Kalter Hund Manufaktur
Handel
Vom „Kellerkuchen“ zur Premiumnascherei
Oma Engel aus Oschersleben schneiderte „für den Westen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg besserte sie aus, nähte um oder kreierte neue Kleidung. Auf dem Rückweg vom Kunden kaufte sie Palmin, reines Kokosfett mit geschmacksneutralen Eigenschaften. Zum Backen, zum Frittieren und – für den Kalten Hund.
Wandsbeker Speck, Kellerkuchen oder Schwarzer PeterFisch, Fleisch, Milch und Butter waren noch rationiert und für exotische Genüsse mussten die Hausfrauen tief in die Trickkiste greifen. Die Butterration von 26 Gramm pro Woche wurde erst 1948 aufgehoben und Übergewicht war bis in die 1950er Jahre hinein noch gar kein Thema. Nach Jahren der Entbehrung kompensierten Buttercreme und Schweinshaxe die Leiden knurrender Mägen aus der Zeit der Schwarzmärkte.
Das Butterkekse und Schokolade im kulinarischen Schichtwechsel regional so viele Namen bekommen haben, zeugt vielleicht davon, dass der Kalte Hund an mehreren Orten entstanden ist. Oder, sich wie ein Lauffeuer verbreitet hat. Ein Indiz dafür, der Sehnsucht nach süßem Naschwerk nachgeben zu wollen. Kokosfett, Zucker, Eier und Kakao sind schnell zu einer fetthaltigen Masse verrührt und können „kalt gebacken“ werden. Der Name Kellerkuchen stammt aus der Zeit, als die Haushalte noch nicht durchgehend mit Kühlgeräten ausgestattet waren und der Kuchen im Keller kalt gestellt werden musste.
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Wenn er denn lange lagern dufte. Noch heute schmecken die Kunden von Jens Rose und Viola Pantenburg-Rose im Kalten Hund die Kindheitserinnerungen, als das schwarze Prachtstück die Tafeln der Kindergeburtstage schmückte. Man kann sich vorstellen, dass Naschkatzen vor dem Familienfest bereits ihre Fingerabdrücke auf der Glasur hinterlassen haben.
Allerdings hat Jens Rose dem Kalten Hund in seiner Friedrichshainer Manufaktur eine lukullische Evolution verpasst. Manus factura: mit der Hand gemacht. Handwerk auch als handwerkliche Kunst, exotische Zutaten aus Übersee, zu einem entschleunigten Genuss zusammenzufügen.
Die Kunden wollen den Kalten Hund
Bevor Jens Rose im November 2006 die Manufaktur gründete, versorgte er mit einer Frühstückskantine die Geschäftsleute der näheren Umgebung. Gelegentlich lieferte er auch einen Kalten Hund aus, über den sich die Kunden besonders gerne hermachten. Der Geschmack zauberte ihnen ein Lächeln ins Gesicht. Das war der Funke, der für Jens Rose die Spezialisierung brachte.Das Urrezept wurde weiterentwickelt und besonderen Wert auf die Zutaten gelegt. Im Grunde sind es Kakaomasse, Kokosfett, brauner Rohrzucker, Mandeln, Eier, Milch und Kekse. Die Handwerkskunst besteht darin, die Konsistenz der Kakaomasse so zu steuern, dass sie fest wird und den Zeitpunkt für das Aufschichten so zu wählen, dass die Schokoladenmasse noch bearbeitet werden kann. In seiner Küche steht der Kuchenchef unter einem Himmel aus handwerklichen Küchengeräten. Die Mengen für die Zutaten hat er mittlerweile im Kopf. Das Kokosfett schmilzt im Topf auf dem Herd nur so dahin. Es ist die wichtigste Zutat, sagt er zu Herd-und-Hof.de. Es hält die Masse zusammen. Das später die Glasur glänzt, komme dann von allein.
Bio-Milch und Eier aus der Freilandhaltung runden die Erlesenheit aller Zutaten ab. Zur Evolution des Kalten Hundes passt die Rückmeldung der Kunden, das geröstete Mandeln das Gesamtrezept noch verfeinern. Kunden, die auf die Mandeln sehr allergisch reagiert haben, konnten den Hund zudem besser vertragen.
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So puzzelt sich das mittlerweile breite Sortiment an Kalten Hunden aus einer Vielzahl an Details zusammen. So gelangt auch die Vanille in den Hund. Da Vanillin eine technisch hergestellte Vanille ist, hat Rose das Künstliche durch das Original ersetzt: Er bereitet die Vanilleschoten in der Küche frisch auf. Für ihn ist sie die schönste und geheimnisvollste Zutat.
Handgemacht heißt manuell
Mittlerweile gibt es Kalte Hunde vom Fließband aus der Lebensmittelindustrie. Versetzt mit Aromen, Konservierungsstoffen und der Verwendung von zu viel Fett. Eigentlich bessere Schokoladenkekse. Bissfest für den Massenmarkt. Für die Erinnerung an die Kindertage gibt es jedoch Roses Kalten Hund, dessen Schokoladenmasse lediglich mit dem Mixer in Berührung kommt. Alles andere ist Handarbeit.Acht Lagen Kekse werden in der Backform nacheinander mit der Schokoladenmasse bestrichen. Die Backform ist auch der Ort, wo sich die Geschmacksrichtung entscheidet. Beim Hund mit Rum kommt das alkoholische Getränk hier auf die Kekse. Auch die Feigenlimonenfüllung wird in der Form zum Kern des exotischen Geschmacks.
Weil Backformen nach oben hin breiter werden, bauen die meisten Hundebäcker die oberen Keksschichten auch breiter aus. Nicht so in Friedrichshain. In der Manufaktur stapeln sich Schokoladenschicht und Kekse in einer Folie, die Viola Pantenburg-Rose nach endgültiger Schoko-Ummantelung an beiden Enden stramm nach oben zieht. Wie beim Schnürsenkel zieht sie dann die Folie von den Seitenflächen her in der Mitte zusammen und gibt dem Kalten Hund seine Form.
Damit diese auch während der vierstündigen Kühlung im Kühlschrank erhalten bleibt, steckt Jens Rose ein Frühstücksbrett seitlich in die Backform: So kann sich der Kalte Hund gegen die Schwerkraft wehren. Das Brett ist Roses wichtigstes Küchenwerkzeug, wie er sagt.
Für seine Frau hingegen ist der Schaber das bedeutendste Werkzeug. Aus einer Schüssel Schokoladenmasse werden fünf Kalte Hunde. Der Schaber sorgt dafür, dass auch die kleinste Schokospur noch in die Backform kommt. Zum Leidwesen des Zuschauers, der seine Chancen schwinden sieht, die Schüssel mit dem Finger auszuschlecken.
Gute Kuchen erkennt man
Hin und wieder testet Viola Pantenburg-Rose schon mal andere Kalte Hunde. Doch bei dieser Form der Marktbeobachtung stellt sie immer wieder fest, das auch die besseren Hunde nicht an die der Manufaktur heranreichen. Sie erzählt die Geschichte einer Stammkundin, die zu Hause einmal aus Zeitnot heraus einen Fertighund auf den Tisch stellte. Die Kinder hatten es sofort geschmeckt: „Das ist nicht Roses Hund!“Es heißt ja, dass Schokolade essen glücklich macht. „Das Arbeiten mit Schokolade auch?“, wollte Herd-und-Hof.de wissen. Jens Rose antwortet, ohne zu zögern: „Ja, generell das Arbeiten mit Lebensmitteln.“
Das Geheimnis des Kalten Hundes aus der Manufaktur ist nicht nur die sensorische Zeitreise beim Kunden. Das Image der Kuchen entsteht in der Küche. Durch das Handwerk. Essen mache nicht nur satt, beschreibt Viola Pantenburg-Rose die Philosophie des Geschäftsbetriebs. Lebensmittel sind Mittel zum Leben, die Menschen sehnen sich auch nach Lust und Liebe.
Erst die manuelle Herstellung sichert den Detailreichtum des Sortiments und spiegelt sich im Geschmack und Erfolg wider. Immerhin hat sich der Kalte Hund im Süßwarenbereich gegen die Schnelllebigkeit der Massenware behaupten können und präsentiert sich aus Friedrichshain als Premiumprodukt. Die Gesamtkomposition aus einfachen Zutaten, erfindungsreichen Variationen und Handarbeit sichert Roses Hund den Erfolg.
Qualität vor Wachstum
So, wie der Kalte Hund entsteht, repräsentiert er auch die Entschleunigung. Die Menschen leiden unter lieblosem Essen, das kaum etwas nahrhaftes in sich trägt, sagt Viola Pantenburg-Rose. Der Kuchen als Genuss- und Belohnungsobjekt lädt zur Rast. So sind Roses auch stolz darauf, dass sie die Manufaktur ohne Fremdfinanzierung aufbauen. Nur getragen vom Erfolg. Bislang hatte der Kalte Hund vor allem zu Ostern, Weihnachten und Sylvester Saison. Ende diesen Jahres werden die genauen Zahlen vorliegen, wie sich der Verkauf über die Sommermonate entwickelt hat.
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Man könnte die Schokoladenmasse auch warm halten und mehr Hunde anfertigen, führt Rose an. Sie wird aber anhand der Bestellungen jedes Mal frisch angerührt. Die Qualität seines Produkts begrenzt das Firmenwachstum. Die Bezeichnung Manufaktur stellt für Roses auch das Sinnbild des „gesunden Arbeitens“ dar. Es ist der Spaß an der Arbeit, die Lust an der Qualität und die Balance, mit dem Verkauf der Kalten Hunde die Kosten zu tragen. So sieht das Ehepaar auch ihre Kunden. Es sind Menschen, die Spaß am Leben haben und bereit sind, den höheren Preis für die Qualität zu bezahlen. Es ist nicht der Warenpreis, der bezahlt und entlohnt wird, sondern der Aufwand für Lebensqualität.
Versand, Markt und Gastronomie
Rund die Hälfte der Kunden stammt aus der Gastronomie. Bis nach Meißen gelangt der Kalte Hund. Kunden aus der Nähe holen sich die Kuchen direkt aus der Manufaktur, der Versand, der bis zu drei Wochen haltbaren „Back“waren, geht bis nach München. Mittwoch ist der letzte Versandtag, damit die Kalten Hunde nicht über das Wochenende im Postlager verweilen müssen. Da steht Mittwoch morgens oft noch spontanes kaltbacken auf dem Programm.
Manchem Kunden muss noch erklärt werden, dass die Hunde nicht für das „plötzliche“ Wochenende auf Vorrat liegen.
Wer samstags über den Boxhagener Markt in Friedrichshain flaniert, kann dort den Kalten Hund zu einem süditalienischen Espresso genießen. Sogar auf einem Bremer Spezialitätenmarkt sind die Hunde zu Hause.
Der klassische Kalte Hund ist schon lange nicht mehr allein. Mit Rum, mit Kaffee, mit Kaffee und Rum, Orange, Kirsch, Kokos und im weißen Mantel gibt es das Friedrichshainer Gebäck bereits. In einer Variante werden die Kekse durch glutenfreie Maiskekse ersetzt und der nächste Hit soll ein Erdbeerhund für den Sommernachmittag sein.
Im Internet können Sie einen Blick in die Manufaktur werfen: www.kalter-hund-manufaktur.de