Indiens Rindfleisch auf dem Weltmarkt

Handel

Die Globalisierung erreicht auch den Rindfleischmarkt

Die USA bleiben nach wie vor der größte Rindfleischproduzent der Welt. Im Jahr 2011 wurden dort gut elf Millionen Tonnen Rindfleisch produziert, gefolgt von Brasilien und Kanada mit 9,2 und 8,9 Millionen Tonnen. In der EU-27 nimmt die Produktion wegen hoher Produktionskosten und Kürzungen bei den Subventionen auf 7,8 Millionen Tonnen Schlachtgewicht ab. Abzüglich des Eigenverbrauchs werden rund acht Millionen Tonnen Rindfleisch weltweit, meist im gefrorenen Zustand, auf dem Weltmarkt gehandelt.

Brasilien gibt Märkte frei

Indien ist das Land der Stunde auf dem Rindfleischmarkt. Im Jahr 2003 haben sie mit zwei Millionen Tonnen Mexiko und 2010 mit 2,5 Millionen Tonnen Argentinien in der Produktion eingeholt. In den letzten Jahren stieg die Produktion noch einmal sprunghaft an. 2012 wurden 3,7 und in diesem Jahr wohl 4,2 Millionen Tonnen Rindfleisch produziert. Indien drängt auf den Weltmarkt. Brasilien verliert das Interesse. Viviane Pons und Thierry Pouch haben in den französischen „Ökonomischen Briefen der Landwirtschaftskammern“ [1] den Wachwechsel beschrieben: Zum einen hatte die EU im Jahr 2008 mehrere Einfuhrrestriktionen gegen brasilianisches Rindfleisch wegen unklarer hygienischer Herkünfte verhängt. Zum anderen bot der Sojaanbau bei niedrigeren Betriebskosten hohe Erlöse durch steigende Preise. Zudem erfuhr der brasilianische Real eine Aufwertung als Brasilien sich zum drittgrößten Agrarexporteur der Welt aufschwang.

Indien

Komparative Preisvorteile, eine Ausdehnung der Milchviehherde und steigende Schlachtzahlen haben Indien nach Angaben des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums an die Spitze der Rindfleischexporteure im Jahr 2012 gebracht. Zwölf Prozent der weltweiten Produktion gelangen auf den Weltmarkt. Rund acht Millionen Tonnen. Und Indien schnappt sich einen wachsenden Anteil. Wurden im Jahr 2000 nur etwa 300.000 Tonnen exportiert, war es 2008 schon die Doppelte Menge und überschritt im Jahr 2011 die Schallmauer von einer Million Tonnen. Im letzten Jahr waren es 1,7 und in diesem Jahr werden es 2,2 Millionen Tonnen sein – etwa 25 Prozent des weltweit gehandelten Rindfleisches. Indien bedient die nahen Märkte in Nahost, Nordafrika und Südasien.

Der Erfolg kommt nicht über Nacht. Schon im Jahr 2007 hat Deepak Shah vom Gokhale Institute of Politics and Economics für die Universität München den Wandel im indischen Fleischsektor aufgezeichnet [2]. Auf dem Subkontinent befindet sich die sechstgrößte Population an Rindern und die Hälfte der Büffel. Ende der 1990er Jahre hatte sich innerhalb von zehn Jahren der Wert der Rindfleischproduktion mehr als verdoppelt. Das sei umso erstaunlicher, als der Anteil der Landwirtschaft am Nationaleinkommen in Indien stetig sinkt. Der Zahl der Rinder hat sich seit den 1980er Jahren um 1,57, die der Büffel um 2,74 Prozent jährlich vergrößert. Indien hat die Liberalisierung auf dem Weltmarkt mit einer staatlichen Politik gepaart, die mehr als 3.000 Schlachthäuser bis 2007 modernisierte und Märkte für Schlachtnebenprodukte etabliert hat. Vor allem die Modernisierung der Schlachthäuser wurde mit mehr als 2.000 Lakhs (1 Lakh sind 100.000 Rupien, eine Rupie sind 0,02 Eurocent) im neunten Fünfjahressplan Ende der 1990er Jahre gefördert.

Exportherden in der Kritik

Die Genetik der Herden wurde seitdem stetig verbessert, der Anteil nicht-Vegetarier in Indien steigt und Exportkampagnen wurden durchgeführt. Der Durchschnittsinder hat im Jahr 1985 pro Jahr 0,27 Kilogramm Rind- und Büffelfleisch gegessen. Im Jahr 2000 waren es nach Angaben der CLFMA bereits 0,82 Kilo, obwohl der Fleischkonsum im gleichen Zeitraum von 1,28 auf 3,18 Kilo weniger deutlich anstieg [3]. Doch setzt der heimische Markt dem Konsum noch immer Grenzen – weswegen das Exportgeschäft ein Ventil für die steigende Produktion ist. Dennoch: Aus der Sicht von 2007 kam Deepak Shah zu folgendem Schluss: Für Fleisch wird Indien auf absehbare Zeit keine nennenswerten Exportanteile produzieren – obwohl das Land ein riesiges ungehobenes Potenzial für die Fleischproduktion hat.

Das hat sich geändert. 106 Millionen Büffel gibt es in Indien, 38 Schlachthäuser sind für den Export zertifiziert und ein junger Büffel kostet gerade einmal umgerechnet 200 Euro. Die meisten Büffel stehen im Bundesstaat Uttar Pradesh. Im Jahr 2011 waren es rund 300.000, von denen 70 Prozent für den Export bestimmt sind. Gegenüber der Times of India erklärte Surendra Kumar Ranjan, Direktor der Hind Agro Industrie in Uttar Pradesh: „Unser Fleisch ist mager und billiger. Wir liefern auch Halal-Fleisch für die Golfstaaten.“ [4] Aber es gibt auch Kritik. Der Dachverband Indian Animal Protection Organisations (FIAPO) nimmt zunehmend Stellung gegen die Agroindustrie. Bei Schlachtvieh werden die überfüllten Transporte ohne ausreichend Wasser und Nahrung kritisiert. In Indien ist auch nicht vorgeschrieben, dass die Tiere vor dem Schlachten betäubt sein müssen.

China

China spielt bei den künftigen Marktentwicklungen eine Rolle. Die chinesischen Bauern weichen wegen der hohen Komplexität der Rindfleischproduktion und zurückgehender staatlicher Unterstützung auf andere Produktionsrichtungen aus. Wenn der chinesische Konsument aber weiterhin Rindfleisch nachfragt, bleibt nach Viviane Pons nur die Bedarfsdeckung auf dem Weltmarkt. China könnte dem globalen Rindfleischmarkt einen neuen Impuls geben.

Auswirkungen auf den deutschen Markt

Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) hat im letzten Jahr einen Ausblick auf die Auswirkungen der internationalen Rindfleischmärkte auf die bayerische Land- und Ernährungswirtschaft untersucht [5]. Zwischen 2000 und 2009 ist die Produktion von Rindfleisch in der EU-15 um mehr als acht Prozent zurückgegangen. Deutschland liegt mit einem Minus von neun Prozent und vor allem Bayern mit einem Minus von 18 Prozent über dem Schnitt. Bayern produziert aber noch immer ein Drittel des deutschen Rindfleisches und ist der Gradmesser für die Änderungen auf dem Weltmarkt.

Jeder zweite Betrieb in Bayern hält Rinder, ein Drittel ist an die Milchproduktion angegliedert. Bayerns Selbstversorgungsgrad beträgt 200 Prozent – Bayern muss also exportieren.

Frische und gekühlte Ware in der EU wird zu 97 Prozent im Binnenhandel abgewickelt. Bei gefrorenem Rindfleisch werden nur noch 270.000 Tonnen in Drittländer gehandelt. Fleisch und Fleischwaren sind die drittwichtigste Exportgruppe Bayerns. Kalb- und Rindfleisch stellt etwa die Hälfte des Umsatzes von insgesamt einer Milliarde Euro im Jahr 2009. Das Bundesland weist bei Rindfleisch noch immer einen Exportüberschuss auf. Doch dieser wird fast ausschließlich innerhalb der EU gehandelt. Italien und die Niederlande nehmen mit 31 und 22 Prozent mehr als die Hälfte ab. Italien zeichnet sich als traditioneller Metzger-Markt dadurch aus, dass ganze Schlachtkörper und Teilstücke mit Knochen gut die Alpen überqueren können. Bayerns Marktanteil in Italien beträgt 25 Prozent.

Ob Indien oder Brasilien Exportweltmeister für Rindfleisch sind, berührt Bayern oder Deutschland derzeit nicht so stark. Bayern rechnet sich weiterhin gute Absatzchancen für hochwertige Teilstücke aus, denn die bleiben weltweit knapp. Bayern kommt hier zugute, dass das Fleckvieh aus Sicht der Schlachtkosten pro Tier je Kilogramm Schlachtgewicht Vorteile gegenüber den Wettbewerbern aus den deutschen Küstenregionen aufweist.

Lesestoff:

[1] www.chambres-agriculture.fr/outils-et-modules/actualites/article/viande-bovine-une-decennie/

[2] Deepak Shah: India´s Trade Practises in Livestock Sector; Munich Personal RePEc Archive (MPRA) Paper No. 3854, 06. Juli 2007 http://mpra.ub.uni-muenchen.de/3854/

[3] The Compound Feed Manufacturers Association as Part of the Indian Livestoc Industry (CLFMA) www.clfmaofindia.org

[4] http://articles.timesofindia.indiatimes.com/2013-04-01/india/38188217_1_buffalo-meat-tonnes-transport-and-slaughter

[5] Auswirkungen internationaler Märkte auf die bayerische Land- und Ernährungswirtschaft – Rindfleisch. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft 2/2012 ISSN-1611-4159

Roland Krieg

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