. Wie kann das sein, während doch überall Treibhausgase eingespart werden, Milliarden zur Verfügung stehen, Technologie vorhanden ist und es weltweit so viele Klimaakteure gibt?

Einen Eindruck gab am Mittwoch die Vorstellung der neuen Allianz für ein Sieben-Punkte-Programm von Entwicklungsminister Gerd Müller zusammen mit der Industrie und dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Berlin.

„Der Schutz des Klimas ist eine Überlebensfrage der Menschheit“, sagt Gerd Müller. Er ist auch ehrlich und sagt, Deutschland liegt bei seinen Ziel zurück. Müller gerät aber unter Druck durch die beiden CSU-Parteikollegen Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer, die nacheinander im Bundesministerium für Verkehr einen Rückschritt im Mobilitätssektor verantworten. Der eine in der letzten, der andere in der jetzigen Legislaturperiode.

Ein Fachminister, der zuvor als Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium die Klimathematik über die Landwirtschaft und den ländlichen Raum erlernt hat, reicht nicht aus, um zwei Quotenköpfe für die Automobilindustrie auszugleichen. Müller wehrte sich, einen Position gegen die Parteifreunde einzunehmen und zog sich auf seinen internationalen Standpunkt zurück: „Ich steige nicht in die bundesdeutsche Debatte ein!“ Müller vertritt mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Bundesregierung in Katowice und hat nur seinen 7-Punkte-Plan in der Hand. Es hätte ein Entwurf zum Ausstieg aus der Kohle sein sollen. Deutschland hätte sich an der Verschärfung der EU-Klimaziele 2030 mehr beteiligen können. Doch weil die Ministerien nicht an einem Strang ziehen, bleibt vieles auf der Strecke.

Olaf Tschimpke

Olaf Tschimpke half dem Minister aus der Patsche: „Der entscheidende Schlüssel ist im nächsten Jahr das Klimaschutzgesetz. Bis dahin muss die Kohlekommission ihre Ergebnisse vorgelegt haben.“

Die Bredouille ist nicht nur national. Sie ist mit dem US-Präsidenten Donald Trump und dem neuen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, global allgegenwärtig. Katowice wird eher das starke Signal für Geschlossenheit der übrigen Staaten aussenden müssen.

Allianz für Entwicklung und Klima

Das Entstehen ständig neuer Allianzen ist Ausdruck steigender Ratlosigkeit. Doch den Kopf hängen zu lassen, kann nicht zählen. So ist auch die am Mittwoch vorgestellte „Allianz für Entwicklung und Klima“ nicht unattraktiv. Nach wie vor geht es um die Vermeidung von 200 Millionen Klimaflüchtlinge im Jahr 2050. Nach wie vor verantworten zehn Industrieländer die Hälfte der Emissionen. Die Hauptverantwortlichen sind nicht die Hauptbetroffenen. Wenn in Indien und Afrika jeder Mensch seinen eigenen fossilen Stromanschluss wie im Westen bekäme, entstünde das drei- bis vierfache der Emissionen von Gesamteuropa, warnt Müller. Der Green Climate Fonds in Deutschland, einst mit 750 Millionen Euro ausgestattet, ist überzeichnet. Müller will ihn mit dem Doppelten, also 1,5 Milliarden Euro für die beiden nächsten Jahre auffüllen. Das Beispiel soll anderen ein Vorbild sein, denn ab 2020 will die Weltgemeinschaft jährlich 100 Milliarden US-Dollar gegen den Klimawandel für die Klimaanpassung im Süden der Welt spendieren. Ob das ohne die USA und Brasilien möglich ist, bleibt spekulativ.

Klimaversicherungen, eine globale Energiewende und eine klimaneutrale Verwaltung stehen ebenfalls auf dem Aktionsplan. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wird das Ziel 2020 erreichen. Klimakommissar Miguel Arias Canete hat am Mittwoch eine Verschärfung der europäischen Klimaziele in Aussicht gestellt. Müller forderte Brüssel erst einmal zur Klimaneutralität der eigenen Verwaltung auf.

Daniel Schmid

Öffentliche Gelder alleine reichen nicht, ergänzt Tschimpke. Der Nabu unterhält Musterlandschaften, die finanziell über Emissionszertifikate abgesichert werden. Daniel Schmid leitet die Abteilung Nachhaltigkeit und betont die Wirtschaftlichkeit der Nachhaltigkeitswende bei SAP. Die Softwarespezialisten erfahren durch seine Kunden und seine Mitarbeiter die Wertschätzung der neuen Politik: „Durch Nachhaltigkeit sichert man sich Geschäftserfolg“, so Schmid. Mit einer grünen Cloud durch erneuerbare Energien transportiere das Unternehmen Lösungen in die ganze Welt. Auch der Rückversicherer Munich Re hat den Weg zur Nachhaltigkeit eingeschlagen und  60.000 Zertifikate zum Stückpreis von zwei Euro gekauft. Die Munich Re sieht im Tagesgeschäft die Schäden des Klimawandels durch Naturkatastrophen, Ernteverluste und steigende Gesundheitsgefahren. Je später die Klimapolitik greift, desto teurer wird das finanzielle Engagement, rechnete Chefvolkswirt Dr. Michael Menhart (Foto unten) vor.

Mit welcher Brille sehe ich?

Ob der Betrachter vor Katowice Himmel oder Hölle sieht, hängt an der Entscheidung, welche Brille er aufsetzt. Die Ressortpolitik verträgt sich nicht mit einer Kohärenz einer nationalen Politik. Die EU ist einer der größten Geldgeber im Klimabereich und die Mittel reichen niemals aus. Erst die Weltbrille stellt die Zusammenhänge zwischen Entwicklungs- und Industrieländern her, verteilt Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Bei Gerd Müller rennt der ganzheitlich Denkende offene Türen ein. Den Langsamen können die Anti-Kohledemonstrationen am 01. Dezember in Köln und Berlin einheizen. Und in Katowice sollten sich die Länder auf stringente Indikatoren einigen.

Michael Menhart

Kompensationsprojekte

Danach kann der Betrachter wieder die lokale Brille aufsetzen. In den indischen Bundesstaaten Uttar Pradesh und Gujarat hilft die South Pole Gruppe beim Aufbau von 25.000 Biogasanlagen. Das Biogas wird nicht erneuerbare Brennstoffe in den Haushalten ersetzen. Weil in den Anlagen organische Abfälle vergoren werden, hilft das Projekt zudem Abfälle hygienisch zu entsorgen und spart jährlich 21.800 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente.

Das „Primaklima“-Projekt hilft der nicaraguanischen Gemeinde San Juan de Lima bei der Aufforstung. In den 1950 Jahren wurde rund die Hälfte des Regenwaldes für den Baumwollanbau abgeholzt. Bodenerosionen und exzessiver Einsatz von Pflanzenschutzmitteln haben zu gravierenden Umweltschäden geführt. Die zwischenzeitlich eingeführte Weidewirtschaft ist für die Region untypisch und hat die Wiederbewaldung verhindert. Erst diese aber steigert den Wasserrückhalt im Boden und hilft, Trockenzeiten zu überwinden. Da die forstwirtschaftliche Nutzung erst viel später als eine Beweidung einsetzt, ist die Aufforstung für die Bauern unattraktiv. Jetzt erhalten sie während der ersten zehn Jahren eine Ökosystemdividende für entgangenen Ertrag. Später sollen sie ihr Einkommen durch eine nachhaltige Forstwirtschaft erzielen.

First Climate setzt in Malawi Brunnen instand. In den Projektgebieten Dowa und Kasungu lebt die Hälfte der Bevölkerung ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das notwendige Abkochen des Wassers verbraucht Unmengen an Feuerholz, dessen Abgase die Wohnungen belasten. Neben der Reparatur defekter Bohrlöcher und Brunnenanlagen sorgen auch moderne Kochstellen  für eine nachhaltige Lebensweise.

Klimapolitik im Bundestag

Die FDP hat zur heutigen Debatte zur Klimapolitik einen Antrag für das Einhalten der Pariser Klimaziele gestellt. Dazu müsse ein internationales Handelsystem für Emissionszertifikate euafgesetzt werden. Deutschland soll in Katowice entsprechende Koalitionen bilden. Da es bereits regionale Zertifikate gibt, müssen sie international gegenseitig anerkannt werden. Dieses System könne übermäßige ordnungspolitische Anforderungen und bürokratische Hürden abbauen.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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