Historisches Länderministertreffen
Handel
Balanciert Dioxin Bund-Länder-Kompetenzen aus?
Für 14:30 Uhr war die Pressekonferenz nach der Sitzung
der Verbraucherschutzminister und Landwirtschaftsminister der Bundesländer mit
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner heute am Dienstag anberaumt. Gut zwei Stunden später,
erst nach Einbruch der Dunkelheit, war die „lange und intensive Sitzung“, so Pressesprecher Andreas Maruschke vom Thüringer Umweltministerium,
auch zu Ende. Hat die Sitzung so lange gedauert, weil eine neue Ära in Zusammenarbeit
zwischen Bund und Länder angebrochen ist – oder weil die Spannungen nur
notdürftig gekittet werden konnten?
Das wird die Zukunft zeigen. Im offiziellen Sprachgebrauch
überwog am Ende gemeinsame Geschlossenheit.
14 Punkte für sichere Futtermittel
Insgesamt haben sich Bund und Länder auf 14 Punkte
geeinigt, die Futtermittel unbedenklicher machen sollen. Im Wesentlichen folgen
sie dem Zehn-Punkte-Plan, den Ilse Aigner bereits letzte Woche vorgestellt hatte. Interessanteste Erweiterung: Es soll
eine Internetseite geschaffen werden, auf der für Verbraucher öffentliche
Warnungen gebündelt werden.
Die 14 Punkte gliedern Bund und Länder in die Bereiche:
Futtermittel sicher gestalten, Verbesserungen der Eigenkontrollen, Überwachungssystem
verbessern, Organisation der Strafverfolgungsbehörden und Strafrahmen
überprüfen und Transparenz und mehr Rechte für Verbraucher.
Ingelore Rosenkötter
(SPD) aus Bremen und derzeitige Vorsitzende der
Verbraucherschutzministerkonferenz betonte, dass die ersten Maßnahmen noch in
diesem Jahr umgesetzt werden sollen. In der Tat trägt jeder einzelne der 14
Punkte ein Umsetzungsdatum. Es wird auch aufgeführt, wer für die Umsetzung
verantwortlich ist.
Föderalismus und Globalisierung
Die Hauptaufgabe war
das Ausbalancieren von Globalisierung und Föderalismus, so Ilse Aigner. Trotz
aller eigenen Kompetenzen müssen die Länder angesichts der globalen Warenströme
schnell und sicher reagieren. Dabei bleibt die Kontrolle, deren Finanzierung
und personeller Ausstattung weiterhin Länderhoheit, betont Thüringens
Agrarminister Jürgen Reinholz. Die Brücke zum Bund heißt „Auditierung“. Aigner
betont, dass der Bund nicht kontrollieren will, aber er wird „Auditteams“ in
die Länder entsenden, die mit einem neuen Qualitätsmanagementsystem (QM) die
Ordnungsmäßigkeit der Kontrollen überprüft. Die Ergebnisse werden in einem Ranking
zusammengefasst, was dem Kontrollwesen einem Qualitätswettbewerb aussetzen
soll. Berlins Umweltsenatorin Katrin Lompscher begrüßte das zusätzliche Audit.
Die Länder stünden sowieso schon in einem Qualitätswettbewerb. Der Vorteil
dieser Sprachregelung: Jedes Land kann im Wesentlichen die Kontrollen so
gestalten und durchführen, wie es am besten zu passen scheint.
Am Ende sollen die
Futtermittel ähnlich gut überwacht sein, wie Lebensmittel. Er vorgelegte
Aktionsplan schließe nach Ansicht von Lompscher Rechtslücken, die ein
effektives Qualitätsmonitoring bislang behindert hat.
Die neue
Zusammenarbeit zwischen Bund und Länder ist nach Ansicht von Ilse Aigner ein
Paradigmenwechsel. Bislang durfte sich der Bund nicht in diese
Länderangelegenheit einmischen, während die EU jedoch jederzeit vergleichbare
Auditoren entsenden kann.
Agrarausrichtung
Kontrovers wurde die Diskussion über eine Neuausrichtung der Agrarproduktion geführt. Nach Ilse Aigner geht es im vorliegenden Fall nur um die Kontamination mit Dioxin, nicht um eine Agrarwende. Die Bundesländer Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz halten in einer Protokollerklärung „einen umfassenden und systematischen Diskurs über Grundlinien, anzustrebende Entwicklungsziele und dafür erforderliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die gesamte Kette der Lebensmittelwirtschaft für dringend erforderlich. NRW-Minister Johannes Remmel (Grüne): „Doch wir müssen nun auch die weichen dafür stelle, dass wir uns mit dem gesamten System der industriellen Agrarproduktion beschäftigen.“ Es könne nicht sein dass ein Zulieferer das gesamte System erschüttern kann.
Resonanzen
Manfred Nüssel,
Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) begrüßt die von Bund und
Ländern künftig gemeinsam koordinierte Überwachung und die Vorgaben für die
Eigenkontrollen der Betriebe.
Auch Bauernpräsident
Gerd Sonnleitner begrüßt den Paradigmenwechsel: „auch wenn die Details noch
nicht abschließend bewertet werden können, so ist es doch erfreulich, wie
schnell Bund und Länder von Konfrontation auf Kooperation umgestellt haben.“
Unterstützung durch Sachverständige
Schon während der Sitzung hat der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger (BVS) darauf hingewiesen, dass bereits aktuell die amtlichen Kontrollen durch BVS-Sachverständige verbessert werden könnten. Bevor neue rechtliche Regelungen greifen. Sie könnten nach Ansicht des BVS-Präsidenten Roland Vogel die Amtliche Lebensmittelüberwachung einfach und kostengünstig unterstützen. „Es geht bei den öffentlichkeitswirksamen Skandalen nicht nur um die jetzt wieder sichtbaren Kompetenzfragen, Gesetzeslücken oder Kommunikationsschwierigkeiten. Viel gravierende schlägt der Personalmangel zu Buche, also fehlende Kontrolleure an der „Lebensmittel-Front“, die Betriebe und Supermärkte inspizieren“, so Vogel.
Roland Krieg