„Jedes Kilo zählt“
Handel
Großversorger Vivantes verringert Lebensmittelabfälle
Rund ein Jahr nach dem Start
der Initiative gegen Lebensmittelverschwendung zieht
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner eine positive Bilanz: „Wir sind bei
vielen Menschen auf großen Zuspruch gestoßen, viele haben ihr eigenes Verhalten
kritisch hinterfragt.“ [1]
Abteilung Großverbraucher
Vergangene Woche standen nicht Verbraucher, Handel oder Industrie auf Aigners Agenda, sondern die Großverbraucher. Mit rund 1,9 Millionen Tonnen Lebensmittelabfall fallen bei ihnen rund 17 Prozent der Gesamtmenge an. „Jedes Kilo zählt“, sagte Aigner und besuchte einen der Großverbraucher: Die Speiseversorgung und -logistik GmbH der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH in Berlin-Neukölln. Die Vivantes-Krankenhäuser werden von zwei Verteilzentren mit Speisen versorgt. Hinzu kommen Kantine und 15 Einrichtungen für Senioren.
Knapp eine Tonne Kartoffeln am Tag
Alleine für die Patienten
werden täglich 5.000 Menschen mit Essen versorgt: 10.000 Brötchen, 900 kg
Kartoffeln, 500 kg Wurstwaren, 350 kg Käse, 550 bis 600 kg Fleisch und 5.500
Becher Joghurt. Geschäftsführerin Susanne Buchheim rechnet das gesamte
Speisenaufkommen hoch: Insgesamt fallen 2,3 Millionen Beköstigungstage im Jahr
an. Jeder Beköstigungstag besteht aus einem Frühstück, einem Mittag- und einem
Abendessen. Macht pro Jahr: 6,9 Millionen Mahlzeiten. Das sind rund 14 Millionen
Tonnen Lebensmittel im Wert von 29,5 Millionen Euro.
Das nicht alles aufgegessen
wird, scheint unausweichlich. Etwa 800 Tonnen Lebensmittel wurden im Jahr
weggeworfen. Der Beitritt zur Initiative gegen Lebensmittelverschwendung im
August 2012 war der formale Akt eines Plans, Lebensmittel effizienter
einzusetzen, um neben eingesetzten Rohstoffen auch Kosten zu sparen. Mit Erfolg:
90 Tonnen Lebensmittelabfall im Jahr wurden eingespart.
Das Einsparungspaket
Ein Ergebnis, hinter dem
ausgefeilte Planung steckt. Die Speisenzubereitung findet nicht mehr im Versorgungs-
und Logistikzentrum statt. Fleisch mit Rotkohl und Kartoffeln werden vakuumiert
und ohne Konservierungsstoffe angeliefert. Die Räume im Verteilzentrum sind von
der Portionierung bis zur Tablettrückgabe durchgängig gekühlt. An der Rampe
docken moderne Kühl-Lkw an, deren Aggregate besonders leise laufen. Während des
„Aufenthalts“ im Verteilzentrum verlässt die Ware niemals mehr die Kühlkette. Zuvor
musste Ware verworfen werden, wenn die Kühlkette unterbrochen war – auch wenn
die Verpackung noch ungeöffnet war.
Die durchgängig gekühlten
Räume sind ein Aufwand, der sich lohnt, sagte Susanne Buchheim gegenüber
Herd-und-Hof.de. Nicht nur Kesseln und Konvektoren konnten eingespart werden,
auch deren Wartungsaufwand fällt weg.Effizienz wurde aber auch
auf das Speisetablett gebracht. Die Patienten können ihren Menüwunsch bis 12:00
Uhr auf Tablettkarten eintragen, nach denen Einkauf und Zubereitung individuell
zugeschnitten wird. Jede gewünschte Portionsreduzierung ist ein vermiedener
Abfall. Im Rahmen des Bestellsystems wird zudem schneller auf Krankenhausabläufe
reagiert. Patienten, die nüchtern bleiben müssen oder eine Operation benötigen,
lösen erst keine Bestellung aus. Außerdem wurden so genannte „Dummy-Menüs“ für
mögliche Einlieferungen bereit gehalten. Niemand soll Hunger leiden, wenn er
gerade ins Krankenhaus eingeliefert wird. Diese Dummys wurden abgeschafft.
Durch die Effizienz in diesem Warenwirtschaftssystem wurde die Zahl der Menüs
von 1,4 auf 0,97 Menüs pro Patient reduziert, ohne an Qualität und Umfang der
Versorgung zu sparen.
Die Lieferanten wurden einbezogen
und liefern mittlerweile ihre Speisen im gleichen System. Außerdem wurden die
Mitarbeiter informiert und beispielsweise über das Mindesthaltbarkeitsdatum geschult.
Die Kantine lässt Menüs gegen Ende der Mensazeit auslaufen, wenn absehbar ist,
dass für nur noch wenige Besucher eine Großpackung angebrochen werden müsste..
Und was in der Cafeteria noch raus muss, wird mit einer „Happy Hour“ besonders
beworben, erklärte Susanne Buchheim weiter.
Das Gesamtpaket hat den
Abfall um 90 Tonnen im Jahr reduziert. Das entspricht einem Warenwert von
315.000 Euro.
Lesestoff:
[1] Breites Bündnis gegenLebensmittelverschwendung
Roland Krieg; Fotos: roRo