Königsdisziplin Wärmemarkt

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Forschung will Schwung in den Wärmemarkt bringen

Ohne Wärmewende gibt es keine Energiewende. Schon alleine, weil die Wärme mit einem Anteil von 58 Prozent am Endenergiebedarf den Löwenanteil stellt. Bis 2020 will die Bundesregierung den Anteil neuer Energien für Wärme und Kälte auf 14 Prozent steigern. Aktuell sind es knapp elf Prozent. Doch die Energiediskussion ist durch den Strom dominiert. Obwohl der Staat mit dem Wärmegesetz, Forschung für Energieeffizienz (EnEff im Bundesforschungsministerium) und Marktanreizprogramm viel versucht hat. Doch so richtig in Schwung ist der Wärmebereich noch nicht gekommen, stellen Prof. Dr. Vladimir Dyakanov und Gerhard Stryi-Hipp vom Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) fest, der in seinem Silberjubiläumsjahr seit gestern in Berlin zum Thema „Forschung für die Wärmewende“ tagt.

Königsdisziplin Wärmemarkt

Zur Tagung hat der FVEE ein Positionspapier zu „Erneuerbare Energien im Wärmesektor“ herausgegeben, das mit Aufgaben, Empfehlungen und Perspektiven das Schwungrad in Bewegung setzen will. Zwar ist Forschung alleine kein hinreichendes Kriterien für die Energie- und Wärmewende, aber, so stellt Prof. Dr. Rolf Brendel, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Solarenergieforschung (ISFH) fest, ohne Forschung gibt es keine Energie- und Wärmewende.

Der Wärmemarkt ist gegenüber dem Strommarkt wesentlich komplexer. Seine Bewältigung vergleicht Dr. Dyakanov mit einer Königsdisziplin. „Der Strommarkt ist schon eine gute Übung.“

Die Unterschiede zwischen Strom und Wärme sind tatsächlich frappierend. Der Wärmemarkt ist bei Verbrauchern, Investoren, technischen Anlagen und deren Größenordnungen wesentlich heterogener als der Strommarkt, sagt Stryi-Hipp. Das Systemverständnis sei zudem anspruchsvoller, weil der Wärmemarkt in seiner Entwicklung auf den Strommarkt Rücksicht nehmen müsse und die Akteure haben viele Interessen, die auszubalancieren sind. Neben dem Einfamilienhaus stehen kleine Vermieter und große Wohnungsbaugesellschaften in der Sanierungsverantwortung, die Brennstofflieferanten müssen andere Entscheidungen treffen als Investoren.

Die Menge an Zielkonflikten summiere sich auf ein „Verharrungspotenzial“, das der Entwicklung entgegensteht, unterstreicht Stryi-Hipp. So weist das Quartiersmanagement mit seinen synergetischen Effekten großes Einsparpotenzial auf, doch derzeit sanieren die Hausbesitzer beim Eigenheim oder dem Mietshaus einzeln vor sich hin. Das ruft doch die Politik auf den Plan? Diese hat, untermauert Stryi-Hipp gegenüber Herd-und-Hof.de, in der jüngsten Vergangenheit zwar viele Modelle für Quartiersmanagement umgesetzt und mit KfW-Förderungen auch den finanziellen Rahmenplan gesteckt. Es fehlt allerdings das Ziehen richtiger Schlüsse aus den den gemachten Erfahrungen. Das Modell der steuerlichen Förderung bei der Gebäudesanierung ist zweimal gescheitert, bevor es nach langer Diskussion endlich umgesetzt wurde. So etwas sei ein Desaster für die Wärmewende, mahnt der Wissenschaftler die Politik.

Unsicherheiten

Unsicherheiten sind technisch der Komplexität des Wärmemarktes geschuldet. Kaum einer wagt eine langfristige Prognose, ob Nahwärmenetze die künftige Infrastruktur sein werden oder nicht vielleicht doch Stromreservepumpen, die Überschussstrom in Wasserspeicher „laden“ oder die Rückkehr von Nachtspeicherheizungen befördern. Welche Rolle Überschussstrom haben wird, ist genauso offen, wie die Menge, die zur Verfügung steht. Solange sind Techniken wie „Power to Heat“ mit Unsicherheiten behaftet.

Aber zur Aufklärung führt der FVEE seine Jahrestagung durch.

Biomasse

Auch die Wärmewende kommt ohne Biomasse nicht aus. Sie stellt 90 Prozent der erneuerbaren Wärme und kommt hauptsächlich aus Holz. Deutschland ist Europameister in Sachen Holzvorrat und kann den Einschlag sogar erhöhen [1]. Die Frage, ob Holzheizungen oder Holzhäuser nachhaltiger sind, bleibt offen [2]. Auf jeden Fall ist auch Holz ein begrenzter Rohstoff. Das FVEE-Positionspapier prognostiziert, das wegen der hohen Verbrennungstemperaturen von 800 bis 1.200 Grad Celsius der Einsatz biobasierter Wärme „vorrangig im baulichen Bestand und hier insbesondere als KWK-Anwendung sowie im Bereich der Industrie als Prozesswärme sinnvoll“ sei. Mit Verschiebung hin zu Abfall- und Reststoffen.

Feste Biomasse hat seit 2001 im Neubau als primäre Heizungsquelle stark zugenommen. Das EEWärmeG erkennt Einzelraumfeuerungsanlagen allerdings nur bedingt an – wenn die Wärme über integrierte Wassertaschen an einen Heizkreislauf abgegeben wird.

Ein Engpass und damit Forschungsaufgabe sind die Emissionen der Einzelraumfeuerungsanlagen, die für einen erheblichen Teil der Feinstaubbelastung verantwortlich sind. Die Forschung konzentriert sich auf primär- und betriebsseitige Minderungsansätze sowie integrierte Abscheidungsmechanismen.

Ein neuer Trend ist die Systemintegration von Biomasseanlagen. Zusammen mit Wärme aus Geothermie müssen sie flexibler ausgestaltet sein. Sie wird, so das Positionspapier, an Bedeutung für die Energieabsicherung haben, wenn andere neue Energiequellen nicht liefern.

KUP

Eine Besonderheit von Biomasse aus Holz sind Kurzumtriebsplantagen. Schnell wachsende Hölzer wie Weiden und Pappeln können für den Zeitraum von bis zu 20 Jahren alle vier oder fünf Jahre gehäckselt werden. Mögliche KUP-Flächen finden sich nahezu auf jedem Betrieb. Mittlerweile liegen auch erste Erfahrungen der Rekultivierung zum Ackerbaustandort vor.

Dazu wird mit zwei Stundenkilometern eine Forstfräse gezogen, die bis zu einer Tiefe von 30 cm alle Seitenwurzeln der Wurzelstöcke abtrennt. Nur die Wurzelstöcke selbst bleiben grob geschreddert, schreibt Rainer Schlepphorst von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde in der Bauernzeitung [3]. Daher kann der Pflug nicht für die folgende Saatbettbereitung eingesetzt werden. Das Einebnen der Fläche mit einer Kurzscheibenegge reichte aus und verhinderte das Aufkeimen von Pappeln.

Die Wissenschaftler prüfen jetzt, wie lange sich die Rotte der Wurzelstöcke hinzieht. Für eine komplette Zerstörung der Baumwurzeln müsse die Arbeitsgeschwindigkeit der Forstfräse deutlich unter einem Stundenkilometer liegen. Erste Berechnungen zeigten einen Kostenaufwand für die Rekultivierung von bis zu 1.500 Euro je Hektar.

Bayern will seine Bauern schneller zur KUP drängen und bietet eine neue Beratung und Förderung an [4].

Lesestoff:

www.fvee.de

[1] Bundeswaldinventur 2014

[2] Die Konkurrenz um Holz verschärft sich

[3] Schlepphorst R. et al.: Bei den Wurzeln gepackt. Rekultivierung einer neunjährigen Pappel-Kurzumtriebsplantage, Bauernzeitung Nr. 43/2015; S. 21 ff

[4] Bayern fördert KUP http://tinyurl.com/pyynzlw

Roland Krieg

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