Kabinett billigt Fracking-Entwurf
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Fracking-Entwurf vor parlamentarischem Hürdenlauf
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf für ein Fracking-Gesetz gebilligt, obwohl sich mehrere Abgeordnete aus Union und Sozialdemokratie dagegen aussprachen.
Regelungspaket
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Ich bin froh, dass wir nach langer Diskussion endlich Regelungen beschlossen haben für die bislang ungeregelte Fracking-Technologie. Mit diesem Gesetzespaket können wir Fracking so weit einschränken, dass es für Mensch oder Umwelt keine Gefahr mehr ist. Soweit Risiken nicht zu verantworten sind oder derzeit nicht abschließend bewertet werden können, wird Fracking verboten.“
Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel: „Der heutige Kabinettsbeschluss schafft Rechtssicherheit für die Menschen ebenso wie für die betroffene Industrie und die damit verbundenen Arbeitsplätze. Im Vordergrund steht klar der Schutz von Umwelt und Gesundheit. Die Fracking-Technologie darf nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt werden und auch nur wenn die Risiken beherrschbar und verantwortbar sind und der Einsatz in einem transparenten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt wurde.“
Verabschiedet wurde ein dreiteiliges Regelungspaket: ein Gesetz zur Regelung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften, ein Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung und eine Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen.
Strittig war beispielsweise das unkonventionelle Fracking oberhalb von 3.000 Meter. Um Kenntnislücken für diesen Bereich zu schließen sollen Erprobungsmaßnahmen zugelassen werden. Dabei dürfen nur Chemikalien eingesetzt werden, die nicht wassergefährdend sind.
Verboten ist das unkonventionelle Fracking in Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten, in Einzugsgebieten von Talsperren und natürlichen Seen sowie von Wasserentnahmestellen für die öffentliche Wassergewinnung. Diese Regelungen können von den Bundesländern erweitert werden. Beispielsweise auf Regionen mit Mineralwasservorkommen, Stellen zur Entnahme von Wasser zur Herstellung von Getränken sowie Steinkohlegebiete.
Das Bundenaturschutzgesetz wird derart geändert, dass Fracking und die Ablagerung von Lagerstättenwasser in Naturschutzgebeiten und Nationalparks verboten wird. Die Gasgewinnung durch Fracking wird ebenso in Natura 2000-Gebieten untersagt. Der verwendete Chemikalienmix muss zudem öffentlich dokumentiert werden.
Die Bergschadenshaftung wird auf Bohrlochbergbau und Kavernen ausgedehnt. Zudem müssen die Betreiber eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen.
Bis zum 10. Juli soll das Gesetz durch den Bundesrat gebracht werden.
Georg Nüßlein und Michael Fuchs, stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion sehen in dem Gesetzentwurf klare Regelungen. Solange mögliche Risiken nicht ausgeschlossen seien, werde es kein unkonventionelles Fracking geben, kommentierte Nüßlein. Da auf fossile Energiequellen derzeit nicht verzichtet werden könne, müsse die gesellschaftliche Akzeptanz für neue Fördertechniken hergestellt werden. Nach Fuchs sei der Regierungsentwurf ein erster Schritt dazu.
Zu viel Regelung
Nicht ganz zufrieden ist der Wirtschaftsrat der CDU. Strenge Auflagen und Einschränkungen belasteten die Erdgasförderung und großflächige pauschale Verbotsgebiete würden einen Großteil der vorhandenen Reserven ihrer Nutzung entziehen. Die Bundesrepublik könnte weltweit zeigen, wie Deutschland im Rahmen eines strengen Umweltrechtes neue Technologien beherrscht werden können.
„Es ist ein positives Signal, dass die Schiefergas-Gewinnung in Deutschland nicht mehr völlig ausgeschlossen wird. Doch die Auflagen für die Erdgasförderung insgesamt sind vollkommen überzogen. Die in Deutschland seit Jahrzehnten bewährte konventionelle Erdgasförderung wird dadurch stark eingeschränkt“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Fracking mache aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie von Importen unabhängig.
Zu wenig Regelung
Umweltminister Robert Habeck aus Schleswig-Holstein fordert deutliche Nachbesserungen. Fracking von Erdöl bleibt nach dem Gesetzentwurf erlaubt und was unter 3.000 Meter Tiefe geschieht, scheine der Bundesregierung egal zu sein. Die Bundestagsabgeordneten des nördlichsten Bundeslandes sollten sich im Bundestag für ein generelles Verbot einsetzen.
Für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) muss sich Fracking am Grundwasserschutz messen lassen. Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck ist daher zufrieden mit der Ausweitung der Verbotszonen und Nachbesserungen beim Grundwasserschutz. Das ausstehende parlamentarische Verfahren müsse jedoch weitere Klarheiten hervorbringen: Bei der Zusammensetzung der Expertenkommission und der Lagerstättenwasserverbringung.
Das Umweltinstitut München sieht keine parlamentarische Mehrheit für diesen Entwurf, weil die Einschränkungen, Abgeordneten quer durch alle Parteien zu gering sind. So forderte die SPD-Landesgruppe in der letzten Woche ein Fracking-Moratorium bis 2021.
Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz, hat bereits angekündigt, weitere Landesverbote zu erarbeiten. „Die Bundesregierung weicht zugunsten von Fracking den bewährten Grundsatz des vorsorgenden Gewässerschutzes auf“, sagte Höfken noch am Mittwoch. Sie will das Landeswassergesetz neu fassen und Fracking generell in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten und Mineralwassergewinnungsgebieten untersagen. „Der Vorsorgegrundsatz muss flächendeckend gelten: Wer fracken will, der muss nachweisen, dass keine Gefährdung des Grundwassers besteht.“
Lieber verzichten
„Um die Klimaziele zu erreichen, muss ein Großteil der fossilen Ressourcen in der Erde bleiben“, sagte Liselotte Unseld, Generalsekretärin des Deutschen Naturschutzringes. Fracking als „Brückentechnologie“ in der Energiewende sei vollkommen ungeeignet. Fracking ist wegen des eingesetzten Chemikalienmixes „eine große Gefahr für Trink- und Bodenwasser.“
Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Bündnis 90/Die Grünen) kündigt im Bundesrat eine entschlossene Position gegen das Fracking an. Der Gesetzesentwurf enthalte zu viele Schlupflöcher für umfangreiche Ausnahmeregelungen. Zudem sei die Endlagerung der Abwässer nicht geklärt: „Thüringen wird sich im Bundesrat für ein Verbot einsetzen und wenn nötig eigene Initiativen einbringen, um das Gesetz zu verhindern.“
„Mit dem Entschluss, Fracking künftig zu ermöglichen, widerspricht die Bundesregierung ihrem Vorhaben, die Energiewende voranzutreiben und konsequent die Einsparung des Energiebedarfs zu forcieren. Wir brauchen keine Risikotechnologie zur Förderung fossiler Energieträger, sondern wirksame Instrumente zur Reduzierung des Energieverbrauchs. Die Entscheidung ist weder unter umweltpolitischen Gesichtspunkten nachvollziehbar noch energiepolitisch das richtige Signal“, bekräftigt Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
Schleswig-Holstein hat derzeit ein Verbot des Frackings durchgesetzt. Das gilt aber nur für zwei Jahre im Rahmen einer Veränderungssperre im Landesentwicklungsplan. Ein dauerhaftes und flächendeckendes Verbot muss auf Bundesebene umgesetzt werden.
„Paradox ist, dass die Bundesregierung Fracking generell erlaubt, obwohl sie selbst festgestellt hat und öffentlich kommuniziert, dass die umstrittene Fördertechnik weder einen Beitrag zum Klimaschutz noch zu unserer Versorgungssicherheit leisten kann“, erklärte Franziska Buch, Energiereferentin am Umweltinstitut München. „Das bedeutet, dass der Gesellschaft die volkswirtschaftlichen Kosten für die entstehenden ökologischen Schäden aufgebürdet werden, ohne dass dem ein gesellschaftlicher Nutzen gegenübersteht.“
Ein Rechtsgutachten für den Naturschutzbund NABU kritisiert vor allem die „demokratisch nicht legitimierte Expertenkommission.“ Ab 2018 soll sie halbjährliche Erfahrungsberichte über die Erprobungsbohrungen erstellen. Das Gesetz sieht folgende Zusammensetzung vor: Jeweils ein Vertreter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, des Umweltbundesamtes, ein vom Bundesrat benannter Vertreter eines Landesamtes für Geologie, das nicht für die Zulassung von Probebohrungen zuständig ist, des Helmholtz-Zentrums Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum, aus dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig sowie ein vom Bundesrat benannter Vertreter einer für Wasserwirtschaft zuständigen Behörde, die nicht für die Zulassung einer Erprobungsbohrung zuständig ist.
Lesestoff:
Der Gesetzentwurf ist unter www.bmub.bund.de eingestellt.
roRo