Klima und Entwicklung

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Mehr Geld für den Klimaschutz

Nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm trafen sich Umweltminister und hohe Beamte in schwedischen Riksgränsen zum so genannten „Mitternachtssonnen-Dialog“. Das informelle Ministertreffen ist eingebettet in eine Reihe von Klimakonferenzen, die 2005 im schottischen Gleneagles begannen und derzeit in Berlin mit 20 Umwelt- und Energieministern weiterlaufen. Ziel ist die Formulierung klarer Positionen bis zum UN-Klimagipfel im kommenden Dezember in Bali. Danach soll bis 2009 in Kopenhagen eine internationale Übereinkunft getroffen worden sein, die für die Zeit ab 2012 gültige Richtlinien für den Klimaschutz vorschreibt. Dann läuft die so genannte erste Verpflichtungsperiode zur Begrenzung der Emissionen im Kyoto-Protokoll ab. Hier liegen die Begrenzungen noch bei unter 10 Prozent.
Vier Grundzüge zeichnen sich ab: Reduktion der Treibhausgase in den Industrieländern, Entkarbonisierung des Wachstums in den Entwicklungsländern, Anpassung für die Entwicklungsländer an den Klimawandel und Stopp der Entwaldung.

Wer zahlt wann, wofür?
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, hoffte gestern in Berlin, dass mit dem ehrgeizigen Zeitrahmen der Startschuss für ernsthafte Gespräche gegeben sei. Nur um den Entwicklungspfad der Temperaturerhöhung unterhalb der 2 °C-Schwelle zu halten sind bereits große Anstrengungen notwendig: Gegenüber 1990 müssen die Industrieländer den Kohlendioxidausstoß um 30 Prozent bis 2020 und um 80 Prozent bis 2050 reduzieren. Weltweit muss auf die Hälfte des Ausstoßes verzichtet werden. Dafür müssen die Entwicklungsländer sehr hohe Kosten aufbringen, um Technologien umzuwidmen und Folgen, die bereits eintreten, zu lindern. Wetterextreme von 2004 hätten auf den Seychellen und in Somalia einen Schaden angerichtet, der doppelt so hoch war, wie das jeweilige Bruttosozialprodukt.
Dr. Reinhard Hermle, Entwicklungspolitischer Berater von Oxfam, gibt die jährlichen Kosten mit 50 Milliarden US-Dollar an, gibt aber auch zu, dass es derzeit nur wenig belastbare Daten für konkrete Zahlen gibt. Keine Frage ist für ihn, wie die Zahlungen aufgeteilt werden sollen: Nach dem Verursacherprinzip. Die Länder, die am meisten unter dem Klimawandel leiden werden, sind die Länder, die am wenigsten zu ihm beitragen. Die Industrieländer müssten aufhören, Schaden zu verursachen und das „eigene Haus in Ordnung bringen“, damit sie eine Vorbildfunktion für klimagemäßes Wachstum sein können. Zudem müssen sie den Entwicklungsländern helfen, sich dem Wandel anzupassen. Das sei nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch der Vernunft: Heute Versäumtes wird morgen viel teuerer und schwieriger aufzuholen sein. Für das Budget müssten die USA 40 Prozent, die EU 30 Prozent und Japan 10 Prozent aufwenden. Innerhalb der EU wären neben Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien die Hauptgeberländer. Einen nach Ursache und Finanzkraft ausgearbeiteten Verteilungsschlüssel hat Oxfam mit dem „Adaptation Financing Index“ vorgelegt.
Bestehende Fonds sind unterfinanziert. Der für die jährlichen Kosten für die am wenigsten entwickelten Länder sollte bis zu zwei Mrd. US-Dollar aufweisen – beinhaltet jedoch nur 48 Mio. US-Dollar.

Ein neuer Fonds?
Wichtig ist Oxfam, dass die Finanzmittel für die Anpassungsmaßnahmen zusätzlich aufgewandt werden müssen und nicht mit bestehenden Mitteln verrechnet werden dürfen. Damit zeige man, so Dr. Hermle, dass es neue Mittel für eine neue Herausforderung sind und gibt dem Klimaziel ein eigenes Gewicht. Letztlich sorge das dafür, dass die Armutsbekämpfung im Rahmen der Millennium Entwicklungsziele „nicht durch den Rost fällt“. Die Selbstverpflichtung der Industrieländer, 0,7 Prozent des Bruttoinlandseinkommen für Entwicklungshilfe aufzuwenden, wird damit nicht aufgehoben.
Das allerdings ist schwer, denn selbst Dr. Hermle musste zugeben, dass für die Umsetzung des Fonds in reale Projekte vor Ort noch viele Fragen und daher Forschungen offen sind.
Welche Pflanzen eignen sich am besten, Wanderdünen zu stoppen, welche Fruchtfolgen sichern die Ernährungssouveränität der Landbevölkerung und welche erneuerbare Energien sichern die Herdfeuer in abgelegenen Regionen? Welche dieser Fragen sind Klimarelevant, welche dienen der Armutsbekämpfung – und lässt sich das so strikt auf verschiedene Fördertöpfe aufteilen?

Entwicklung integriert Klimaschutz
Schon bei der Diskussion um die Vogelgrippe in Entwicklungsländern zeigte sich, dass verschiedene Töpfe trotz politischer Aussagen, sich auch im Wege stehen können. Wird ein Veterinärsystem schneller aufgebaut, wenn es aus dem Vogelgrippetopf bezahlt wird, oder indiziert das nicht eher ein früheres Versäumnis?
Nicht umsonst haben sich im Sommer in Berlin Politik und Entscheider getroffen, um der Entwicklungshilfe eine neue Richtung zu geben. Die bisherigen Mechanismen haben nicht zu optimalen Ergebnissen geführt, was der kenianische Ökonom James Shikwati Anfang September bestätigte: „Wir müssen die Entwicklungshilfe sofort und komplett stoppen. Wir können uns selbst helfen.“ Hinter den radikalen Äußerungen steht die Erkenntnis, dass allein 2006 mehr als 100 Milliarden Dollar von den reichen in die armen Länder geflossen sind. Die Finanzströme hätten Verstaatlichungen und Machtmissbrauch eher verstärkt und würden heute eher aus strategischen Gründen zur Sicherung der Rohstoffreserven gezahlt, so Shikwati , der in Nairobi das „Inter Region Economic Network“ (IREN) gegründet hat.

Markt statt Hilfe?
Im April 2007 hat die Nichtregierungsorganisation Concorde eine Broschüre herausgebracht, in der die europäischen Länder an ihrem Versprechen der 0,7 Prozent – Marke gemessen werden. Nur Schweden, Luxemburg, Dänemark und die Niederlande erfüllen sie. Irland auf Platz 1 der „Unterschreitenden“ liegt mit 0,53 Prozent des Inlandseinkommens bereits deutlich darunter. Deutschland zahlt 0,23 Prozent.
Wenn also diese Selbstverpflichtung schon nicht eingehalten wird, wie wird dann die Aussicht auf einen neuen Fonds aufgenommen werden?
Gerade die Auswirkungen des Klimawandels können Ökonomen als Marktversagen besser quantifizieren als alle anderen Millenniumsentwicklungsziele. Die Internalisierung externer Effekte könnte wirkungsvoller und globaler sein, als mühsame Entwicklungshilfe?

Lesestoff:
Das Papier des „Midnight Sun Dialogue“ können Sie unter www.sweden.gov.se/content/1/c6/08/42/d1db5962.pdf einsehen.
Die Analyse der Klimarelevanz „Bali wird zur Nagelprobe von Heiligendamm“, das Hintergrundpapier „Die Millennium-Entwicklungsziele und der globale Klimawandel“ finden Sie www.oxfam.de. Unter Download und „Adapting to Climate Change“ finden Sie den Vorschlag über den Finanzierungsindex.
Die Analyse der Länderhilfe von Lucy Hayes gibt es unter www.concordeurope.org
Das „Inter Region Economic Network“ (IREN) sucht den Afrikanern erfolgreiche Geschäftsmodell aus aller Welt zu vermitteln, damit gerade die Bauern mit wenig verfügbaren Ressourcen am Markt teilhaben können. Hauptsächlich sollen politische Barrieren abgebaut werden, die ökonomische Chancen und individuelle Freiheit mindern: www.irenkenya.com

Roland Krieg

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