Klimawandel eindeutig anthropogen verursacht
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Sechster Sachstandsbericht des IPCC
Der am Montag veröffentlichte Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) kommt direkt auf den Punkt. Zum einen haben die Experten die Wahrscheinlichkeiten für Klimänderungen weggelassen, zum anderen haben sie mit Algorithmen die natürlichen von den anthropogen bedingten Veränderungen getrennt. An die Stelle des jahrelangen wissenschaftlichen Konsenses über die Klimaveränderung ist die Gewissheit des Klimawandels getreten, der deutlich von den Menschen und seinem Verhalten verursacht wird.
Der Bericht
Genauso schnell, wie das Klima sich wandelt, wird es um die Leugner einsam. 234 Autoren haben an dem Bericht geschrieben. 30 Prozent haben das erste Mal daran teilgenommen, die Frauenquote ist mit 28 Prozent noch steigerbar. Alle zusammen haben 14.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen für den 6. IPCC-Bericht ausgewertet und erstmals gab es eine Begutachtung mit über 78.000 Kommentaren. 46 Länder haben die Regierungszusammenfassung kommentiert.
Veronika Eyring vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an der Universität Bremen hat die Neuerungen im Bericht aufgeführt. Er hat die wissenschaftlichen Fortschritte bei der Datengrundlage, den Klimamodellen und für die Analysen berücksichtigt, so dass ein Bild entstanden ist, dass bislang noch nie so detailliert war. „Die Beweislinien werden immer stärker“, sagte sie bei der Vorstellung am Montag. Obwohl seit Jahrzehnten Veränderungen klar gewesen seien, verbreite sich die von menschlichen Emissionen verursachte Klimaveränderung so weit und so schnell, wie nie zuvor. Die Wissenschaftler haben die Veränderungen aufgezeichnet, die natürlicherweise von der Sonne und Vulkanen, sowie auch Waldbrände bis 2014 berücksichtigen. Davon getrennt konnten sie auf physikalischer Grundlage Veränderungen den Menschen zuordnen. Die Grafik zeigt deutlich wie verschiedene die Klimaänderungen aufgeteilt sind.
Neu im Bericht ist auch die Verteilung der Klimafolgen auf globaler und regionaler Ebene. Dabei geht es nicht nur um die Erwärmung der Oberflächentemperatur, sondern um die Wetterextreme, zu denen auch die nach Redaktionsschluss des IPCC-Berichtes in den westdeutschen und chinesischen Fluten, mediterranen und nordamerikanischen Bränden zählen. Ebenso wie die Dürren der vergangenen drei Jahre in Deutschland. Der Bericht unterstreicht das beunruhigende Gefühl, dass die Ereignisse zusammenhängen und etwas mit dem Lebensstil zu tun haben. „Der Bericht zeigt“, so Eyring weiter, „die Dringlichkeit von Maßnahmen, weil jede weitere Erwärmung die Auswirkungen noch verstärken wird.“
Das Ergebnis
Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg legt Wert darauf, dass der IPCC-Bericht keine politischen Empfehlungen formuliert. Die Berichte des IPCC sind die naturwissenschaftliche Grundlage, die für eine sachorientierte Politik die Grundlage bildet.
Und die Grundlage ist erneut gründlicher als bislang geworden. Der Bericht hat Szenarien formuliert, was bei Hochfahren und bei Reduzierung der Treibhausgase passiert. Dabei hat die Erderwärmung schon die Marke von 1,2 Grad Celsius erreicht und nicht mehr weit von der Zielmarke der Pariser Klimaverträge von 1,5 Grad entfernt. Nach Marotzke kann die Menschheit das Ziel noch erreichen, wenn sie bis 2050 das Ziel der Netto-Null-Emission erreicht. Werde das Ziel erst 2070 erreicht, dann steigt die Erwärmung auf zwei Grad Celsius – mit einer Verstärkung der heutigen Effekte. Werde der Konsum künftig die heutige Menge an Emissionen in die Atmosphäre blasen, wird keines der beiden Ziele erreicht. Bis Ende dieses Jahrzehnts müssen die Emissionen schnell heruntergefahren werden. Dazu zählen auch negative Emissionen, wie die Schaffung von Senken und dem Entzug des Kohlendioxids aus der Atmosphäre. „Die Einhaltung der Pariser Klimaziele erfordert schnelles und deutliches Handeln.“
Die Kipppunkte
Mit den Kipppunkten beschreiben Klimaforscher die kritischen Schwellen, an denen eine Klimaveränderung nicht mehr umkehrbar ist. Dazu gehört nach Eyring das Abtauen der Eisschilde oder das Auftauen des Permafrostbodens. Viele Prozesse um die Kipppunkte sind nach Marotzke noch nicht vollumfänglich verstanden, ergänzt der Hamburger Meteorologe. Deswegen war die Wissenschaft bei der erstmaligen Aufnahme von Kipppunkten vorsichtig. So wird bis 2100 der Unterschied zwischen einem Meeresspiegel bei verringerter und erhöhter Emission gar nicht so groß ausfallen. Aber der Anstieg der Pegel hat eine sehr lange Reaktionszeit und wird sich in 200 bis 300 Jahren dann deutlich unterscheiden. Die lange Zeitspanne ist keine Entschuldigung, sich erst später um das Thema zu kümmern, erklärt Marotzke. Denn wie sich das Klima ändert und welche Auswirkungen das hat, ist immer ein Resultat aus der vergangenen Emissionslast der Atmosphäre. Trotz Unsicherheit über die Kipppunkte, treten sie eher ein, je höher die Erderwärmung ist, ergänzte Eyring. „Wenn wir alles zusammentragen, kommen wir zu dem Schluss: Was wir an Erwärmung sehen, ist menschengemacht und ein Faktum“, unterstreicht Marotzke.
Svenja Schulze
Für die Bundesumweltministerin, Svenja Schulz (SPD), ist der Bericht Wasser auf die Mühlen. Erst am Morgen hat sie in der Rheinischen Post noch für ein höheres Tempo und mehr Kompetenz für den Bund beim Kampf gegen den Klimawandel eingefordert. Dabei bezeichnete sie das Verhalten von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Zögerlichkeit bei neuen Energien als „unfassbar und höchst inkompetent.“ Sie will noch Starkregen und Sturzfluten der Nationalen Wasserstrategie berücksichtigen, dass die Kommunen ein Risikomanagement für Fluten erarbeiten und Bund und Länder eine gemeinsame Klimafinanzierung auf die Beine stellen. Sie pocht auf das Bundesverfassungsgericht, das dem Klimaschutzplan der noch aktuellen Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis in den Punkten Details und Zeitplan ausgestellt hat. Klimaschutz muss Staatsziel für die neue Regierung werden, so Schulze. Immerhin will Deutschland schon 2045 klimaneutral sein und ab 2050 mit negativen Emissionen punkten. Rechtzeitig vor der Klimakonferenz in Glasgow und eingebettet in die EU-Strategie „Fit for 55“ [1], sei Deutschland auf dem richtigen Weg und könne zusammen mit der EU in Glasgow für andere Industrieländer mit hohen Emissionen Vorreiter sein.
Anja Karliczek
„Es geht um nichts weniger als eine neue industrielle Revolution.“ Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) verweist auf Forschungsergebnisse aus BMBF-Projekten, die im IPCC-Bericht stecken. Sie weiß, die Klimaneutralität bis 2045 „ist eine Mammutaufgabe“. Deutschland hängt von einer verlässlichen und bezahlbaren Energieversorgung ab. Doch die Reduzierung von Emissionen bringen ein Mehr an Gesundheit, mehr Wohlstand und mehr Arbeitsplätze. Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Ländern werde sich künftig Klimaschutzmaßnahmen orientieren. Dazu brauche es viele Fachkräfte, Digitalisierung und Technik. Eine echte Kreislaufwirtschaft und eine Bio-Ökonomie. „Klimaschutz Made in Germany wird Markenzeichen der Wirtschaft“, verheißt Karliczek. Damit könne man Geld verdienen, denn die Welt ist offen für neue und nachhaltige Technologien.
Die Hindernisse
Schulze und Karliczek gaben mit ihren Kommentaren den Blick auf die politischen Konsequenzen aus dem aktuellen IPCC-Bericht frei. Schnelles und zügiges Handeln sowie die Richtung der Politik stehen seit vielen Jahren auf der Agenda. Aber warum wird die Straße immer länger?
Ein schnellerer Kohleausstieg scheint undenkbar. Schulze hält den Kohlekompromiss aus Rechtssicherheit und Ausstieg 2038 für „sehr klug“. Allein ein höherer Emissionspreis könne den Termin nach vorne verlagern. Doch wer aussteigt, müsse auch den Einstieg sichtbar machen. Bayern und Nordrhein-Westfalen sind für Schulze Bremser beim Umstieg auf neue Energien. Die Aufgabe der nächsten Regierung müsse die Aus-/Einstiegssicherheit gewährleisten. Und das geht nach Karliczek nicht ohne die Bürger: „Wir brauchen möglichst viele Menschen, die sich hinter den Transformationsprozess stellen.“
Nach Karliczek wird sich auch am Energieportfolio kaum etwas ändern. Deutschland nutzt heute zu 80 Prozent Importstrom. Das werde auch bei der Klimaneutralität so bleiben. Gesucht wird das Potenzial, wo, welche Energie in welchen Mengen für Deutschland erzeugt werden können. Afrika gilt ihr als mögliches Herkunftsland für grünen Wasserstoff.
Staatliches Geld wird für die Finanzierung der Transformation nicht ausreichen, räumt Schulze ein. Deutschland hat bereits den Schritt für nachhaltiges Finanzmanagement gemacht und die EU legt die Taxonomie fest. In Deutschland und Westeuropa ist nach Karliczek viel privates Geld vorhanden. Technologisch gibt es viele Ideen. Sie müssen sichtbarer für privates Risikopotenzial gemacht werden.
An einem Thema ist die Bundesregierung bereits gescheitert. Dem Moorschutz. Am Freitag hatte Schulze das Scheitern der Moorschutzstrategie aus dem Koalitionsvertrag eingeräumt. Mit dem Ministerium für Ernährung und Landwirtshaft konnte keine Einigung erzielt werden. Jetzt strebt Schulze eine eigene Ressortstrategie an, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden könnte. Bis 2030 hätten jährlich rund fünf Millionen Tonnen CO2-Aqui durch geschützte Moore reduziert werden können. Das BMEL wollte prioritär den Schutz der natürlichen Moore und den Schutz der Biodiversität adressieren. Strittig ist die Einbeziehung der Landwirtschaft in die Strategien für eine Wiedervernässung und der damit verbundenen Umstellung auf Paludikulturen. Für Julia Klöckner haben Generationen an Landwirten auf Moorböden nachhaltig produziert.
Der individuelle Klimaschutz
Es gibt wohl einen Generationenkonflikt. Am Ende muss sich ohne Ordnungsrecht jeder einzelne die Fragen stellen, wie klein sein Auto, wenn überhaupt eins, sein soll, wie wenig Fleisch auf den Teller kommt, wie viele elektrische Geräte im Haushalt stehen und wie viel Wohnraum beansprucht werden dürfen. Diese Fragen sind angesichts der Staus auf Autobahnen und in der Stadt sowie der Grundstücksfrage an Überflutungsgewässern seit der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ vor fast zehn Jahren unbeantwortet [2]. Bündnis 90/Die Grünen haben mit ihrer Klimapolitik gerade erst einen Gang hochgeschaltet [3].
Der Bundesverband Boden hat eine Liste mit offenen Punkte wie Versiegelung, bodenschonender Land- und Forstwirtschaft, neue Retentionsflächen und grundsätzlicher Überarbeitung von Siedlungsplänen veröffentlicht. Die Veränderungen sind so grundlegend, dass jeder einzelne als Akteur gefragt ist [4].
Pionierunternehmer
Pionierunternehmer fahren Extragewinne ein. Ein Satz des österreichischen Ökonomen Peter Schumpeter, den das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS in Potsdam) ebenfalls am Montag unterstrichen hat. Laima Eicke und Andreas Goldthau haben die Auswirkungen verschiedener Geschwindigkeiten bei der Energiewende analysiert. 95 Prozent der installierten Leistung neuer Energien sind lediglich in 16 Ländern aufgebaut. Die Entwicklungs- und Schwellenländer bauen ihre Entwicklung auf fossile Energien auf. „Diese Kluft droht sich zu vertiefen: Länder, die frühzeitig in Forschung, Entwicklung und Produktion im Bereich erneuerbare Energien investieren, profitieren wirtschaftlich, auch in Bezug auf Arbeitsplätze. Nachzügler bei der Dekarbonisierung sind in den kommenden zehn Jahren deutlich höheren Transformationsrisiken ausgesetzt. Ihre industrielle Wettbewerbsfähigkeit sinkt und das Risiko für ökonomische Instabilität steigt“, erläutert Laima Eicke [5].
Reaktionen aus der Wissenschaft
Dr. Dirk Notz, Leiter der Forschungsgruppe Meereis im Erdsystem beim Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg: „Die beobachteten oder für die nächsten Jahrzehnte prognostizierten Veränderungen im Erdsystem, sind in mancherlei Hinsicht über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg einmalig: Die mittlere Temperatur des letzten Jahrzehnts ist vergleichbar mit der Temperatur der Erde vor 125.000 Jahren, der Gehalt an Kohlendioxid ist so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht, und auch die Ozeanversauerung ist schon jetzt ungewöhnlich im Vergleich zu den letzten zwei Millionen Jahren.“
Dr. Friederike Otto, Geschäftsführende Direktorin des Environmental Change Institute (ECI) an der Universität Oxford: „Wir haben zum ersten Mal Evidenz, dass Extremereignisse sich überall auf der Welt verändert haben und dass der Klimawandel in vielen Fällen eine Ursache dieser Veränderungen ist – und bei Hitzewellen die dominante Ursache.“
Dr. Fortunate Joos, Leiter der Arbeitsgruppe erdsystem-Modellierung am Oeschger Zentrum der Universität Bern: „Es ist illusorisch, darauf zu hoffen, dass die Wirkung fortgesetzter CO2-Emissionen in der Zukunft durch technologischen Fortschritt in der Speicherung von atmosphärischem CO2 rasch rückgängig gemacht werden kann. Die Erwärmung und viele weitere Veränderungen können im besten Fall verlangsamt und nur über sehr große Zeiträume wieder verkleinert werden.“
Dr. Thomas Leisner vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT): „Negativen Emissionen – insbesondere CDR (Carbon Dioxide Removal), also die technische CO2-Entnahme aus der Atmosphäre – wird eine hohe Bedeutung für den zukünftigen Klimaschutz zugesprochen. Mögliche Zielkonflikte mit Nahrungsmittelsicherheit und Biodiversität werden angesprochen. Ich finde den Optimismus bezüglich dieser Optionen riskant.“
Dr. Astrid Kiendler-Scharr vom Forschungszentrum Jülich GmbH: „Die Summe der wärmenden kurzlebigen klimawirksamen Stoffe – also Methan, Vorläufersubstanzen für Ozon, Ruß, und halogenierte Gase – hat bisher in gleicher Größenordnung zur Erwärmung beigetragen wie CO2. Während CO2 über viele Jahrhunderte in der Atmosphäre verweilt, werden die kurzlebigen Stoffe im Zeitraum von Wochen bis Jahrzehnten aus der Atmosphäre entfernt. Unter den kurzlebigen klimawirksamen Stoffen ist insbesondere die Einschränkung von Methan-Emissionen sowohl für den Klimaschutz als auch zur Verbesserung der Luftqualität von Bedeutung. Stringente Reduktionen dieser kurzlebigen klimawirksamen Stoffe können bis zum Ende des Jahrhunderts eine Erwärmung um 0,8 Grad vermeiden.“
Dr. Motif Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: „Wenn man alle Aussagen des Berichts zusammennimmt, würde ich sie wie folgt interpretieren: Die Menschheit ist dabei, den klimatischen Wohlfühlbereich zu verlassen, den sie über die letzten Jahrtausende genießen durfte.“
Dr. Ingo Sasgen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven: „Viele der dargestellten Veränderungen – Hitze, Starkregen, Dürre, Gletscherrückgang – wurden in Deutschland inzwischen persönlich erfahren und in den Medien diskutiert. Einzelne Ereignisse – wie Hitzerekorde in Sibirien, Rekordverluste in Grönland – werden auch immer wieder besprochen. Aber dass ähnliche Phänomene, vielleicht auch schwächer, Menschen auf der ganzen Welt erfahren, wird oft nicht in den Zusammenhang gebracht, da die Extreme oft nicht zeitgleich stattfinden.
Dr. Marcel Nicolaus, ebenfalls vom AWI: „Aus meiner Sicht ist es notwendig, dass die Darstellung des Berichts als Apell zu Veränderungen und zum Mitmachen verstanden wird und nicht als ‚Es ist eh zu spät‘ betrachtet wird. Auch wenn globale Ziele wie das 1,5-Grad-Ziel verpasst werden, muss es unser Ziel sein, dem Klimawandel durch unser alltägliches Handeln entgegenzuwirken. Hierbei muss die Gesellschaft durch Anreize und Angebote mitgenommen und nicht durch Regeln und Verbote abgeschreckt werden.“
Reaktionen aus der Politik
Gerd Müller (CSU), Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ): „Wir brauchen einen weltweiten Green Deal: mit gewaltigen privaten Investitionen zum Ausbau erneuerbarer Energien sowie Technologietransfers und einer Investitionsoffensive der Industrieländer in Schwellen- und Entwicklungsländern. Nur so ist es möglich, Wachstum ohne dramatische Steigerung der CO2-Emissionen zu erzielen. Weltbank, IWF, Entwicklungsbanken und die EU müssen die Investitionsförderung und Risikoabsicherung für nachhaltige Infrastruktur- und Energieprojekte dazu deutlich ausbauen. Vor allem Brüssel muss seinen Beitrag durch die Ausweitung des Green Deals auf Entwicklungs- und Schwellenländer leisten - und so eine weltweite Energiewende fördern.“
Der schleswig-holsteinische Umwelt- und Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht (B90/Die Grünen) fordert angesichts des heute vorgestellten Berichts des Weltklimarates eine entschlossene Umsetzung von wirksamen Klimaschutzmaßnahmen: „Die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft untermauern, dass wir ohne radikalen Klimaschutz geradewegs in eine Katastrophe laufen. Wenn sich die Erderwärmung weiter wie erwartet beschleunigt, werden viele Menschen in allen Teilen der Welt schon sehr bald ihre Lebensgrundlagen verlieren. Schon jetzt zeigen Großbrände, Hitzewellen und Starkregenereignisse überall auf der Welt, wie verheerend die bereits eingetretenen Folgen des Klimawandels sind. Je schneller wir jetzt entschlossen Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, desto mehr Freiheit, Sicherheit und Wohlstand werden uns bleiben.“
Lukas Köhler, klimapolitischer Sprecher der FDP: „Aus dem neuen IPCC-Bericht muss nun eine vernünftige Klimapolitik folgen. Die Zeit für ideologisch motivierte Verbote und Vorschriften ist vorbei. Denn sie bringen allesamt wenig bis gar nichts für den Klimaschutz, sondern behindern sogar die Entwicklung notwendiger Technologien. Nun muss das große Ganze in den Blick genommen werden, also schnellstmöglich auf ein striktes CO2-Limit durch die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf alle Verursacher von Treibhausgasen gesetzt und die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz vorangetrieben werden. Damit würde auch der Kohleausstieg deutlich schneller gelingen.
Umweltministerin Thekla Walkeraus Baden-Württemberg (Bündnis 90/Die Grünen): „Der IPCC-Bericht ist eine unmissverständliche Mahnschrift, ein Weckruf für uns alle. Der Klimawandel ist schon lange keine abstrakte Gefahr mehr, er trifft auch Baden-Württemberg und Deutschland in immer kürzeren Abständen. Er verändert unser Leben und das aller Menschen, wie die extremen Starkregen und furchtbaren Überschwemmungen bei uns und die vielen Hitzetote in Kanada sowie die verheerenden Waldbrände in der Türkei, in Griechenland, Italien und Russland zeigen. Wir müssen den Raubbau an unseren Lebensgrundlagen endlich beenden und Maßnehmen gegen den Klimawandel einleiten, damit aus der Klimakrise keine dauerhafte Klimakatastrophe wird. Zum Beispiel müssen wir massiv den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Die Zeit der schönen, aber folgenlosen Sonntagsreden ist vorbei, die Zeit der verzagten Entscheidungen. Wir müssen jetzt schnell und beherzt auf allen Ebenen handeln und die richtigen Entscheidungen treffen, solange es noch möglich ist. Denn die falschen Entscheidungen bleiben über Jahrzehnte bestehen und gefährden das Leben von uns allen. Es geht um nichts Geringeres, als dass unsere Kinder und Enkel noch einen lebensfähigen Planeten vorfinden.“
Reaktionen von NGOen
Vera Künzel (germanwatch): „Auch für regionale Klimawandelfolgen bietet der Bericht mit einem neuen interaktiven Atlas-Tool eine bessere Informationsquelle. „Das ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage für regionale und lokale Anpassungsmaßnahmen an die Klimakrise sowie den Aufbau von mehr Widerstandsfähigkeit gegen Extremwetter. Diese gehören überall auf der Welt ganz oben auf die Agenda. Reiche Länder stehen in der Verantwortung, ausreichend finanzielle und technische Unterstützung für die Länder des globalen Südens zur Verfügung zu stellen.“ Die noch ausstehenden Berichte der IPCC-Arbeitsgruppen II und III werden nächstes Jahr hierzu weiteren wissenschaftlichen Input liefern.
Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare „Energien: „Die Botschaft ist mehr als eindeutig: Die Anstrengungen zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels müssen massiv verstärkt werden. Ein hartes Umlenken beim Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase und der verstärkte Einsatz sauberer Technologien ist erforderlich, um das Klima wieder ins Lot zu bringen. Die Erneuerbaren Energien stehen in großer Technologiebreite für alle Bedarfe zuverlässig und bezahlbar bereit. Wir wollen unseren Beitrag für den Klimaschutz leisten. Dafür müssen die Hürden abgebaut und ein Programm zum beschleunigten Ausbau in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung aufgelegt werden.“
Der BUND hat zusammen mit dem Paritätischen Gesamtverband eine „Zukunftsagenda für die Vielen“ vorgestellt [6].
Hans-Georg von der Marwitz, Präsident der „AGDW – Die Waldeigentümer“: „Erstes Opfer im Klimawandel sind die Wälder, Folgeerscheinungen wie Waldbrände, Insekten- und Krankheitsbefall setzen zahlreichen Baumarten zu“, sagte der Präsident, „daher muss alles dafür getan werden, um den Wald und die Waldbesitzer beim klimaresilienten Waldumbau zu unterstützen“.
Zur Veröffentlichung des ersten Teils des UN-Weltklimaberichts stellt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, fest: „Mit dem fortschreitenden Klimawandel sind auch in Deutschland und Europa häufigere Extremwetterereignisse vorprogrammiert. Eine konsequente Klimapolitik und ambitionierte Maßnahmen zum Klimaschutz sind also auch erforderlich, um Ernten zu sichern. Es besteht die Herausforderung, die Ernährungssicherung mit dem 1,5 Grad-Ziel in Einklang zu bringen. Aus Sicht der Landwirtschaft müssen neben den bereits eingeleiteten Maßnahmen zum Klimaschutz auch in gleicher Weise geeignete Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ergriffen werden. Dazu gehören ein zusätzliches Risikomanagement-Instrumentarium, die Förderung klimaeffizienter Anbauverfahren, ein Ausbau der Bewässerungs-Infrastruktur und die Anwendung neuer Methoden in der Pflanzenzüchtung. Klimaschutz und Klimaanpassung müssen Hand in Hand gehen.
Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): Für eine klimagerechte Landwirtschaft brauchen wir aber die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Diese müssen faire Preise garantieren, eine flächengebundene Tierhaltung fördern und Umweltleistungen wie Weidehaltung und humusuafbauenden Ackerbau honorieren.“ Dürren, Starkregen, Flutkatastrophen und Brände – sie bedrohen uns und unsere Ernten bereits jetzt massiv. Der Bericht betont die Wichtigkeit der natürlichen Senken, wie z.B. der landwirtschaftlichen Böden. Diese können große Mengen an Kohlenstoff speichern und so aktiv einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Voraussetzung ist, dass wir die Senken schonend und nachhaltig bewirtschaften, denn auch sie leiden unter dem Klimawandel. Letztlich können wir uns nicht auf den Senken ausruhen, sondern müssen das Problem endlich konsequent an der Wurzel packen: Wir müssen jetzt die Emissionen in allen Bereichen massiv reduzieren.“
Hans-Josef Fell (Mitgründer des Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG): „Der Weltklimarat hat versagt und muss sich korrigieren. So zeigt der IPCC heute auf: 1,5 °C kommen 10 Jahre früher als er noch vor 3 Jahren in 2018 (!) prognostizierte. Mit seiner jahrzehntelangen Botschaft, die Welt könne noch weiter CO2 emittieren, hat auch er die heutigen schon längst vernichtende Dimensionen erreichenden Katastrophen (Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Hochwasser, Stürme, Hunger) mit zu verantworten. Die Energy Watch Group habe schon vor Jahren aufgezeigt, dass die aus den IPCC-Berichten abgeleitete Politik „vollkommen unzulänglich ist. Der Weltklimarat hat sich in seinen von den Regierungen beeinflussten Kernbotschaften nicht an den sich klar abzeichnenden Katastrophenentwicklungen orientiert, sondern eher beschwichtigend prognostiziert und insbesondere bei den Klimaschutzforderungen seit Jahren versagt.“
Lesestoff:
Den Bericht des IPCC finden sie hier: https://www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-working-group-i/
[1] Fit or Fifty-five: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mit-55-jahren-faengt-das-leben-an.html
[2] Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft: https://herd-und-hof.de/handel-/schritt-fuer-schritt-in-die-transformation.html
[3] Die Grünen unter Dampf https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gruene-setzen-wahlkampf-unter-dampf.html
[4] Deutschalnd unter Wasser: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-gesamte-landnutzung-steht-auf-dem-pruefstand.html
[5] Eicke, L., Goldthau, A. (2021): Are we at risk of an uneven low-carbon transition? Assessing evidence from a mixed-method elite study. - Environmental science & policy, 124, 370-379.https://doi.org/10.1016/j.envsci.2021.07.009
[6] BUND: www.zukunftsagenda.de
Roland Krieg; Grafiken: IPCC
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