Korrigiert das TTIP Welthandelsströme?

Handel

Die Größe von TTIP schürt Ängste

In den letzten Wochen waren die Medien voll mit Berichten über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Die Kommission glaubt an ein zusätzliches Wachstum von zwei Prozent, andere fürchten die Importwelle von gentechnisch veränderten Produkten. Allein: Auf beiden Seiten des Atlantiks haben die Verhandlungsgespräche noch gar nicht begonnen - und schon weiß jeder, wie es ausgeht.

Ausschuss-Entschließung

Am Dienstag war Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) oder auch Transatlantisches Freihandelsabkommen (TAFTA) Thema im EU-Handelsausschuss. Der Vorsitzende Vital Moreira, Sozialdemokrat aus Portugal und Berichterstatter, will eine eigene Entschließung formulieren, die als Ergänzung zum Europäischen Parlament die zentrale Rolle des Handelsausschuss betont. Der Ausschuss wolle die Gewaltenteilung nicht aufheben, möchte aber vor und nach den Verhandlungsrunden informiert werden. Unverhältnismäßig wäre die Formulierung einer Wunschliste, aber Gedanken und Bedenken sollten in die Verhandlungen einfließen dürfen.
Hintergrund ist der Wunsch, die Wirtschaft so früh als möglich in die Verhandlungen mit einzubeziehen. Die deutsche Christdemokratin Godelieve Quisthoudt-Rowohl begründet das mit den substanziellen Interessen der Einzelnen. So müssen die Unternehmer früh über mögliche Änderungen bei den Standards und Normen Bescheid wissen.
Helmut Scholz (Linksfraktion, Deutschland) legt den Fokus auf die Bürger, die nicht nur ein reines Investitionsabkommen haben, sondern auch kulturelle und Umweltaspekte berücksichtigt sehen wollen. Sie werden sich fragen, was das Abkommen ihnen persönlich bringt. Auch andere Ausschussmitglieder forderten transparente Verhandlungen.

Lebensmittelsicherheit

Schon im Voraus ist die Landwirtschaft einer der kritischsten Punkte. Elisabeth Köstinger, Christdemokratin aus Österreich, erinnert die Kritiker zwar daran, dass die USA nur die gentechnisch veränderten Produkte in die EU einführen dürfe, die auch zugelassen sind, aber das Abkommen dürfe nicht zu einer Aufweichung der Zulassungskriterien führen. Sie plädiert für die Aufnahme eines Passus zur Lebensmittelsicherheit.

Abkommen gleich Wachstum?

Jeden Tag überqueren Waren im Wert von zwei Milliarden Euro den Atlantik. Im Jahr 2011 haben die „bilateralen“ Investitionen 2.394 Billionen Euro betragen. Das TAFTA wäre das größte und umfassendste Abkommen in der Welt und wird seine Auswirkungen auf den Welthandel nach ziehen. Was Amerikaner und Europäer an Standards und Normen vereinbaren, werde Gradmesser für Unternehmer in anderen Teilen der Welt.
Für den EU-Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten beinhaltet das Abkommen eine Korrektur des Welthandelsgefüges. Die Warenströme verlagern sich vermehrt nach Asien und mit den BRICS-Ländern sind neue Akteure aufgetreten. TAFTA bietet eine Chance für die Wiederbelebung des alten transatlantischen Handelszentrums.
Yannick Jadot (Grüner aus Frankreich) steht den Wachstumsversprechen der Kommission skaptisch gegenüber. Das anvisierte Wachstum von zwei Prozent werde nicht allein durch eine Unterschrift unter dem Abkommen eintreten. Bislang wurden die meisten Wachstumsversprechen der Freihandelsabkommen nicht eingelöst. Daher solle das Ziel nicht im Abschluss des weltweit größten Abkommens, sondern in einem qualitativen Abkommen bestehen. Das berücksichtigt der Ausschuss mit dem Zusatz, dass Qualität über dem Zeitrahmen zu stehen habe – aber das sei auch kein Freibrief, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen.

Zeitplan

Derzeit könnte der EU-Rat ein tatsächliches Verhandlungsmandat im Juni erteilen. Dann könnten die Verhandlungen nach zwei Jahren durch das Europäische Parlament genehmigt werden. Diesem ambitionierten Zeitplan stehen aber die Verhandlungspositionen im Wege. Der deutsche Sozialdemokrat Bernd Lange forderte, auch die defensiven Verhandlungslinien zu formulieren. So tragen die Amerikaner offensiv die Wünsche vor, Hormonfleisch, geklontes Fleisch oder mit Chlor desinfizierte Hähnchen in die EU zu bringen. Bei allen Chancen durch das TAFTA, müsse auch diese Seite betrachtet werden.
Scholz plädierte für ein Mandat, das verantwortungsvoll mit dem Abkommen umgeht. Es werde mehr Einfluss auf den bestehenden multilateralen Handelsrahmen der WTO haben, als „normale“ bilaterale Abkommen. Außerdem sind einige Fallstricke zu beachten: Das TAFTA muss sich in das Abkommen mit Kanada einbinden lassen. Kanada und die USA haben im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA inklusive Mexiko) auch Regeln untereinander bestimmt, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die EU hat eine Zollunion mit der Türkei. Hier werden die Europäer mit den Amerikaner auch auf die türkischen Befindlichkeiten Rücksicht nehmen müssen. Sonst könnten über die EU unerwünschte Waren bis zum Bosporus gelangen.

Lesestoff:

Rindfleisch-Streit beigelegt

Gegenseitige Bio-Anerkennung

Wandel im transatlantischen Agrarhandel

Roland Krieg

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