ISCC zertifiziert jetzt auch Bioplastik
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Nachhaltiger Mais für die stoffliche Nutzung
Das amerikanische Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) aus Minnesota und das International Sustainability & Carbon Certification (ISCC) – System aus Köln haben sich jetzt zusammengeschlossen, um die derzeit noch zu wenig beachtete Nutzung der Biomasse für die stoffliche Verwendung nachhaltig zu zertifizieren. IATP hat mit dem Working Landscape Certificate (WLC) und ICSS mit dem ICSSPlus ein auf beiden Seiten des Atlantiks anerkanntes System für zertifizierte Bioplastik auf den Markt gebracht, was am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Da die ICSS auch von der EU als ein für den Binnenmarkt gültiges System anerkannt1) ist, befinden sich die beiden Märkte der USA und der EU auf einem weiteren Schritt der gegenseitigen Markterleichterung2).
Polymere aus dem Sonnenlicht
Wer heute an Biomasse und seine Nutzung denkt, der meint im überwiegenden die energetische Nutzung für Strom, Wärme und Biosprit. Die können nach Martina Fleckenstein, Leiterin EU-Politik, Landwirtschaft und Biomasse beim WWF, jedoch auch aus Sonne, Wind und Wasserkraft gewonnen werden. Ziel der Wende zu einer bio-basierten Wirtschaft ist jedoch auch der Ersatz der stofflichen Nutzung des fossilen Erdöls. Von der Plastiktüte über Nylon bis zum Handy-Deckel werden die Materialien aus „Bio-Kunststoff“ hergestellt werden müssen. Nur die Pflanze kann aus Licht, Wasser und Kohlenstoff die benötigten Kohlenstoffketten herstellen.
Wie
zum Beispiel die Stärke im Mais. Aus ihr wird nach der Ernte Dextrose gewonnen,
die mit Hilfe von Milchsäure in monomere Ringe verwandelt wird. Diese bilden
lange Ketten, die dann Ingeo, dem Bio-Polymer-Werkstoff (Polymilchsäuren –
PLA), als Basis für Becher, Deckel, Karten und vieles mehr dient.
Das
macht Natureworks LLC, die 1989 als Forschungsprojekt von Cargill begann und
einer der weltweit größten Hersteller von Biopolymeren ist. Erst kürzlich hat
die thailändische PTT Global Chemical 150 Millionen US-Dollar in Natureworks
investiert. Dort wird die zweite Bio-Polymer-Fabrik von Natureworks entstehen.
Die erste in Blair in Nebraska stößt rund 140.000 Tonnen Ingeo-Polymere im Jahr
aus.
Nachhaltig muss es sein
Damit
haben nicht nur die Betroffenen des baldigen Endes sprudelnder Erdölquellen
selbst das Heft der Alternativen in die Hand genommen. Sie gestalten die
Produktion des pflanzlichen Ausgangsmaterials auch gleich nachhaltig von Anfang
an. „Der Druck auf die Fläche wird größer“, so Fleckenstein. Die Felder müssen
Lebensmittel und Futtermittel, sollen Biosprit und Biopolymere bereit stellen.
Dabei wächst die Bevölkerung, steigender Wohlstand erhöht die Nachfrage, doch
die zur Verfügung stehende Fläche wird immer weniger. Die Produktion muss
ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien genügen, so die WWF-Expertin.
Die Reduktion von Treibhausgasen muss genauso gewährleistet sein, wie die
Bodenfruchtbarkeit.
Genau
das ist der Ansatzpunkt von ISCC und WLC. Die amerikanischen Bauern werden
nicht für ihren Mais bezahlt, sondern erhalten ein Zertifikat für die
Anbaufläche. Damit ist gewährleistet, dass nach regionalen Anbaupotenzialen
produziert wird und die Felder in Trockenregionen nicht künstlich bewässert
werden.
Die
WLC-Kriterien sehen den Verzicht auf gentechnisch veränderte Pflanzen vor. Der
Mais soll in eine Fruchtfolge eingegliedert sein, Chemikalien mit
krebserregenden Auswirkungen sind verboten, Zwischenfrüchte sollen die
Bodenerosion verhindern und vom geernteten Mais verbleiben 70 Prozent zur
Humusbildung auf der Fläche. Zudem müssen die teilnehmenden Betriebe einen
Entwicklungsplan erarbeiten, der die Biodiversität schützt, den Energieeinsatz
reduziert und CO2-Emissionen minimiert. Drei Jahre lang hat IATP das
Programm entwickelt und probiert es seit 2011 in der Praxis aus.Angela
und Kerry Knuth, Maisfarmer in Mead in Nebraska wurden mit einer
Video-Schaltung in das Gespräch aufgenommen (Angela Knuth mit Auditor Robert Demiannew). Sie produzieren Mais für die die
Biopolymer-Produktion und sind nach einem Jahr Erfahrung mit den Ergebnissen
zufrieden. Kerry Knuth muss nach eigenen Angaben durch den veränderten Anbau
nicht auf Erträge verzichten. Im Rahmen der Bearbeitung haben sie von der
konventionellen auf die konservierende Pflugtechnik des Strip Tillage umgeschwenkt.
Dabei wird der Boden erosionsmindernd nur zwischen den Reihen aufgelockert und
bleibt in der Reihe unbearbeitet. Insgesamt sparen sie rund 10 US-Dollar an
variablen Kosten je acre gegenüber ihren Nachbarn ein, die Mais konventionell
für die Futter- oder Ethanolproduktion anbauen. Nach Angela Knuth werden mehr
Farmer auf Mais nach WLC-Kriterien anbauen – wenn es sich finanziell lohnt3).
Nach
Jim Kleinschmit, Programm-Direktor für den ländlichen Raum im IATP, begünstigt
ein hoher und stabiler Preis die Entscheidung für den Anbau im Rahmen des
WLC-Zertifikats. Die Pioniere auf beiden Seiten sammeln bei jeder neuen Ernte
Erfahrungen für die nächste Saison.
Der lange Weg mit Clou
2011
waren lediglich 500 Hektar Mais für die nachhaltige Bioplastik-Produktion
bepflanzt worden. Rund 30 Prozent des amerikanischen Mais werden für die
Ethanol-Produktion angebaut, für den biogenen Kunststoff sind es weniger als
0,11 Prozent, erläuterte Mark Vergauwen, Direktor von Natureworks. Doch er
scheint überzeugt, dass es mehr wird. Mais sei nur die Pflanze der ersten
Generation für die natürlichen Polymere. Nutzbar sind auch Zuckerrübe und
Zuckerrohr. Auch die Stärke der Cassava läßt sich künftig für die Produktion
von Ingeo anbauen. Später kann auch die Zellulose von Cassava und Stroh sowie
Abfälle aus der Industrie genutzt werden.
Um
den wachsenden Bedarf anzukurbeln und keine getrennten, kostenintensiven
Produktionswege aufzubauen, hat sich das IATP etwas Besonderes einfallen
lassen: Die Knuths vermarkten ihren WLC-Mais im gleichen Warenstrom wie die
konventionellen Nachbarn. Daher werden beide Maisernten vermischt und
verarbeitet. Doch wie beim Ökostrom in Deutschland kauft der Kunde den
Ökobecher, der woanders produziert wird. Dennoch finanziert der Kunde dadurch die
WLC-Flächen, wofür in Deutschland ISCC garantiert. Fragen die Kunden nach mehr
Öko-Kunststoff, fragen sie innerhalb des Massebilanzsystems auch neue
WLC-Flächen nach.
Das
System eignet sich nach Ansicht von Jim Kleinschmit besonders für die
Pionierbranchen mit wenig Fläche und kleinen Warenströmen. Letztlich soll sich
das System dann zur direkten Nachfrage bei einer ausreichend großen
Produktionsmenge weiter entwickeln.
Die Nachfrage entscheidet
Letztlich
wird also markgerecht die Nachfrage entscheiden, wie sich das Programm
durchsetzt. Gerade bei der stofflichen Nutzung stehen die Anbieter erst noch
ganz am Anfang, denn ins Bewusstsein der Verbraucher ist die stoffliche
Abhängigkeit von den Pflanzen noch nicht gerückt4).
So
wird sich dann bei den internationalen Absatzwegen der Bio-Polymere auch
künftig entscheiden müssen, ob die grüne Gentechnik denn bei
Nicht-Nahrungspflanzen eher eine Chance hat. Nach Analyse des U.S. Grains
Council fällt diese Entscheidung durch Chinas Positionierung5). Auch
für Martina Fleckenstein vom WWF ist das eine Entscheidung der Nachfrage. Die
Bauern könnten den Anbau schnell umstellen, wenn die Nachfrage nach GVO-freien
Rohstoffen wächst.
Der Kunde entscheidet.
Lesestoff:
www.iscc-system.org
ICSS gegründet
Im Januar hat das IATP eine Konferenz über die “grüne Chemie” abgehalten: Wissenschaftsdirektor Steve Keller sagte: „Minnesota kann die Führung für eine starke Politik der „grünen Chemie“ werden und damit einen dreifachen Vorteil erzielen: eine gesündere Umwelt, neue Arbeitsplätze im Bundesstaat und mehr innovative Produkte.“ www.greenchemistrymn.org
1) EU erkennt sieben Zertifizierungssystemen für Biokraftstoffe
EU-weit an
2) Anfang des Jahres haben die EU und die USA ihre gegenseitige Bio-Zertifikate anerkannt und wenig später hat die EU den lange währenden Streit um amerikanisches Hormonfleisch beigelegt. Langfristig bereiten beide Seiten ein Freihandelsabkommen vor.
3) Die Produktion für Biopolymere muss sich derzeit in den USA gegen
äußerst günstige Marktbedingungen für den konventionellen Mais durchsetzen. Die
USA vermelden eine Rekordanbaufläche, die vor allem durch die Auslandsnachfrage
begünstigt wird
4) Die energetische schlägt die stoffliche Nutzung der
Biomasse
5) Food 2040 in Asia
Aktionsplan
stoffliche Nutzung der Bundesregierung
Roland
Krieg; Grafik und Foto: Natureworks