Kontrolliertes Wild aus BB
Handel
Brandenburg nimmt Wildverarbeitung in die eigene Hand
Aus dem kurfürstlichen Edikt, das „Tabakrauchen auf der Heyde“ zu verbieten, wurde im Zeitablauf das Brandenburger Landeswaldgesetz. Das beschäftigt sich nicht nur mit dem Schutz der Bäume und der Funktionen des Waldes. Seeadler, Eisvogel und Laubfrosch sind die eher selteneren Bewohner. Rotwild, Damwild oder Muffelwild kommen häufiger vor. Was fehlt sind Bären, Wölfe und Luchse: Die sorgten normalerweise für ein Bestandsgleichgewicht des Schalenwildes. Deren Aufgabe übernimmt heute der Förster.
120 Tonnen Wild für Templin
Umzäunungen von Aufforstungen sind beredtes und vor allem teures Zeugnis, dass Wildverbiss zunimmt. Der Agrarbericht des Landes Brandenburg weist rund 2.800 ha Forst mit merklichem und 335 ha mit starkem Verbiss aus. 1.180 ha leiden unter Schälschäden. Derzeit sind die Wildschäden in der Landwirtschaft wieder rückgängig. Den Höhepunkt ereichten sie im Wirtschaftsjahr 2002/203 mit über 900.000 Euro.
Mais- und Rapsanbau bieten beispielsweise den Schwarzkitteln nicht nur eine gute Nahrungsgrundlage, sondern auch ausreichend Deckung. Eiche und Buche bieten den Wildschweinen hochverdauliches Kohlenhydrat und Rohproteine und warme Winter helfen der gesamten Rotte. Der Agrarbericht weiß aber auch, dass bestehende Bestandshöhen vielfach zu niedrig eingeschätzt werden.
Werden nur 80 Prozent des jährlichen Zuwachses an Wildschweinen durch die Förster entnommen, braucht der Bestand lediglich 3,5 Jahre, um sich zu verdoppeln.
Geht es Rot-, Reh-, Dam- und Schwarzwild so gut, fallen alleine im Amt für Forstwirtschaft Templin rund 120 Tonnen Wild im Jahr an. Das Jagdgebiet von über 40.000 Hektar Landeswald erstreckt sich zwischen der Mecklenburger Seenplatte und der nördlichen Schorfheide. Hier ernähren sich die Wildarten ausschließlich von Blättern, Knospen und Gräsern. Dadurch bezieht das Wild seinen typischen Geschmack und das Fleisch zeichnet sich durch wenig Fett und Kalorien aus. Es enthält viele Mineralstoffe, Eisen, Zink sowie Vitamin B2.
Nachfrage findet Angebot
Gestern trafen sich im Templiner Amt für Forstwirtschaft Dietmar Schulze, Staatsekretär aus dem Brandenburger Landwirtschaftsministerium und Dr. Eckard Krone, Geschäftsführer der Eberswalder Fleisch und Wurst, um die neue Wildvermarktungsstelle zu eröffnen.
Erst im März wurde der Kooperationsvertrag zwischen dem Bundesland und der Fleischfabrik unterzeichnet. Dr. Krone betonte, er beziehe lieber Wildfleisch direkt vom Erzeuger als mit Zertifikat aus dem Bundesgebiet. Jetzt ist das Fleisch aus der Nachbarschaft da.
Zu oft geht Brandenburger Wild zunächst in die benachbarten Bundesländer und wird dort zerlegt und verarbeitet, sagte Dietmar Schulze zu Herd-und-Hof.de. Mit dieser Wildvermarktungsstelle bleibt die Wertschöpfung hingegen im Land.
Am 01. September geht die „Gläserne Wildvermarktung“ in Betrieb und Schulze schob das erste Reh in die Schlachtung. Nur fünf Monate lagen zwischen Planung und feierlicher Eröffnung der Vermarktungsstelle, die ausschließlich von Betrieben aus der Region gebaut wurde.
Höchste Standards
Michael Walter, Leiter des Fachteams Forstbetrieb in Templin nahm sich Zeit, die Anlage und das „gläserne“ an der Produktion zu erklären. Das Wild, das direkt vom Feld kommt wird als schwarz bezeichnet. Hauptsächlich haftet Erde an. Nach der Säuberung des Schlachtkörpers kommt es in die „weiße“ Abteilung, die nicht nur baulich voneinander getrennt ist. Die Mitarbeiter dürfen von der schwarzen in die weiße Abteilung nur, nachdem sie Handschuhe, Schuhe und Kittel gewechselt und sich desinfiziert haben. Die Abteilungen haben auch ihre eigenen Messer. Strikte Trennung für höchste Qualität.
Jeden Abend wird die Anlage gereinigt. Das Mittel muss 15 Minuten einwirken und „es ist wie bei einem Schaumbad“, sagt Walter. Viermal im Jahr kommt der Veterinär für eine Tupferprobe vorbei, die chemisch und mikrobiologisch auf Keime untersucht wird. Zweimal im Jahr wird das Wasser kontrolliert und jeder Wasserhahn hat seine eigene Nummer. Zwar sei das Wasser generell in Ordnung, jedoch kann zwischen Wasserleitung und Grundstück auch einmal etwas passieren. Diese Kontrollen sind zusätzliche Qualitätsprüfungen.
Pflicht ist wiederum die ständige Messung der Temperatur entlang der Kühlkette.
Wildmarkenkennung
In diesem Jahr beginnt die Produktion mit den vereinbarten 40 Tonnen Wildfleisch. 80 Tonnen sollen es danach werden. Das ist der Bruttowert mit Haut und Haaren, von dem am Ende verarbeitete etwa 50 Tonnen herauskommen werden. Das sind bis zu 4.000 Stück Wild im Jahr. Damit nichts verwechselt wird, bekommen die Schlachtkörper „ihren“ Personalausweis.
Nach dem Schuss vom Hochsitz muss der Jäger bereits ein kleines Papier ausfüllen, den Wildursprungsschein, der vom Revierförster noch gegengezeichnet werden muss. Darauf bescheinigt der Jäger den guten Gesundheitszustand des Tieres, weil er der erste ist, der die Eingeweide in Augenschein nimmt. Er notiert sogar noch Datum und Uhrzeit des Schusses. Das Tier bekommt eine eindeutige Wildmarkenkennung abriebsicher angeheftet und ist damit bei der Warenannahme in Templin schon eindeutig erfasst. Am Haken gewogen geben die Mitarbeiter diese Kennung in den Computer ein, der automatisch das Gewicht über den Haken erfasst. Das Wild wird nach A- oder B-Qualität eingeschätzt. Qualität A ist Wildbret ohne Rücken- und Keulenschuss.
Die Daten werden in Echtzeit in den Lagerungsbestand im Forstbüro überspielt, so dass Michael Walter jederzeit auf eingehende Vorbestellungen und Wünsche reagieren kann. Mit einem Ausgangscode versehen, kann jede Keule praktisch bis zum Hochsitz zurück verfolgt werden, von wo sie erlegt wurde.
Nur die Frische zählt
Nur der Jäger versorgt auch das erlegte Wild fachgerecht. Stücke mit mehr als einem Schuss oder Unfallwild wird gar nicht erst angenommen. Das hat nicht nur mit dem Tierschutz zu tun, erklärte Walter Herd-und-Hof.de. Wildunfälle liegen oft mehrere Stunden im Graben, bis sie entdeckt und abtransportiert werden. In der Zeit haben sich Bakterien bereits mehrfach geteilt. Unfallwild gilt als nicht verzehrsfähig.
Am Ende der Verarbeitungskette geht das Fleisch aber nicht nur in die benachbarte Fleischfabrik, sondern wartet frisch vakuumiert oder tiefgefroren auch auf Selbstabholer.
Durch die Vielzahl an Wildarten ist das ganze Jahr über Saison und das Forstamt Templin hält ein Rezeptheft für Neugierige bereit.
Lesestoff:
Das Forstamt Templin können Sie unter www.mluv.brandenburg.de/forsten/afftemplin besuchen. Im Gegensatz zum Wild aus dem Wald gibt es auch noch die Gatterhaltung des Wildes, zu der das Forstamt Templin nicht in Konkurrenz treten will. Forschungen über die Gatterwildhaltung und noch mehr Links zum Thema Wild finden Sie hier.
Roland Krieg; Fotos: Wild: roRo; Vermarktungsgebäude: Heidrun Koch