Kostenstelle Gentechnik

Handel

„Schadensbericht Gentechnik“ vom BÖLW

Die Firma Frosta AG verwendet für einige Tiefkühlgerichte Reis aus Amerika. Um die Kunden kontinuierlich beliefern zu können, sind etwa 100 Tonnen eines Reisgerichts ständig auf Lager und noch einmal bis zu 300 Tonnen Reis als Rohstoff für die Menüs. Im Herbst 2006 musste der komplette Reisbestand ausgetauscht werden. Spuren des gentechnisch veränderten, aber nicht zugelassenen Langkornreis LL 601 waren in den USA in den Handel gelangt und auch in einem Frachtschiff in Rotterdam festgestellt worden. Nun hatte die Frosta zwar den Nachweis, dass ihr amerikanischer Reis einwandfrei gewesen ist, doch die Kunden wollten in ihren Menüs nur noch europäischen Reis haben. Von einem Tag auf den anderen, so Stefan Rother von der Frosta AG, musste der gesamte Reisbestand ausgetauscht werden. „Das wirkt auf die gesamte Firma“, sagte er heute Mittag in Berlin. Zusammen mit dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) stellte er die aktuelle Studie „Schadensbericht Gentechnik“ vor.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat am Mittwoch im Agrarausschuss vor möglichen Gefahren durch Gentechnik gewarnt. Dabei warfen Unionspolitiker der Präsidentin Beate Jessel vor, dass der Bericht keine wissenschaftliche Arbeit sei.
Das Positionspapier des BfN weist Literaturstellen aus, die belegen, dass konventioneller Anbau auch höhere Erträge erzielen kann als die Gentechnik. Wenn, so die Kritik des BfN, Ertragssteigerungen „durch Umstellung auf Monokulturen und gezielte Kreuzungszüchtungen (Hybriden) verschiedener Getreidearten realisiert werden“, führe das „zu einem höheren Inputbedarf an Dünger, Wasser und Pflanzenschutzmitteln.“
Das Positionspapier gibt es unter www.bfn.de

Dr Christoph ThenKosten nicht alle sichtbar
„Wir haben keine Kostenstelle Gentechnik“, so Rother. Der ganze Aufwand im Herbst 2006 wurde von anderen Kostenstellen abgedeckt. Das macht die Aufrechnung der Kosten für einen ökonomischen Nutzenvergleich nicht einfacher, doch hat sich Dr. Christoph Then von Scouting Biotechnology auf den Weg gemacht.
Auf 125 Millionen Hektar weltweit werden gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Der Anbau soll den Aufwand an Pflanzenschutz um 15 Prozent reduzieren, durch Rationalisierungseffekte auf den Betrieben Aufwände für so viele Feldfahrten einsparen, die dem Kohlendioxidausstoß von vier Millionen Pkw entsprechen und den Bauern ein Zusatzeinkommen von 27 Milliarden Euro generieren.
Dr. Then hat dem Nutzen aber nicht nur die höheren Kosten für das Saatgut gegenübergestellt, sondern auch die Kosten, die für Kontrollaufwände in den Laboren anfallen und aktuelle Schadensfälle wie den LL Rice 601 exakt durchgerechnet. Den Bauern bleiben nur die Rationalisierungseffekte und eine Ausfallversicherung bei starkem Schädlingsbefall. Unter normalen Bedingungen ohne Ernteausfall zehren höhere Saatgutkosten oder Reinigungen von Maschinen einen Mehrertrag schnell wieder auf.
Rechnet sich die Gentechnik schon bei den Bauern nicht im jedem Falle, so zieht die Lebensmittelindustrie überhaupt keinen Nutzen aus der Verwendung gentechnisch veränderter Lebensmittel. Sie hat wegen der Abgrenzung zum ökologischen Markt nur den Mehraufwand für getrennte Produktionswege, getrenntes Marketing und den Kontrollaufwand. Aus diesem Grunde wehre sich die amerikanische Lebensmittelindustrie gegen die Einführung von gentechnisch verändertem Weizen: „Es ist unrentabel“, so Then. Für Europa und Japan rechne die Agroindustrie einen jährlichen Mehraufwand von 100 Millionen US-Dollar im Jahr für koexistente Märkte.

Monsanto bis zum 31. März gefordert
In einem aktuellen Telefoninterview mit agrarheute.com hat Elisabeth Kühn vom Leipziger Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erneut bestätigt, dass ein Umweltmonitoring von Monsanto bei Einbeziehung des Tagfalter-Monitorings nach wie vor wenig Sinn ergebe. Das umstrittene Monitoring wurde beim Zulassungsantrag für MON810 eingereicht, bislang jedoch von den Behörden nie hinterfragt. Nun möchte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Zulassungsantrag erneut prüfen und hat Monsanto aufgefordert, bis zum 31. März einen Bericht über das Monitoring vorzulegen.

Traut sich keiner?
Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des BÖLW, findet es „schleierhaft“, dass sich angesichts der Kosten noch niemand von der konventionellen Lebensmittelindustrie hervorgewagt und diese beklagt hat. „Das Ergebnis der Studie ist so eindeutig, dass wir sie „Schadensbericht Gentechnik“ benannt haben“, so Löwenstein.
Bei den amerikanischen und kanadischen Bauern vermutet er ein risikoaverses Verhalten. Sie greifen auf die Gentechnik zurück, weil sie sich für das Jahr absichern wollen, in dem ein Schädling die ganze Ernte vernichtet. Dafür seien sie bereit, in den anderen Jahren höhere Kosten zu tragen. Unter sozio-ökonomischen Betrachtungen hätte keine gentechnisch veränderte Pflanze eine Chance zugelassen zu werden.

Gentechnik verblasst
Gerade für die Entwicklungsländer gibt es Stimmen und Studien, die angesichts knapper werdender Flächen und wachsender Bevölkerung die Gentechnik in das Lösungsrepertoire einbeziehen. Doch gerade dort werde die Gentechnik keine Rolle spielen, so Dr. Then zu Herd-und-Hof.de. Seit 20 Jahren hat die Gentechnik lediglich herbizidresistente Pflanzen hervorgebracht und sich für komplexere Aufgaben an Trockenstandorten und für die Nahrungssicherung nicht bewährt. Da greifen die Saatgutfirmen auf konventionelle Züchtungserfolge zurück. Das ist schneller und erfolgreicher.

Am Donnerstag haben Nichtregierungsorganisationen Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner in Berlin eine rückwärtslaufende Digitaluhr überreicht, um ihrer Forderung nach einem Aussaatverbot der Maissorte MON810 noch vor der Aussaat Mitte April Nachdruck zu verleihen. Die Aktion bildete den Auftakt einer bundesweiten Aktionskampagne. Auf der Nürnberger BioFach hatte die Ministerin angekündigt, ein Verbot zu überprüfen.

Bei den Haftungsfragen hat sich in letzter Zeit nicht viel geändert. Die ökologische Lebensmittelwirtschaft will nicht die aufgezwungene Kontrollkosten tragen. „Wir brauchen faire Voraussetzungen für die ökologische Lebensmittelwirtschaft“, forderte Peter Röhrig, Gentechnikexperte des BÖLW und formuliert damit eine Forderung aus der Studie.
Für Löwenstein kommt der Schadensbericht zur rechten Zeit, denn vor kurzem hat die EU Österreich und Ungarn das Selbstbestimmungsrecht nationaler Verbote zugestanden und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner wird die aktuelle Zulassung von Mon810 prüfen. In der Kritik steht auch das Zulassungsverfahren der EU, in das eine wirtschaftliche Bewertung aufgenommen werden soll.
Allerdings fiel auch noch eine Bewertung von Stefan Rother: Mit zunehmendem Abstand zu Deutschland wird das Thema weniger intensiv diskutiert. Doch für Deutschalnd komme die Studie zum richtigen Zeitpunkt, weil Handel und Verbraucher die Produkte nicht haben wollen und daher die Diskussion um die Kosten ein „skurriler Zustand“ sei.

Lesestoff:
Die detailreiche Studie „Schadensbericht Gentechnik“ kann unter www.boelw.de abgerufen werden.
Hipp hatte vor zwei Jahren angedroht, mit seiner Produktion auszuwandern, wenn er nicht mehr die Sicherheit hat, gentechnikfrei Rohstoffe zu bekommen.
Der Deutsche Bauernverband rät weiterhin seinen Bauern vom Anbau ab.

Roland Krieg

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