Klimawandel vertagt
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Durban enttäuscht trotz geringer Erwartungen
Umweltverbände fürchteten, dass die Wirtschaftskrise
das Thema Klimaschutz überlagern könnte – und sahen sich durch den EU-Gipfel
zum Eurorettungsschirm bestätigt. Dort hat sich ein Interessenskern
durchgesetzt, Großbritannien als Land, das nicht mitzieht, gilt langfristig bereits
als Verlierer und sehr große Summen sind im Spiel. Demgegenüber wurde die
Bedrohung durch den Klimawandel vertagt. Durban wurde zum Zwischenstopp für die
nächste Konferenz mit der nächsten Chance zur Einigung zur Reduzierung der
Emissionen. Jetzt soll eine Ad hoc-Gruppe im ersten Halbjahr 2012 mit dem
beginnen, was in Durban das Ergebnis hätte sein können.
Demnach überwiegen die Enttäuschungen nach dem
Klimagipfel.
Zwei-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar
Die Erwärmung der Erde um zwei Grad gilt noch als
Obergrenze, bei der die Menschen den Klimawandel noch ohne große Anstrengungen
meistern können. Nach Greenpeace sind die Ergebnisse in Durban nicht geeignet,
das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Nach Klimapolitiker Martin Kaiser von
Greenpeace hätte die Versammlung im nächsten Jahr bis zu einem Ergebnis
weiterverhandeln sollen. Das eigentlich schon vorliegende Klimaabkommen soll
nun erst in den nächsten drei Jahren vorliegen, ab 2020 erst gültig sein und
ist dann rechtlich nicht einmal gültig, kritisiert Kaiser den Ausgang der
Konferenz. Die USA, China und Indien würden sich um die
Emissionsreduzierungsziele drücken können.
Kaiser bemängelt ebenfalls, dass die Finanzierung des
Klima-Fonds nicht geklärt wurde. Rund 100 Milliarden US-Dollar jährlich sollen
bis 2020 zusammen kommen. „Von der Dringlichkeit der Klimakrise war in den
klimatisierten Verhandlungsräumen nichts zu spüren“, fasste er seine Eindrücke
zusammen.
Gipfel-Verlängerung
Germanwatch bezeichnet das Ergebnis als „Verlängerung des UN-Klimagipfels“, sehen dennoch in dem neuen Mandat, das von allen Ländern getragen wird, einen kleinen Durchbruch. „Dieser Gipfel zeigt zwei Dinge: Der UN-Prozess bleibt notwendig, denn nur hier bekommen die Länder, deren Existenz gefährdet ist, eine Stimme. Nur hier können sie die großen Länder bewegen. Aber dieser Gipfel zeigt auch, dass er allein nicht ausreicht, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden“, fasst Vorstandsvorsitzender Klaus Milke zusammen.
Greenwashing
Als Greenwashing hat Nabu-Präsident Olaf Tschimpke den Beschluss bezeichnet. Die Verantwortung trügen in erster Linie die USA und Kanada, China und Indien, die rechtsverbindliche Ziele blockierten. Hingegen habe die EU „Führungsstärke“ gezeigt und das Minimalergebnis erreicht. „Jetzt muss jedes einzelne Land zu Hause zeigen, dass viel mehr Klimaschutz nötig und möglich ist“, so Tschimpke.
Mit klarem Verstand in die Katastrophe
Deutliche Worte fand am Sonntag der für Misereor zuständige Hamburger Erzbischof Werner Thissen: „Weiterhin rennen wir mit offenen Augen und klarem verstand in eine Welt hinein, die wohl um vier Grad wärmer würde, wenn wir nicht entschiedener handeln. Hinter dieser Zahl verbirgt sich eine extreme Gefährdung von Menschenleben und der gesamten Schöpfung.“ Das Kyoto-Protokoll wurde formal gerettet, aber nur von den Staaten, die nicht mehr als 12 Prozent der Emissionen verschulden. Der Klimawandel verschärfe schon heute Hunger, Armut, Konflikte und Migration, betonte Thissen. Nach Misereor-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer werden allein in Afrika bis 2020 bis zu 250 Millionen Menschen zusätzlich unter Wasserknappheit leiden. Vor allem Afrika habe sich für seine Interessen eingesetzt, weil die Länder wüssten, sie verlieren bis zu 50 Prozent der Ernteerträge.
Mehr Unklarheiten geschaffen
Der WWF beklagt die „lauwarmen Regelungen“, weil nur unklare Regelungen getroffen wurden. Es wurde beispielsweise der Schiffs- und Flugverkehr als einer der Hauptemittenten nicht mit einer Abgabe belegt, die vorher im Gespräch war. Auch die Abmachungen zu REDD+, dem Instrument, mit dem die Waldzerstörung verringert werden soll, bewege sich nur im Schneckentempo. Geber- und Waldländer würden die Motivation verlieren, dieses Instrument zu unterstützen.
„Klimawandel keine Heizung“
„Die Verhandlungsparteien müssen endlich realisieren, dass der Klimawandel keine Heizung ist, die man abstellen kann, wenn es zu warm wird“, warnte Tonya Rawe, Politikreferentin von Care USA. Durban hätte mit „ausreichendem politischen Willen“ mit einem guten Protokoll enden können. Es hätte auch der „Sinn für die Dringlichkeit“ gefehlt. „Durban ist ein Schlag ins Gesicht für die armen Menschen.“
EU mutlos
Als mutlos hat Bund-Vorsitzender Hubert Weiger die EU bezeichnet. Die EU hätte ihr Reduzierungsziel von 20 auf 30 Prozent bis 2020 erhöhen müssen und damit eine Vorreiterrolle übernehmen können. „Wenn im nächsten Jahr weiter verhandelt wird, muss dabei eine Fortführung des Kyoto-Abkommens ab 2013 mit strengen Reduktionszielen für die beteiligten Industriestaaten beschlossen werden.“ Ein neues Klimaabkommen müsse deutlich früher als 2020 fertig sein.
Selbst tätig werden
Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel zeigt sich generell skeptisch: „Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass wir uns nicht allein auf internationale Klimagipfel wie jetzt in Durban verlassen dürfen. Ob Kyoto, Cancún oder Kopenhagen: Seit Jahrzehnten versucht die internationale Staatengemeinschaft ein globales Bündnis für den Klimaschutz zu erreichen, um hierdurch die Co2-Belastung zu senken. Doch statt einer Reduzierung ist der Co2-Ausstoß drastisch gestiegen. Man muss daher feststellen: Solche Klimagipfel allein führen nicht zu einem besserem Klima. Es kommt jetzt darauf an, dass Deutschland und die EU vorangehen und Klimaallianzen suchen, um verbindliche Verpflichtungen der Vertragspartner zu erreichen, die nicht erst 2020 greifen.“
Großer Erfolg
Dr. Norbert Röttgen, Bundesumweltminister, hingegen ist mit Durban sehr zufrieden und bezeichnet die Vereinbarung in Südafrika nicht nur als „großen, wegweisenden Erfolg“, sondern auch als „rechtsverbindlich“. Röttgen: „Das Durban-Paket ist ein qualitativer Sprung nach vorne. Wir haben jetzt das Fundament und die Dynamik für ein internationales Klimaschutzabkommen erreicht, das erstmalig für alle gilt. Durch ein starkes Bündnis zwischen der EU, den am schwächsten entwickelten Staaten und den kleinen Inselstaaten, die am meisten vom Klimawandel bedroht sind, ist es gelungen, ein Paket von Maßnahmen zu schnüren, das langfristig alle und vor allem auch die großen Emittenten verpflichten wird.“
Gut für Entwicklungsländer
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel zeigte sich auch mit dem Ergebnis in Durban zufrieden. „Der Fahrplan für einen neuen globalen Klimavertrag, der auch die Entwicklungsländer einbezieht, ist ein wichtiger Fortschritt.“ Deutschland habe in Südafrika angekündet, den Klimafonds in seiner Vorbereitung mit 40 Millionen Euro zu unterstützen. Außerdem werde das vorläufige Sekretariat des Fonds in Bonn seine Arbeit aufnehmen.
Klimaschutz mit zwei Geschwindigkeiten
Der Saarbrücker Zeitung schlug Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundesgrünen, Klimaschutz mit zwei Geschwindigkeiten vor. Die Europäische Union müsse mit anderen Staaten beim Klimaschutz vorangehen, die anderen folgen. Höhn kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkle, die bereits vor dem Gipfel sagte, er würde zu keinem Ergebnis führen.
Lesestoff:
Abschlussdokument in Durban: http://unfccc.int/resource/docs/2011/cop17/eng/l10.pdf
VLE