Innovationen beim Essen - Teil I

Handel

Welche Lebensmittel brauchen wir?

Das Hamburger New Foods Magazin lud am vergangenen Freitag zum 25. Mal zu seiner Tagung über „Neue Nahrung“ in die Hamburger Handelskammer. Moderator Bernd Lehmann wollte von den vortragenden Wissenschaftlern die Frage geklärt haben, welche Lebensmittel der Handel braucht.

New Foods für den Handel
Die Zeiten, in denen der Handel mit einem Produkt alt und reich werden kann sind vorbei. Ständig muss etwas Neues her, denn die Gewinne aus einem Produkt werden nach der Gaußschen Normalverteilung mit zunehmendem Wirtschaftsalter immer kleiner. Die Innovation bringt in der klassischen Wirtschaftlehre den Gewinn wieder auf ein neues Niveau und der Pionierunternehmer kann, nach dem Volkswirtschaftler Joseph Alois Schumpeter (1883 – 1950), Extragewinne und Renditen einfahren. In der Praxis sieht es heute so aus, dass ein Schokoladenhersteller ein Jahr nach seinem Schokoladenwürfel diesen, um eine Sommer- und einer Wintervariante erweitert, neu auf den Markt bringt. Handelsexperten bezeichnen das als „Line Extension“, beschreibt Karin Schmid von der Nürnberger Information Ressources GmbH den Vorgang. Solche Produktneuerungen sind auch in Zeiten der Konsumzurückhaltung und sinkender Lebensmittelpreise erfolgversprechend. Aber kein Selbstläufer: 70 Prozent der „neuen Produkte“ verschwinden wieder. So hatte sich der LC1-Joghurt im präbiotischen Lebensmittelbereich nicht durchgesetzt, aber der Nachfolger Actimel fährt mittlerweile 241 Millionen Euro Jahresumsatz ein.
Karin Schmid teilte die Warenwelt in riskante und beste Warengruppen ein. Bei Fertiggerichten und Alkoholika werden Neueinführungen von den Verbrauchern nicht so erfolgreich angenommen. Bei Pflegemitteln allerdings sind die Firmen meist sehr erfolgreich. Das A und O des Erfolges sei die Umsetzung der Idee. Werbung ist ein Teil des Geheimnisses, der andere sind Distribution und Logistik. Neue Produkte werden meist im Vollsortimenter eingeführt und sind in Deutschland nach durchschnittlich 11,6 Wochen bereits im Discounter gelistet. Wer nicht liefern kann, ist schnell aus den Regalen wieder verschwunden. Zudem, so Karin Schmid, kommen die „Me too“-Produkte schneller in den Markt: Nachahmer-Produkte der Wettbewerber. Die Marktforscherin beobachtet eine sinkende Halbwertszeit für Neuheiten.

New Foods für den Verbraucher
Zwischen den Ländern gibt es innerhalb der EU Unterschiede in der Platzierung neuer Produkte. In Frankreich baut sich der Marktanteil und der Umsatz eines neuen Produktes langsam und kontinuierlich auf und Verbraucher reagieren kaum auf Werbemaßnahmen. In Großbritannien hingegen erzielen die neuen Produkte zwischen der 16. und 24. Woche ihr Umsatzhoch und kommen erst mit Promotionskampagnen wieder auf Touren. In Deutschland weist der Umsatz nach 12 Wochen ein Maximum auf und wirkt nachhaltig erst nach einem Jahr wieder. Trotzdem sind die Deutschen durchaus innovationsfreudig, verriet Karin Schmid Herd-und-Hof.de in der Pause. Das liege auch in der vorgegebenen Handelsstruktur. Mit Discounter und SB-Warenhäuser ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde auf neue Produkte trifft sehr hoch – und er greift gerne zu. Auch, oder vielleicht gerade deshalb, weil der deutsche Verbraucher mittlerweile schwierig einzustufen ist, wie bereits die ANUGA im letzten Jahr zeigen konnte. Karin Schmid zeigte aber auch, dass der Verbraucher selbst neue Produkte aus dem Handel fordert. Flexible Arbeitszeiten und steigende Mobilität lösen den klassische 3-Mahlzeiten-Rhythmus auf, der Zeitdruck beim Essen steigt und die Außer-Haus-Verpflegung nimmt zu. Gesundheit und Wellness stehen mittlerweile ganz oben in der Gunst der Verbraucher. „Schädliche Stoffe“ wie Fett, Kalorien und Zucker werden aus den Lebensmitteln herausgenommen, Diätprodukte verschwinden – aber Light-Produkte kommen hinzu. Die aktuellen Ernährungstrend sind Trinkjoghurt und -molke, die ihren Marktanteil bis um das vierfache gesteigert haben, Bioprodukte allgemein, wobei es sogar schon Biohackfleisch für Hamburger gibt, Bärlauch und Mangold als Statthalter für eine „Retro-Gastronomie“ und der Marktanteil für gesundheitlich probiotische Tiefkühlpizzen beträgt auch bereits zwei Prozent.
Welche Produkte auf dem Kongress vorgestellt wurden, erfahren Sie im zweiten Teil.

roRo

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