Klimawandel auch bei der EU
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EU-Kommission legt Klimaziele 2030 vor
Zeitgleich zum EEG-Eckpunktepapier der Bundesregierung hat die EU-Kommission am Mittwoch ihre klima- und energiepolitischen Ziele bis 2030 vorgelegt. Sie lauten:
- Ein verbindliches Ziel für die Reduktion der Treibhausgasemissionen: Das Ziel einer Emissionssenkung um 40 % unter den Stand von 1990 ist das Kernstück der Energie- und Klimapolitik der EU bis 2030 und soll ausschließlich durch EU-interne Maßnahmen erreicht werden. Die jährliche Senkung der Obergrenze („Cap“) für die Emissionen aus den unter das EU-EHS fallenden Wirtschaftszweigen würde von derzeit 1,74 % auf 2,2 % für die Zeit nach 2020 angehoben. Die Emissionen aus nicht unter das EU-Emissionshandelssystem fallenden Wirtschaftszweigen müssten um 30 % unter den Stand von 2005 gesenkt werden, wobei diese Anstrengungen gerecht auf die Mitgliedstaaten verteilt würden. Die Kommission ersucht den Rat und das Europäische Parlament, sich bis Ende 2014 darauf zu einigen, dass sich die EU im Zuge der internationalen Verhandlungen über ein Ende 2015 in Paris zu schließendes neues Weltklimaabkommen Anfang 2015 zu einer Reduktion um 40 % verpflichten sollte.
- Ein verbindliches, EU-weites Ziel für erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien werden beim Übergang zu einem wettbewerbsorientierten, sicheren und nachhaltigen Energiesystem eine wesentliche Rolle spielen. Ein verbindliches, EU-weites Ziel für einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 27 % bis zum Jahr 2030 auf der Grundlage eines stärker marktorientierten Konzepts, das die erforderlichen Rahmenbedingungen für neu aufkommende Technologien bietet, hat wesentliche Vorteile für die Energiehandelsbilanz, die eigenständige Versorgung aus heimischen Energiequellen, die Beschäftigung und das Wachstum. Ein EU-weites Ziel für erneuerbare Energien ist erforderlich, um Impulse für weitere Investitionen in diesen Sektor zu geben. Eine Aufteilung in nationale Ziele durch EU-Rechtsvorschriften ist allerdings nicht vorgesehen, damit die Mitgliedstaaten über die notwendige Flexibilität verfügen, um das Energiesystem so umzubauen, dass es den nationalen Präferenzen und Gegebenheiten angepasst ist. Die Verwirklichung des EU-Ziels für erneuerbare Energien würde durch die neu geregelte Governance sichergestellt, die auf nationalen Energieplänen beruhen soll (siehe unten).
- Energieeffizienz: Eine verbesserte Energieeffizienz trägt zu allen Zielen der EU-Energiepolitik bei; ohne sie ist ein Übergang zu einem wettbewerbsorientierten, sicheren und nachhaltigen Energiesystem nicht möglich. Die Rolle der Energieeffizienz im Rahmen für die Politik bis 2030 wird bei der Überprüfung der Richtlinie über Energieeffizienz, die im Laufe des Jahres abgeschlossen werden soll, näher betrachtet. Die Kommission wird sich nach Abschluss der Überprüfung damit befassen, ob die Richtlinie möglicherweise geändert werden muss. Die nationalen Energiepläne der Mitgliedstaaten müssen darüber hinaus auch die Energieeffizienz einbeziehen.
- Reform des EU-EHS: Die Kommission schlägt vor, zu Beginn des neuen EU-EHS-Handelszeitraums im Jahr 2021 eine Marktstabilitätsreserve einzuführen. Die Reserve wäre auf den in den letzten Jahren entstandenen Überschuss an Emissionszertifikaten gerichtet und würde gleichzeitig die Resilienz des Systems gegen größere Schocks stärken, indem sie das Angebot an zu versteigernden Zertifikaten automatisch anpasst. Die Einrichtung einer solchen Reserve zusätzlich zu der jüngst beschlossenen Verschiebung der Versteigerung von 900 Millionen Zertifikaten auf 2019-2020 („Back-loading“) wird von einer Vielfalt von Beteiligten befürwortet. Nach den heute vorgeschlagenen Rechtsvorschriften würde die Reserve vollständig nach vorab festgelegten Regeln funktionieren, die der Kommission oder den Mitgliedstaaten bei der Anwendung keinen Ermessensspielraum lassen.
- Wettbewerbsorientierte, erschwingliche und sichere Energie: Die Kommission schlägt einen neuen Satz von Schlüsselindikatoren zur Bewertung der im Lauf der Zeit erzielten Fortschritte vor, um eine Faktenbasis für etwaige politische Initiativen zu schaffen. Diese Indikatoren beziehen sich beispielsweise auf das Energiepreisgefälle zwischen der EU und wichtigen Handelspartnern, die Diversifizierung der Versorgung und die eigenständige Versorgung aus heimischen Energiequellen sowie auf die Verbindungskapazitäten von Mitgliedstaaten. Anhand dieser Indikatoren wird die Politik bis 2030 für ein wettbewerbsorientiertes, sicheres Energiesystem sorgen, das sich weiterhin auf Marktintegration, Diversifizierung der Energieversorgung, stärkeren Wettbewerb, die Entwicklung der heimischen Energiequellen sowie auf die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation stützt
- Ein neu geregelte Governance: Im Rahmen für die Politik bis 2030 wird eine neu geregelte Governance auf der Grundlage nationaler Pläne für eine wettbewerbsorientierte, sichere und nachhaltige Energieversorgung vorgeschlagen. Anhand der in Vorbereitung befindlichen Leitlinien der Kommission erarbeiten die Mitgliedstaaten diese Pläne nach einem gemeinsamen Konzept, das mehr Investitionssicherheit und mehr Transparenz gewährleistet und die Kohärenz, EU-weite Koordinierung und Überwachung verbessert. Ein iterativer Prozess zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gewährleistet, dass die Pläne hinreichend ehrgeizig sowie langfristig kohärent und regelkonform sind.
Am 20. und 21. März will sich der EU-Rat mit den Eckdaten befassen.
Verpackung ungleich Inhalt
"Die EU-Kommission spricht bei jeder Gelegenheit davon, einen gefährlichen Klimawandel vermeiden zu wollen. Doch die jetzt vorgeschlagenen 40 Prozent CO2-Reduktion reichen dafür bei weitem nicht aus. Schlimmer noch: Wo 40 Prozent drauf steht, sind längst nicht 40 Prozent drin", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Wegen der enormen Überschüsse im Emissionshandel müssten davon je nach Ausgestaltung des Emissionshandels nach 2020 noch bis zu sieben Prozent abgezogen werden. „Mit solchen Zielen kommen die CO2-Preise im Emissionshandel absehbar nicht aus dem Keller, brummt die Braunkohle und bleiben neue Gaskraftwerke Investitionsruinen“, ergänzt Bals. Kohle sei nur mit CCS-Technologie klimafreundlich und die EU schwäche ihre internationale Klimaposition.
Einheitliches EU-Ziel richtig?
Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), gibt zu bedenken: „Die Energiewirtschaft benötigt langfristig stabile Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Es ist daher wichtig, dass ein verbindliches Ziel für deren Ausbau für 2030 gesetzt wird. Denn ohne ein bindendes Ziel können die Klimaschutzziele in der EU nicht erreicht werden. Zu hinterfragen ist allerdings, ob der Weg über ein europaweit einheitliches Ziel der richtige ist.“ Um die europäische Zielsetzung bis 2030 optimal zu erfüllen, sollten Mitgliedstaaten wie im derzeitigen Rahmen, verbindliche nationale Ziele zugeordnet werden.
Verbindliche Ziele
Georg Nüßlein, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion fordert verbindliche Ziele für alle Mitgliedsländer. Deutschland müsse darüber mit Brüssel noch reden. Beim Ausbau der Erneuerbaren sollten für alle Mitgliedstaaten verbindliche Ziele gelten. „Sonst wird der notwendige Innovationsdruckfür den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien in Europa nicht gewährleistet. Die deutsche Energiewende braucht verlässliche europäische Rahmenbedingungen und verbindliche Vorgaben zum Ausbau der Erneuerbaren“, so Nüßlein.
Kniefall vor der Kohlelobby
Annalena Baerbock, Klimapolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen kommentiert die EU-Beschlüsse: „Die heute verkündete Abkehr vom bisherigen Dreiklang der energie- und klimapolitischen Ziele der Europäischen Union für 2030 ist ein Kniefall vor der Kohle- und Kernkraftlobby. Die präsentierten Vorschläge tragen nicht zum Klimaschutz bei, sondern sichern die Marktstellung umweltschädlicher Atom- und Kohlekraft. Sollten sich die Vorschläge durchsetzen, würde sich die EU auf Jahrzehnte auch weiter massiv abhängig von Energieimporten machen. Damit konterkariert die Kommission nicht nur den Klimaschutz, sondern auch Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Die Vorschläge bleiben weit hinter ihren Möglichkeiten und sendet ein verheerendes Signal in Richtung Paris, wo 2015 das Kyoto-Nachfolgeabkommen beschlossen werden soll. Angesichts der immer dramatischeren Klimafolgen und vor dem Hintergrund der unzureichenden Verhandlungsergebnisse in Warschau hatte die EU eigentlich angekündigt einen ambitionierten Aufschlag zu machen. Diese Vorreiterschaft droht sie nun zu verspielen.
Straßenverkehr vernachlässigt
Der Bundesverband der Deutschen Ethanolwirtschaft (BDBe) vermisst den Straßenverkehr in den EU-Plänen. Der Verkehr insgesamt sei für 25 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, der Straßenverkehr alleine für 20 Prozent. Wenn nur noch ein einziges Klimaziel vorgeschlagen wird, dann drohe der Verkehr übersehen zu werden. Dietrich Klein, Geschäftsführer des BDBe: „Die deutsche Bioethanolwirtschaft bedauert, dass die Kommission das Verursacherprinzip ignoriert und keine Maßnahmen im Verkehr vorgeschlagen hat. Im Verkehr sind eindeutige Klimaziele und Mindestanteile erneuerbarer Kraftstoffe notwendig.“
Gute Ausgangsbasis
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hält die EU-Vorschläge für eine gute Ausgangsbasis. „Wir haben in Deutschland gesagt: Es müssen mindestens 40 Prozent Treibhausgasminderung EU-intern sein. Außerdem brauchen wir ambitionierte und verbindliche Ziele für erneuerbare Energien und Energie-Effizienz. Denn das ist notwendig, um unser Langfristziel, eine Minderung von 80 bis 95 Prozent bis zum Jahr bis 2050, wirtschaftlich zu erreichen. Im Rahmen eines internationalen Abkommens kann ich mir auch einen Beitrag der EU von mehr als 40 Prozent vorstellen. Denn wir Europäer wollen führend bleiben im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel“, so Hendricks weiter. Wichtig sei ebenfalls die Schaffung einer Marktstabilitätsreserve als wichtiger Beitrag zur Reform des Emissionshandels.
Lesestoff:
EEG-Eckpunkte-Papier für EEG-Reform
VLE