Label zwischen Sachinformation und Botschaft

Handel

+++ 14:30 UhrMigros kennzeichnet Produkte aus israelischem Siedlungsgebiet

Mehr als 400 Label gibt es in Deutschland. Manche sind einfach gestrickt und symbolisieren einen nur geringen Zuckergehalt, andere sind komplexer und werden wie das geplante Tierwohl-Label monatelang diskutiert. Eine neue geplante Produktinformation in der Schweiz führt die Kennzeichnung gleich direkt auf hohes diplomatisches Parkett.

Migros - Westbank

Die Schweizer Migros hat am Dienstag angekündigt, Produkte aus israelischen Siedlungsgebieten ab dem Jahr 2013 zu kennzeichnen. Der Schweizer Lebensmittelhändler führt einige Waren aus Siedlungsgebieten der Westbank und Ostjerusalem, die nach den Vereinten Nationen und Übereinkommen des Schweizer Bundesrates völkerrechtlich als illegal bezeichnet werden. Ohne nähere Kennzeichnung konnten Kunden bislang nicht feststellen, ob die Produkte aus Israel auch aus den Siedlungsgebieten stammen, begründet Migros den Herkunftshinweis.
Daher wollen die Schweizer Lebensmittelhändler mit einer entsprechenden Kennzeichnung ihren Kunden künftig mehr Transparenz bieten und wird Waren aus diesen Gebieten mit „Westbank, israelisches Siedlungsgebiet“ und „Ostjerusalem, israelisches Siedlungsgebiet“ kennzeichnen.

Heikles Label

Die Siedlungspolitik Israels ist ein heikles Thema, das Bundespräsident Joachim Gauck derzeit auf seinem Staatsbesuch in Israel angesprochen hat, ohne den Gastgebern vor den Kopf zu stoßen. Muss er sich demnächst mit der Gemüsekennzeichnung aus israelischen Siedlungsgebieten auseinander setzen?
Die Ankündigung der Migros hat in der Schweiz für Unverständnis gesorgt. Medien wie der Schweizer Tagesanzeiger sehen die Grenze zwischen Produktinformation und politischem Statement überschritten.
Die Schweizer führen in Deutschland überwiegend in Baden-Württemberg einige Filialen und wollen in Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern weiter expandieren. Käme dann die „Westbank-Kennzeichnung“ auch nach Deutschland?
Die Geschäftsführung der Migros Deutschland winkt gegenüber Herd-und-Hof.de am Telefon gleich ab und verweist auf die Schweizer Medienabteilung. Die war am Mittwoch einen ganzen Tag in Klausur.
Heute teilte Migros Schweiz Herd-und-Hof.de mit, dass die Kennzeichnung auch für die deutschen Filialen gilt, sofern die Lieferanten diese Herkunft entsprechend der Vorgaben mitteilen.

Hauptsache leserlich

Wie sich diese Kennzeichnung politisch in deutschen Regalen auswirkt bleibt offen. Die Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln richtet sich nach dem EU-Kennzeichnungsrecht, das in Deutschland nach Auskunft des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung umgesetzt ist. Demnach ist das Herkunftsland nicht zwingend anzugeben. Wird es aber verwendet, darf die Angabe nach § 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) den Verbraucher weder irre führen noch täuschen. Mehr Vorgaben braucht es nicht.
Für deren Umsetzung sind die Bundesländer verantwortlich. Also müssten dann Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Rechtskonformität der Herkunftsangabe überprüfen. Und haben ein politisches Gestrüpp vor sich. Ob das die Lebensmittelbranche braucht?

Roland Krieg

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