4C-Initiative für Kaffee

Handel

Common Code for the Coffee Community

Zwei Tage lang hat die Kaffeewelt in Berlin getagt und am Freitag offiziell die 4C-Initiative für eine nachhaltige Kaffeeproduktion vorgestellt.

Kaffeekrise 2002
Während Anfang der 1990er Jahre der Kaffee in den produzierenden Länder rund 12 Milliarden US-Dollar umsetzte und in den Industrieländern einen Handelswert von 30 Milliarden US-Dollar aufwies, stürzten die Werte zu Beginn des neuen Jahrtausends auf einen historischen Tiefpunkt: Zwar stieg der Handelswert in den Industrieländern auf 70 Milliarden Dollar, aber die Erzeugerländer erhielten nur noch 5 Milliarden. Während die Weltmarktpreise vorher um etwa 120 US-Cents je englisches Pfund (454 g) herum lag, erzielten die Länder im Jahr 2002lediglich noch 50 Cents.
Die Internationale Kaffeeorganisation (ICO) beschreibt auch die Ursachen. Im ab Oktober beginnende Kaffeejahr 2001/02 wurden 113 Millionen Sack Kaffee zu 60 kg produziert, aber nur 106 Millionen Sack verbraucht. Weitere 40 Millionen Sack lagen im Lager. Für die Kaffeebauern waren die folgen dramatisch:

„Vor fünf oder sieben Jahren betrug meine Ernte sieben Sack rote Kirschen, und das war ausreichend, um Kleidung und Medikamente zu kaufen, wichtige Dienstleistungen zu bezahlen und viele Probleme zu lösen. Heute kann ich nicht einmal mit der vierfachen Verkaufsmenge meine Ausgaben decken. Um einen zuvor aufgenommenen Kredit für den Kauf von Dünger und besserem Saatgut für Mais abzubezahlen, war ich gezwungen meine Ochsen zu verkaufen – oder ich wäre ins Gefängnis gekommen.“
Mohammed Ali Indris, äthiopischer Kaffeebauer, 20021)

Aus der Krise zur Nachhaltigkeit
Im September 2002 stellte die parlamentarische Staatsekretärin aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), Dr. Uschi Eid, bei der ICO in London die 4C-Initiative vor: Common Code for the Coffee Community.
Jetzt ist pünktlich zum neuen Kaffeejahr der lange Prozess zu Ende. Die globale Gemeinschaft aus Produzenten, Händlern, Industrie, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen hat vor zehn Monaten in der Schweiz den Verein zur Steigerung der Nachhaltigkeit des Kaffeeanbaus und -handels gegründet. Mit Kraft, Tchibo, Procter & Gamble sowie Nestlé sind rund 35 Prozent Handelsvolumen am Weltkaffee der Initiative beigetreten. Zusammen mit anderen Firmen wäre die Hälfte des Kaffeeanbaus über C4 repräsentiert.

Kaffee statt Kupfer
Im Norden Perus hat sich am 16. September eine Mehrheit der Bevölkerung in einem Referendum gegen das Bergbauprojekt Rio Blanco entschieden. Der Abbau der Bodenschätze gefährde die Landwirtschaft – darunter auch den Anbau von Biokaffee für Europa, vor allem nach Baden-Württemberg. Das meldete die Entwicklungshilfeorganisation Fian.
Das Projekt gehört der in London ansässigen Monterrico Metals, die Anfang 2007 an ein chinesisches Konsortium ging. Die Gemeinden haben das Projekt auch abgelehnt, weil sie nicht, wie es gesetzlich üblich ist, in die Planungen und Entscheidungen einbezogen wurden.
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3,5 Prozent des weltweiten Kaffeeangebotes werden bereits nach 4C-Standards produziert und ab dem 01. Oktober auf dem Markt angeboten. Das sind 4,4 Millionen Sack. Bis 2015 soll die gesamte Handelsmenge umgestellt sein.
Das Public-Private-Partnership Projekt will Mindeststandards für einen ökologischeren Anbau durchsetzen, und vor allem Beteiligungsregegeln einführen. Industrie und Handel verpflichten sich, steigende Mengen an 4C-Kaffee zu kaufen, Berichtspflichten einzuhalten und Schulungsprogramme durchzuführen. Die Kontrollen werden durch die Mitgliedsbeiträge finanziert.

Den Massenmarkt erreichen
Die Kaffeekrise hat bei allen Beteiligten tiefe Spuren hinterlassen. Sie hat den Markt an einen Tisch gebracht. Präsident der 4C-Initiative und Mitglied im brasilianischen Kaffeerat Joaquim Leite sieht in dem Verein den Schlüssel für eine soziale und umweltgerechte Entwicklung. Die Initiative steht allen Marktbeteiligten offen.
Karin Kortmann, Staatsekretärin aus dem BMZ blickte auf den langen Weg der Initiative zurück, auf dem sich so unterschiedliche Interessen wie Nestlé, Oxfam, die christliche Initiative Romero und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) haben einigen müssen. Weltweit gibt es rund 25 Millionen Kaffeebauern, drei Viertel davon sind Kleinbauern und 16 der 50 Kaffeeexportierenden Ländern gehören zu den Least Developed Countries. Die Wertschöpfungskette Kaffee beschäftigt weltweit sogar 100 Millionen Menschen.

Es gibt kein 4C-Label
Zu finden ist der 4C-Kaffee nicht im Regal, denn er hat kein eigenes Label. Zudem bieten Transfair-Kaffee und Bio-Kaffee höhere Standards. Dessen ist sich die Initiative bewusst. Doch während der Transfair-Kaffee „nur“ 1,2 Millionen Menschen erreicht, kann der 4C-Kaffee weitaus mehr Menschen zu gute kommen. Die Initiative setzt auf eine „breitenwirksame Verbesserung im Massenmarkt“, so Kortmann. Diese Mindeststandards erleichtern den Einstieg der Bauern Logo 4C-Initiativein höhere Standards. Die Initiative steht in keinem Wettbewerber zu anderen Siegeln und eigne sich für die weltweite Armutsbekämpfung. Ausweitung der Hilfe bedeutet Ausweitung des Marktes mit 4C.
Wenig hilfreich ist dabei die Trennung zwischen höherwertigen Zertifikaten und dem Discount. Daniel Zulauf vom Schweizer Botschaftsrat sieht Deutschland derzeit in der gleichen Diskussion wie es sie vor 10 Jahren in der Schweiz gab. Als Migros und Coop faire Produkte listeten, fehlten den Nichtregierungsorganisationen die philosophischen Hintergründe. Heute stehe das nicht mehr zur Debatte und hohe Verkaufszahlen gäben diesem Weg recht.
Ob der Kaffeepreis durch die 4C-Initiative steigen wird, ist nicht klar. Roel Vaessen, Schatzmeister des Vereins und Vizepräsident der Europäischen Kaffeevereinigung denkt dabei nicht nur an den Handelspreis. Die Betriebe müssten sicherlich investieren. Beispielsweise in eine Abwasserbehandlung. Sie können aber auf Pflanzenschutzmittel verzichten. Wenn sie ihre Plantagenarbeiter gut bezahlen und behandeln, kommen diese im nächsten Jahr wieder, ohne dass neue Schulungen durchgeführt werden müssten. Zudem würde die nachhaltige Produktion auch zu einer
Produktivitätssteigerung führen. Mit der 4C-Initiative sollen letztlich die besonders gravierenden schlechten Beispiele in der Kaffeeproduktion ausgeklammert werden.

Private Standards oder WTO?
Mit Standards kann man sich einen Wettbewerbsvorteil sichern und wer sie nicht einhalten kann, der fühlt sich im Nachteil. Dann können sie auch protektionistisch sein und finden keinen Anklang in den Verhandelungen bei der WTO. Herd-und-Hof.de wollte von Joaquim Leite wissen, ob das Modell der 4C-Initiative ein Vorbild sein kann, ohne WTO höhere Standards durchzusetzen – und bekam eine überraschende Antwort.
KaffeekirschenDie kleinbäuerliche Kaffeeplantage von Leite geht auf das Jahr 1825 zurück. Und als er sie in den 1970er Jahren von seinem Vater übernahm, fragte er sich, was er einmal seinen Kindern überlassen würde und legte einen Maisgürtel an den Waldrand, um den Affen im Winter Futter zu geben. Er experimentierte viel herum und anstatt Stickstoffdünger zu bezahlen baute er lieber Leguminosen an, die den Stickstoff über Bakterien aus der Luft binden. Außerdem lockern Leguminosen mit ihren tiefen Wurzeln den Boden auf. Teurer Phosphordünger der bei zu viel Sonne wirkungslos im Boden bleibt und bei zu viel Regen wieder ausgespült wird, ersetzte er durch die bei der Aufbereitung abgelösten Kaffeebohnenhüllen.
Er hat für seine eigene Farm sehr viel experimentiert, sagte er. Und das soll die Initiative anstoßen. Die Kaffeebauern werden durch die Agrochemie geschult und ihnen würde beigebracht, nur die teueren Dünger und Pflanzenschutzmittel zu nutzen. Leite nannte das Gehirnwäsche. Diese Anbaukultur müsse aus den Köpfen der Bauern heraus. Die 4C-Initiative soll die Eigenverantwortlichkeit für die Umwelt und soziale Aspekte anstoßen.
Eine charmante Lösung: Wenn alle Bauern das gleiche machen würden, wäre die Standardfrage bei der WTO gelöst!?

Kaffee wird heute auf rund 10 Millionen Hektar angebaut. Im Weltdurchschnitt liegt der Ertrag bei 680 kg/ha, wobei die Spanne zwischen 33 kg in Angola und 1.465 kg in Vietnam sehr groß ist. Für einen 60 Kilo schweren Sack Rohkaffee müssen rund 100 gut tragende Arabica-Bäume abgeerntet werden. Mehr als zwei Pfund pro Jahr liefert ein einzelner Baum nicht.
Mit 146 Litern trinken die Deutschen mehr Kaffee als Wasser oder Bier. Nach den USA und Brasilien ist Deutschland der drittgrößte Kaffeemarkt der Welt. 2006 wurden 510.420 Tonnen Rohkaffee importiert und zu 392.000 Tonnen Röstkaffee und zu 16.900 Tonnen löslichem Kaffee verarbeitet.
Am 28. September findet unter der Schirmherrschaft des Schauspielers Erol Sander zum zweiten Mal der Tag des Kaffees statt. Dieses Jahr lautet das Motto: „Kaffee – meine große Liebe“. Alle Termine finden sie unter www.tag-des-kaffees.de
Deutscher Kaffeeverband

Lesestoff:
Alle Details der Standards und den Fortgang der 4C-Initiative können sie unter www.sustainable-coffee.net einsehen und verfolgen.
Nachdem Oxfam zur Zeit der Kaffeekrise die Broschüre „Bitter! Armut in der Kaffeetasse“ veröffentlicht hatte, berichtet das neue Werk über die Initiative: 1)„Ist die Kaffeekrise nun vorüber?“. Zum Download auf www.oxfam.de.
Eine Broschüre über Ernte und Verarbeitung von Kaffee mit vielen aktuellen Zahlen finden Sie beim Deutschen Kaffeeverband in Hamburg: www.kaffeeverband.de
Alle Preise, Zahlen über Anbau und Nachfrage finden Sie bei der International Coffee Organisation www.ico.org. In den historischen Preistabellen ist die Kaffeekrise leicht nachzuvollziehen.

Roland Krieg; Foto: NDK

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