Kakaomarkt: Zwischen Accra und Port of Spain
Handel
Kakao hat noch viele Produktionsreserven
>Im Oktober 2007 trafen sich in Accra, Ghana, mehr als 200 Teilnehmer aus über 25 Ländern zu einem Gespräch der International Cocoa Organization (ICCO). Mit der so genannten Accra Agenda hat ein breites Bündnis vom Kakaoanbauern, Händler, Verarbeiter Regierungs- und Nichtregierungsvertretern den Weg in Richtung nachhaltiger Kakaoproduktion beschritten. Im Pressegespräch verdeutlichte gestern Dr. Jan Vingerhoet, Exekutivdirektor der ICCO, gegenüber Herd-und-Hof.de, dass es dabei nicht um den Nischenmarkt des Ökoanbaus geht, sondern um das breite Bündnis aller Kakaoproduzenten.Bis zum Freitag diskutieren und arbeiten die Delegierten der ICCO in Berlin an einer weiteren Ausformung der Accra Agenda, um bis zum März 2009 in Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad & Tobago, ein endgültiges Dokument vorliegen zu haben, das den Bauern ein vernünftiges Einkommen und den Verbrauchern die Sicherheit generiert, Schokolade mit gutem Gewissen zu verzehren. Berlin soll bei der Ausarbeitung der Agenda ein Meilenstein der ehrgeizigen Ziele sein.
Viele Aufgaben
Die Accra Agenda zeichnet sich durch eine Vielfalt von Aufgaben aus. Der institutionelle Rahmen soll den Bauern mehr Preissicherheit und nationale Entwicklungspläne geben. Der nachhaltige Anbau schont Biodiversität und Ökosysteme und Vermarktungsaktivitäten fördern den qualitativen Kakao. Das volle Programm.
In dieser Woche steht, so Dr. Vingerhoet weiter, die Ausarbeitung eines speziellen Marketingprogramm für Schokolade in Russland auf dem Plan. Die russische Regierung wird das unterstützen.
Rund ein Drittel der derzeitigen Bruttoernte geht weltweit durch Krankheiten und Nachernteverlusten wieder verloren. Ebenso ist eine Steigerung der Produktivität eine Herausforderung, die in Berlin besprochen wird.
In Westafrika sind viele Kleinbauern mit ungenügender Infrastruktur in der Produktion eingebunden. Die Verbesserung der Markteinbindung gilt als vierter Tagungspunkt.
Letztlich soll generell die Vermarktung in den Verbrauchsländern dahingehend geändert werden, dass die dunkle Schokolade mit höherem Kakaoanteil in den Mittelpunkt rückt.
Deutschlands Schokoladenseite
Auf der Eröffnungsveranstaltung wies Dr. Vingerhoet auf die Bedeutung Deutschlands hin. Mit über neun Kilogramm Schokolade pro Kopf und Jahr haben sich die Deutschen nicht nur den zweiten Platz in der Weltstatistik geholt, sie exportieren mit 400.000 Tonnen Schokolade sogar mehr als alle anderen Länder. Spätestens im nächsten Jahr werde Deutschland die USA bei der Vermahlung der Kakaobohnen vom zweiten Platz hinter den Niederlanden verdrängen, prophezeite Vingerhoet.
Die ICCO hat bereits 2006 in einer Studie für ökologischen Kakao den Trend ausgemacht, dass Verbraucher nach bestimmten Standards fragen. Insgesamt nimmt zertifizierter Bio-Kakao jedoch nur einen kleinen Teil der Gesamtproduktion ein. Die ICCO fürchtet, dass durch unterschiedliche Standards der Handelsfluss zwischen Erzeuger- und Konsumländern behindert werde. Für die Kleinbauern müssten, so eine Forderung in der Studie für die Vermarktung von Bio-Kakao, Standards vereinfacht werden, damit sie überhaupt umgesetzt werden könnten. Europa ist nicht nur der Hauptabsatzmarkt von ökologisch produziertem Kakao, sondern auch Hauptlieferant für die USA, denn dort gibt es nur wenige Firmen, die Bio-Kakao importieren. Der meiste Kakao kommt aus Afrika. Der meiste ökologisch zertifizierte Kakao kommt jedoch aus Südamerika.
Damit aber Mindeststandards allen Kakaobauern zugute kommen, fokussiert sich die ICCO auf eigene Standards im Rahmen der Accra Agenda . Und da ist noch viel zu tun, wie Dr. Dietmar Kendziur, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Süßwaren, die noch ausstehenden Probleme beschreibt: Kinder- und Zwangsarbeit, Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und anderen Kontaminanten. Diesen Problemen muss sich die ICCO stellen, „um ernst genommen zu werden.“ Daher sei die Accra Agenda der richtige Weg. Das britische Fachmagazin Coffee & Cocoa International (CCI) bringt es auf den Punkt: „Rückverfolgbarkeit ist der Name des Spiels, in dem es um Rohstoffe geht – und die ICCO will den Kakao nicht hinten an stellen.“
Kakaoproduktion (in 1.000 Tonnen) | |||||
|
2002/03 |
2003/04 |
2004/05 |
2005/06 |
2006/07 |
Afrika |
2.231 |
2.550 |
2.375 |
2.642 |
2.392 |
Amerika |
428 |
462 |
445 |
446 |
411 |
Asien |
510 |
525 |
559 |
636 |
597 |
Gesamt |
3.196 |
3.537 |
3.379 |
3.724 |
3.400 |
Kakaokonsum (Gemahlener Kakao in 1.000 Tonnen) | |||||
Europa |
1.320 |
1.348 |
1.379 |
1.456 |
1.540 |
Afrika |
447 |
464 |
501 |
485 |
514 |
Amerika |
814 |
852 |
853 |
881 |
853 |
Asien |
499 |
575 |
622 |
698 |
699 |
Gesamt |
3.079 |
3.238 |
3.354 |
3.520 |
3.608 |
Unterschiedliche Produktionsbedingungen
Westafrika ist eher kleinbäuerlich ausgestaltet, während in Asien und Lateinamerika die Kakaobäume in großen Strukturen angepflanzt sind. Afrika erntet im Schnitt 600 kg Kakaobohnen je Hektar, die asiatischen Berufskollegen erzielen Erträge von rund 2.500 kg/ha. Dr. Gerd Müller, Parlamentarischer Staatsekretär aus dem Landwirtschaftsministerium sieht daher noch ein großes unausgeschöpftes Produktionspotenzial. Allerdings brächten die Kakaobauern Planungssicherheit und damit Preisstabilität auf dem Markt. Im Rahmen des Internationalen Kakaoabkommens steht deshalb die Ökonomie im Vordergrund. Das Farmeinkommen und die Exporterlöse sollen sicher sein.
Um den 15. März diesen Jahres kostete eine Tonne Kakao fast 3.000 US-Dollar. Der höchste Preis, der in den letzten 20 Jahren erzielt wurde, vermeldete Hagen Streichert, der beim ICCO die Verbraucherinteressen vertritt. Keine 14 Tage später kostete die Tonne Kakao aber nur noch 2.500 US-Dollar. Vor zwei Jahren betrugen die Preisschwankungen nur rund 1,5 Prozent, haben sich nach Analyse der ICCO derzeit aber mit drei Prozent verdoppelt. Preisstabilität und Mechanismen, die dazu führen könnten sollen im Rahmen des neuen Internationalen Kakaoabkommens festgelegt werden. Auch dazu tagt das ICCO in Berlin.
Der Schlüssel zur Vermarktung
Kleinbauern sind schwer am Markt zu beteiligen und derzeit findet die Vermahlung der Kakaobohnen außerhalb der Erzeugerländer statt. Herd-und-Hof.de wollte von Dr. Vingerhoet wissen, wohin die Entwicklung geht.
Kooperationen seien der Schlüssel zum Erfolg, antwortete er. Gerade die Kleinbauern seien vom Marktgeschehen weitestgehend abgekoppelt, haben keine Informationen über die Preisentwicklungen. Kooperationen sind das Tor für die Ausbildung der Bauern, für die Verwendung kleiner Maschinen und Bildung einer Marktmacht für bessere Vermarktungspositionen.
Nur einige wenige Kooperativen treten aber auch als Exporteure auf. Meistens wechseln die Kakaobohnen über viele Zwischenhändler den Besitz. Noch weniger Kooperationen mahlen die Bohnen selbst. Damit hat der ICCO-Direktor die Reihenfolge festgelegt, Kleinbauern erfolgreich am Markt zu beteiligen: Zuerst die Bildung von Kooperationen.
Prognose Kakaomarkt |
Wird deutschen Verbrauchern die Schokolade zu teuer?
Für die Kleinbauern ist die Bildung eines Mindestpreises im Gespräch. Schokolade ist vom allgemeinen Trend steigender Lebensmittelpreise nicht ausgenommen. Ab wann wird die Leckerei so teuer, dass Konsumenten auf den Konsum verzichten?
Diese Gefahr sieht Dr. Vingerhoet hingegen nicht. Zum einen gebe es noch viel Spielraum auf den bestehenden Flächen die Produktion zu erhöhen und er fürchtet eher eine Über- als eine Unterproduktion. Zum zweiten liegt der Wertanteil des Rohstoffs Kakao an der Schokolade nur zwischen 10 und 12 Prozent. Würden die Kakaobohnen noch teurer werden, schlüge sich das nicht im Endpreis wieder, beruhigt Vingerhoet.
Der erste Teil beschreibt die Herkunft des Göttertrunkes.
Der dritte Teil beschreibt zwei Kakaoprojekte.
Roland Krieg