Kirschen bittersüß

Handel

Regionale Kirschen haben es schwer

Nach Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen meldet auch Thüringen eine gute Kirschernte [1]. Mit 8,2 Tonnen je Hektar liegt der Ertrag auf Vorjahresniveau. Rund 2.200 Tonnen Kirschen aus Thüringen wollen verzehrt werden.

Doch die Freude wird erheblich getrübt. Der Vorsitzende der Fachgruppe Obstbau Bonn/Rhein-Sieg, Ferdinand Völzgen, beklagt: „Wie kann es sein, dass z.B. türkische Süßkirschen, die mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, die in Deutschland ein Anwendungsverbot haben, den Weg in die deutschen Supermarktregale finden?“. Das sei nicht nachvollziehbar, auch wenn die erlaubten Höchstgehalte unterschritten sind. Durch den Einsatz der Pflanzenschutzmittel sparen sich die türkischen Obstbauern das teure Einnetzen der Kirschanlage gegen Schädlinge und erzielen damit einen Kostenvorteil.

Die Netze mit einer Maschenweite von 0,8 x 0,8 mm halten die Kirschessigfliege fern. Gegen den Schädling wurde gerade eine Notfallzulassung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ausgesprochen [2]. Mit den Netzen haben die Landwirte gute Erfahrungen zur Abwehr und Ausgrenzung der Kirschessigfliege erzielt und kann ganz auf Pflanzenschutzmittel verzichten, erläuterte Dr. Silke Benz vom Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen auf einer Informationsveranstaltung rheinischer Obstbauern vergangenen Mittwoch. Die Netze werden nach der Blüte angebracht und nach der Ernte wieder eingerollt. Obstbauer Manfred Felten baut Süßkirschen auf 1,5 ha an und hat gegen Spätfrost und Hagel sogar eine Überdachung gebaut, die sich durch den Verkauf der Kirschen auch rentieren soll.

Ausländische Ware ist aber auch wegen der niedrigen Lohnkosten preiswerter als die Kirschen vor der Haustür. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland liegt derzeit bei 9,19 pro Stunde. In der Türkei werden kaum mehr als zwei Euro pro Stunde gezahlt. Wegen des Preisvorteils listet der Handel vorwiegend ausländische Ware ein. „Wir werden dafür abgestraft, dass wir – wie vom Gesetzgeber gefordert – in Sachen Lebensmittelproduktion auf umweltfreundliche Produktionsverfahren umstellen“, sagte Völzgen.

Je Kilo Kirschen aus dem Umland werden beim Transport bis 250 Kilometer 25 – 30 ml Erdöl verbraucht rechnete Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW vor. Bei italienischen Kirschen sind es 100 bis 150 ml/kg und bei Kirschen aus der Südtürkei 250 ml Erdöl/kg Kirschen. Werden die Krischen sogar eingeflogen sind es 1,5 kg Erdöl je Kilo Kirschen.

Eine Umkehr der Warenströme hält Obstbaujunior Philip Wißkirchen kaum mehr für möglich. Der umweltfreundliche Verbraucher fahre 2030 mit seinem E-Auto zum Supermarkt und kauft entfernt produzierte Ware – wenn es so weiter geht. Wißkirchen fordert die Konsumenten auf, auf das Herkunftsland der Kirschen und anderer Produkte zu achten.

Lesestoff:

[1] Kirschernte 2019 https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/gut-kirschen-essen-12007.html

[2] Notfallzulassung  https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/karate-zeon-gegen-kirschessigfliege.html

roRo

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