Johnson oder Hunt

Handel

Westminster weiter ohne klare Linie

Schon vor dem Auswahlverfahren für die Spitze der Tory-Partei standen die Zeichen gut für Boris Johnson. Am frühen Donnerstagabend hat er mit 160 Stimmen und einem Anteil von 52 Prozent die beiden noch verbliebenen Jeremy Hunt (77 Stimmen) und Michael Gove (75) deutlich abgehängt.  Wer an der Parteispitze steht, wird auch Premier im Westminster-Parlament. Nach den Parlamentsmitgliedern wählen jetzt die rund 160.000 bis Ende Juli per Briefwahl über Johnson oder Hunt ab. Johnson muss sich mittlerweile vorwerfen lassen, mit falschen Zahlen für den Brexit argumentiert zu haben. Eine Anklage allerdings scheiterte.

Der Hardliner hat sich in den letzten Tagen weich gezeigt. Weder Nachverhandlungen noch der „harte Brexit“ sind vom Tisch. An den Rahmenbedingungen zum Austritt des Königreichs hat sich nichts geändert. Nicht ganz. Der irische Premier Leo Varadkar hat am Donnerstag auf dem Europäischen Rat auf das Ende des europäischen Geduldsfadens verwiesen. Es gebe nur noch wenige  Länder, die mit den Briten verhandeln wollten. Die Republik Irland gehöre dazu; Varadkar ist aber enttäuscht, dass Boris Johnson in den letzten Wochen nichts über die Grenze zwischen Irland und Nordirland hat verlauten lassen.

Möglich wären bis zum Brexit Ende Oktober Neuwahlen oder ein zweites Referendum auf der Insel. Angesichts der knappen Entscheidung werden beide Optionen nichts fundamental Neues hervorbringen.

Die Zeit läuft ab und wird Großbritannien mehr Aufgaben aufladen, als geplant. Die nächsten Monate steht der Brexit weiterhin auf der Tagesordnung und verdrängt alles andere. So hat das Ministerium für Wohnen und Kommunen in diesem Jahr die Lähmung der Energieeffizienzwirtschaft beklagt. Großbritannien habe in den letzten Jahren zwar Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz gemacht, doch Bauinvestitionen liegen derzeit auf Eis. Die schlechte Auftragslage betrifft nicht nur den Privatbereich, sondern auch den für Büroneu- und Geschäftsbauten. In diesem Jahr ist ein Rückgang von elf und sieben Prozent zu verzeichnen. Das hängt auch mit der Insolvenz des zweitgrößten Bauunternehmens Carillion im letzten Jahr zusammen. Nach Germany Trade & Invest (gtai) sind 440 öffentliche Bauaufträge betroffen. Neben Hochtief aus Deutschland sind einige ausländische Bauunternehmen auf der Insel aktiv.

Die Altersstruktur der britischen Wohngebäude ist ungünstig. 37 Prozent der Wohnungen stammen aus den Jahren vor 1944.

Roland Krieg

Zurück