Investment gegen Welthunger?
Handel
FDI und Vertragslandwirtschaft in der Bewertung
Vor drei Wochen hat die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) ihren Welt Investment Bericht 2009 vorgestellt. In der nächsten Woche ist Welternährungstag, im November die nächste Welternährungskonferenz in Rom – doch die Zahl der Hungernden und Mangelernährten hat in diesem Jahr die Schwelle von einer Milliarde Menschen durchbrochen. Sind Vertragslandwirtschaft in den Entwicklungsländern und Ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment (FDI) taugliche Instrumente im Kampf gegen den Hunger?
Darüber diskutierten am Donnerstag Abend Dr. Joachim Karl von der UNCTAD und Myriam van der Stichele aus dem niederländischen Center for Research on Multinational Corporations (SOMO) auf Einladung von FIAN Deutschland in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung.
Steuereinnahmen verbessern |
Ausverkauf der Kleinbauern?
Der südafrikanische Bauernverband hat kürzlich rund acht Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche im Kongo für 100 Jahre gepachtet. Sollten die Bauern das Land nicht selbst bestellen, um ihre Nahrungsversorgung sicher zu stellen? Zuletzt hat der G8 – Gipfel 20 Milliarden US-Dollar für die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern freigegeben, doch welche Form der Landwirtschaft wird damit unterstützt?
Der World Investment Report (WIR) hat diese Fragen zwar nicht beantwortet, nähert sich dem Thema aber ausgewogen. Nach Dr. Karl ist zwischen FDI und Vertragslandwirtschaft zu unterscheiden. Bei der ersten Version pachtet ein ausländisches Unternehmen Land und bebaut es in Form des „greenfield investment“ selbst, um die Ernte in sein eigenes Land zu exportieren. Die Vertragslandwirtschaft bezeiht die Bauern und Kleinbauern mit ihrer eigenen Produktion ein und nimmt deren Produkte auf.
Der Vertragslandwirtschaft gibt der UNCTAD-Bericht den Vorzug, weil die Bauern noch weitgehend selbsttätig arbeiten, von Technologie- und Wissenstransfer direkt profitieren und sich in Kooperationen und Genossenschaften zusammenschließen können.
Die Finanzkrise hat den Investitionsboom beendet |
Der WIR empfiehlt Modellverträge auszuarbeiten, weil die Vertragslandwirtschaft noch immer der typischere Fall von Investitionen ist, so Prof. Karl. Eine Umfrage der UNCTAD ergab, dass die Investitionsfirmen der Entwicklungsländer auch Gelder für die Nahrungsmittelproduktion aufnehmen würden, doch die meiste Nachfrage nach den so genannten cash crops geht. Globale Lebensmittelunternehmen seien auch nicht in greenfield investment interessiert, so Dr. Karl. Sie überließen den Anbau den Bauern.
Ganz ablehnen möchte er die FDI aber nicht, denn er sieht je nach Vertragsausgestaltung auch eine „win-win-situation“ beim „greenfield investment“. Die Länder als Souverän ihrer politischen Rahmenbedingungen könnten über „output-sharing-agreements“ bestimmen, dass ein Teil der Ernte im eigene Land verbleiben kann. Trotzdem fließen Technik und Know how in das Land.
So sind die hohen Importzölle der Industrieländer durchaus ein Hemmnis für mehr FDI in die Entwicklungsländer. Sie subventionieren ihre eigene Produktion und unterstützen den Export. In der Summe verhindert das den Warenfluss aus den Entwicklungsländern nach einer FDI im Agrarbereich.
Vertragsanbau |
Problem Konzentrationsprozess
Myriam van Stichele sieht jedoch bei FDI und Vertragslandwirtschaft Konzentrationsprozesse in der Wertschöpfungskette, die sowohl Kleinbauern als auch kleine Händler vor Ort aus dem Markt drängen. Gerade europäische Länder wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande schließen „aggressive bilaterale Investmentverträge“ ab. Sie schützen zwar den Investor, nicht aber die Zielgruppe vor Ort, so van Stichele. Sie fordert daher die Aufnahme von Kooperationsklauseln in den Abkommen und will das Mandat für die Verträge auf die europäische ebene verlegen, weil dort noch mehr politischer Spielraum für die Gestaltung sei.
Vor- und Nachteile Vertragsanbau |
Die Empfängerländer sollten vor Abschluss eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen, um Rechte und Pflichten auszubalancieren.
Ziel sind Verträge bei FDI und in der Vertragslandwirtschaft, die nicht die Ernährungssouveränität der Entwicklungsländer gefährden. Eine tragende Rolle könne hier die OECD spielen, die mit ihren freiwilligen Leitlinien dem Investment einen Rahmen geben. Dort gibt es auch eine Schiedsstelle, bei der Nichtregierungsorganisationen mit Investoren nach verhandeln können. Die OECD Leitlinien stehen demnächst vor Neuverhandlungen und van Stichele sieht darin eine Chance mehr Öffentlichkeit und Transparenz in das Thema zu bekommen, damit die Menschen wissen, was dort passiert.
Lesestoff:
Den World Investment Report können Sie unter www.unctad.org einsehen.
Die Somo hat eine umfangreiche Literaturliste für Bewertungen von FDI bereitgestellt: „Is Foreign Investment Good for Development?", Somo Paper, März 2008; www.somo.nl
Im letzten Jahr hat Oxfam eine Studie über die Macht der Supermarktketten vorgestellt.
Roland Krieg