IPCC-Warnruf für die Politik
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Forciert der IPCC-Bericht die Klimapolitik?
„Der menschliche Einfluss auf das Klima ist eindeutig.“
Das ist das Resümee des zwischenstaatlichen Panels für den Klimawandel (IPCC).
Der Bericht wurde nach einer Sitzung in der vergangenen Woche vorgestellt. Die
Arbeitsgruppe I hat in den letzten drei Dekaden eine übermäßige Erwärmung seit
1850 festgestellt. Die Oberflächentemperatur der Erde wird gegen Ende des 21.
Jahrhunderts gegenüber dem Vergleichszeitraum von 1850 bis 1900 um 1,5 Grad
ansteigen. Neben dieser optimistischen Prognose gibt es auch Szenarien mit
einer Erwärmung von mehr als zwei Grad Celsius.
Die Basis des neuesten Berichts resultiert aus
aktualisierten Einschätzungen über die künftige Entwicklung von Treibhausgasen und
Aerosolen. Eine Änderung der Prognosen werde es auch nicht geben, wenn die
Emission von Kohlendioxid gestoppt wird.
Reaktionen
„Der Klimawandel findet statt und er wird schlimmere Auswirkungen haben als befürchtet“, folgert der BUND. Vorsitzender Prof. Weiger fordert, beim Klimaschutz nicht zu zögern, weil Überschwemmungen, Unwetter und die steigende Zahl der Klimaflüchtlinge immense zusätzliche Kosten verursachen. Bis 2020 müsse ein internationales Klimaabkommen vorliegen. In der Pflicht ist die neue Bundesregierung in der Verabschiedung eines Klimagesetzes. Versäumnisse wie zu wenig strenge Emissionswerte bei PKW, versäumte Reform des Emissionshandels und ein wenig starkes Energieeffizienzgesetz müssen korrigiert werden. Die Einsparpotenziale wurden in den vergangenen Jahren nicht ausgeschöpft. Vor allem bei der Mobilität sieht Weiger Einsparbedarf. Die Treibhausgase müssen um ein Viertel reduziert werden. Der Ausstoß von Kohlendioxid müsse auf durchschnittlich 80 Gramm und später auf 60 Gramm pro Kilometer gesenkt werden. Innerhalb der nächsten Legislaturperiode müsse der Anteil erneuerbarer Energien auf 50 Prozent verdoppelt werden.
Die Universität Bern weist auf die Klarstellung des menschlichen Einflusses hin. Während die vorigen Sachstandsberichte mit Wahrscheinlichkeiten von 66 und 90 Prozenten gearbeitet hat, stehe der Einfluss des Menschen mittlerweile außer Frage. Der Ausstoß des Hauptverursachers Kohlendioxid hat seit Mitte der 1990er Jahre um die Hälfte zugenommen und beträgt derzeit 33 Milliarden Tonnen pro Jahr. „Um eine Stabilisierung der globalen Temperatur zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen weltweit um den Faktor zehn reduziert werden“, erläuterte Fortunat Joos vom Oeschger-Zentrum für Klima- und Klimafolgenforschung der Universität Bern.
Für Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel sind vor allem die bisherigen Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit bedroht. „Gerade die ärmeren Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern leiden unter den Auswirkungen des Klimawandels.“ Gemeinsam mit den Industrieländern müssen sie Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel entwickeln. Vor besonderen Herausforderungen stehen Nord- und Südafrika, die arabische Halbinsel und die Mitte Südamerikas mit einer Erhöhung der Temperatur um fünf bis sieben Grad. Der IPCC-Bericht zeige die Dringlichkeit einer Klimapolitik auf.
Für Germanwatch und Brot für die Welt begründe der IPCC-Bericht mit einer „noch nie dagewesenen Sicherheit“ die Erderwärmung durch den Menschen. „Es wäre massives Politikversagen, wenn die künftige Bundesregierung nach diesem Befund der Wissenschaft nicht handelt“, kommentiert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Sabine Minninger von Brot für die Welt sieht ebenfalls die Bundesregierung in der Verantwortung: „Wenn der Meeresspiegel um einen Meter steigt, wären allein in Bangladesch als einem der ärmsten Länder mehr als 30 Millionen Menschen von Überflutung betroffen. Rund um den Globus sind hunderte Millionen Menschen bedroht. Hinzu kommt eine immense und möglicherweise sehr viel akutere Gefährdung der Welternährung durch die Versauerung der Meere, denn Fisch ist eine der wichtigsten tierischen Proteinquellen in Entwicklungsländern.“
Dr. Hermann Ott, Klimapolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, fordert einen Ausstieg aus dem Kohlestrom. Erstmals seit zehn Jahren sind die Emissionen in Deutschland wieder um 1,6 Prozent angestiegen.
„Egal von welchen Parteien die neue Bundesregierung getragen wird: Das Ausscheiden der ewigen Blockiererin FDP muss auch vor dem Hintergrund des neuen und alarmierenden Berichtes des Weltklimarates IPCC genutzt werden, um den Klimaschutz wieder voranzubringen“, sagte Eva Bulling-Schröter von der Partei Die Linke.
Umweltminister Peter Altmaier und Forschungsministerin Johanna Wanka erklärten gemeinsam, dass der IPCC-Bericht ein Ansporn für einen ambitionierten Klimaschutz sei. Forschung ist der Schlüssel zum Klimaverständnis. Seit dem letzten IPCC-Bericht hat das Forschungsministerium 490 Millionen Euro in die Klimaforschung investiert. Der neue Bericht zeige, wo noch Forschungslücken bestehen, so Wanka. Diese werden jetzt geprüft und in Wissenschaftsprogramme umgesetzt. Altmaier sagte am Freitag: „Mit entschlossenem Handeln können wir eine Erwärmung von mehr als zwei Grad noch verhindern. Es gilt, bis 2015 ein neues ambitioniertes Abkommen auszuhandeln.“ Bausteine sind Stärkung des Emissionshandels und klare EU-Ziele für 2030.
Prof. Dr. Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, bestätigt zwar, dass die Klimaerwärmung in den letzten 15 Jahren langsamer geworden sei. „Daraus kann man aber nicht auf eine Abschwächung des globalen Klimawandels schließen.“ Das seien kurzfristige Veränderungen, die auf natürliche Schwankungen beruhen. Das Schmelzen der Gletscher, die Erwärmung der Ozeane und das Schmelzen des arktischen Meereseises belegen den langfristigen Erwärmungstrend.
Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, hingegen spricht von Aktionismus und Alarmismus und warnt vor Schnellschüsse in der Politik. Die Sachstandsberichte des IPCC sind Grundlage für fundamentale politische Entscheidungen wie Energiewende, Energieeffizienz, energetische Gebäudesanierung und Emissionshandel. Nach Steiger zeige der IPCC-Bericht, dass sich das Klima langsamer erwärmt, was eine Chance für eine Neujustierung der internationalen Klimapolitik sei. Der erste von insgesamt drei Berichten zeige vielmehr, dass das IPCC „Deutungshoheit“ über die Zahlen gewinnen wolle. Die Klimapolitik koste in Deutschland in den nächsten 50 Jahren 880 Milliarden Euro, die vor allem von der deutschen Wirtschaft getragen werden müssten. „Vielmehr brauchen wir eine rechtlich verbindliche Verabredung in der Welt, bei der wir die Lasten des Klimaschutzes gemeinsam zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern fair verteilen. Wenn nur eine Hand voll Staaten am Ende mitmacht, gibt es am Ende nur Verlierer.
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) liest sogar noch Hoffnung aus dem IPCC-Bericht heraus. Die Szenarien des IPCC seien „Beschreibungen möglicher Zukunftszustände. Welches Szenario eintritt, hängt von unserem Handeln ab.“ Die Diskussion um einen verzögerten Temperaturanstieg bezeichnete Wenzel als „irreführend“.
Geo-Engeneering
Der Bericht des IPCC enthält erstmals den begriff „geo engeneering“. Unter diesem Oberbegriff wird speziell das „Climate engeneering“ verstanden, teilt das Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) mit. Damit sollen Teile des Klimawandelprozesses umgekehrt werden können. Aufgenommen wurden die Überlegungen, weil seit dem letzten Bericht die Empfehlungen zu einem „geo engeneering“ zunehmen.
Im Groben gehören Techniken der Speicherung von Kohlendioxid und Verminderung der Sonneneinstrahlung dazu. Mit der Eisendüngung der Ozeane wird das Planktonwachstum gefördert, das Kohlendioxid aus der Atmosphäre nehmen kann [1]. Abgestorbenes Plankton nimmt das Treibhausgas mit auf den Meeresgrund. Die Nebenwirkungen dieser Methode gelten aber als sehr unsicher.
Zur Verringerung der Sonneneinstrahlung sollen Sulfatpartikel in 20 Kilometer Höhe in die Atmosphäre gebracht werden. Sie reflektieren das Sonnenlicht wie bei einem Vulkanausbruch. Aber auch hier sind die Nebenwirkungen nicht klar.
Der Einsatz gilt auch bei Fortschreitender Technologie als fragwürdig und erhält von den Mit-Autoren des IASS eine Abfuhr. „Korrekturen“ würden nur Regionen und nicht den ganzen Erdball betreffen. Selbst wenn es gelänge, ein vor-industrielles Klima wieder herzustellen, gäbe es wärmere und kühlere Regionen. Niederschlagsmuster sind auf diesem Wege nicht zu beeinflussen. Das IASS weist auf die möglichen internationalen Spannungen hin. Einige Länder könnten climate engeneering durchführen, andere nicht. Zudem würde die technische Machbarkeit keinen Anreiz für die Reduzierung von Treibhausgasen geben.
Lesestoff:
[1] Mit Eisensulfat Meeresplankton düngen
roRo; VLE