ISDS/TTIP als Prozess verstehen
Handel
Bundestag engagiert, aber ohne Tumulte
Das Thema Schiedsgericht im Rahmen des TTIP-Abkommens mit den USA war am Freitag Gegenstand eines Antrages der Linksfraktion im Bundestag. Im Gegensatz zum EU-Parlament wurde zwar auch engagiert, aber ohne Tumulte debattiert [1].
Die Positionen liegen zu weit auseiander, als das sich eine Kompromisslinie abzeichnet. Klaus Ernst (Die Linke) wirft den Sozialdemokraten eine uneinheitliche Line vor, Alternativen für ein ungeliebtes Schiedsgericht auszuarbeiten, es aber am Ende doch hinnehmen zu wollen. Der Aufbau eines Schiedsgerichtes versteht Ernst als Skepsis gegen die deutsche Gerichtsbarkeit, sie würde ausländische Unternehmen schlechter als heimische stellen.
Für Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen) sind solche Schiedsgerichte keine „Nachbarschaftsgerichte“. Ein Freihandel müsse immer auch ein fairer Handel sein.
Ein Schiedsgericht ist für Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU) keine Paralleljustiz, weil es um den rechtlichen Rahmen zweier Staaten gehe. Ein Schiedsgericht helfe vor allem den europäischen und kleineren Firmen, in den USA geschäftlich Fuß zu fassen. Dirk Wiese (SPD) will keine Verzögerungen, weil sich Europa von anderen Regionen mit Freihandelsabkommen abhänge. „Wir wollen nicht nur zuschauen.“
Wann das TTIP, mit oder ohne ISDS abgeschlossen werden kann, steht in den Sternen. Selbst die Abschlusserklärung des G7-Gipfels nannte das Jahresende 2015 nur als Zeitraum für eine erste Vorlage. In den USA beginnt im nächsten Jahr der Präsidentschaftswahlkampf, der die Arbeit an dem Abkommen verlangsamen werde. Und ob die Amerikaner nach Betrachtung der entsprechenden EU-Sitzung noch eifrig bei der Sache sind, bleibt offen.
Diese Pause sollte genutzt werden. Dr. Nina Scheer (SPD) betrachtet TTIP und ISDS als Prozess. Die Europäer haben bislang noch keine definierten roten Linien überschritten. Die heftigen Diskussionen sind eher ein Beispiel für die Nähe solcher Linien. Daher bezeichnete Scheer die Verschiebung der TTIP-Abstimmung im EU-Parlament auch nicht als Schlappe, sondern als Sieg des Parlamentarismus. Vor allem, weil alles ordnungsgemäß abgelaufen ist. Für Scheer ist das ein „historisches Ereignis“, das auf ein bisheriges Defizit in der Demokratie hinweise. Die Kommission könne nicht im stillen Kämmerlein über die Abkommen entscheiden – im Gegenteil hätte das Parlament von vorn herein enger eingebunden werden müssen. Zu weitgehende Mandate für die Kommission sind nachher schwierig zu korrigieren.
So versöhnlich endete auch die Debatte. Der Antrag der Linksfraktion wurde nicht abgelehnt – er wurde auf Betreiben der Regierungskoalition zur weiteren Bearbeitung und Lösungsfindung federführend in den Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Lesestoff:
[1] Morgendlicher Aufruhr im EU-Parlament
Roland Krieg