Im Umweltrat die Kurve gekriegt

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EU-Kompromiss nach Ampelkoalition

In Brüssel können die Minister mit Ja oder Nein stimmen, sie können sich auch enthalten. Sie reisen jedoch nicht in eigener Sache an, sondern im Auftrag der Bundesregierung, auch wenn sie ihr Ressort verteidigen. So ist es im Fach-EU-Rat üblicher Gebrauch so abzustimmen, wie die Regierungskoalition es entschieden hat. Also mit „Ja“ oder „Nein“. Falls die Koalition uneins ist, enthält sich die Ministerin oder der Minister.

Daher hatte der Vorvorgänger im Agrarministerium die schwarz-rote Koalition beinhaltet zu Fall gebracht, als er ohne Vorwarnung bei der Glyphosat-Abstimmung von „Enthaltung“ zu einem „Ja“ wechselte. Ein direkter Affront gegen die damalige Umweltministerin, ein Verstoß gegen das Abstimmungsverhalten der Regierung in Brüssel – aber am Ende ohne Folgen für die Ämter.

So wandelte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstagmorgen auf den Spuren Christian Schmidts und verkündete lauthals, sie stimme in ein paar Stunden im Umweltrat für das Parlamentsvotum, dem Verbrennungsmotor 2035 bei Neuzulassungen nicht mehr zu erlauben.

Ihr Votum ist in der Koalition umstritten und nicht durch den Koalitionsvertrag gedeckt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) drohte über die Medien in Richtung Luxemburg, wo der Umweltrat tagte: „Die heutigen Äußerungen der Umweltministerin sind überraschend, denn sie entsprechen nicht den aktuellen Verabredungen.“

Die Positionen sind klar

Das Steffi Lemke für die grünen Wähler gegen das Verbrenner-Aus Position bezieht, ist selbstverständlich. Doch schon vor einer Woche im Bundestag hätte sie hellhörig sein müssen. Isabel Cademartori von der SPD sagte: „“Warum nicht den Verbrennungsmotor behalten und irgendwie darauf hoffen, dass E-Fuels die Dekarbonisierung vorantreiben? Darauf antworte ich: Das tun wir ja. Wir brauchen E-Fuels, um die Flugzeugflotte zu dekarbonisieren, um die Schiffsfahrtsflotte zu dekarbonisieren.“

Judith Skudelny von der FDP betonte, es gebe keine einheitliche Meinung, aber unterschiedliche Ansichten. Die FDP sieht „das faktische Verbrenner-Aus ein Stück weit kritisch. Das wichtigste Argument für den Kolbenmotor ist jedoch, dass gar nicht der Motor das Problem ist. Es ist die Frage, was wir da reinschütten. Die E-Fuels sind wasserstoffbasierte Kraftstoffe, die viel leichter transportiert werden können und für die wir sogar heute schon eine Infrastruktur haben.“

Die beiden Regierungspartner der Grünen dürfen sich auf den Koalitionsvertrag beziehen. Da heißt es: „Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“

Und so hat sich die Regierung über ein Fernduell auch auf die bundesdeutsche Kfz-Politik geeinigt und kann den folgenden Kompromiss in Luxemburg als Erfolg verbuchen. Auch nach 2035 gibt es Automobile mit Verbrennermotor, die aber „exklusiv“ mit klimaneutralen Kraftstoffen, wie beispielsweise E-Fuels betankt werden können.

Den Gegenwind hat Lemke auch auf der Sitzung bei ihren Amtskollegen spüren müssen. Elektroautos sind für die meisten zu teuer, sagte der bulgarische stellvertretende Umweltminister Borislav Sandov und stand damit nicht alleine da.

Roland Krieg

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