Ländlicher Raum II

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Regionalplanung von unten - neue Konzepte

Dr. Reinhardt Kubat, Bürgermeister von Frankenau in Nordhessen beschrieb auf der Folgekonferenz des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Cham den stattfindenden Paradigmenwechsel. In den 1990er Jahren begannen zuerst die Österreicher mit einer Regionalentwicklungsplanung. Das europäische LEADER-Programm diente noch vordergründig der Reparatur und orientierte sich an Parametern wie der Arbeitslosigkeit und Migration. In Deutschland gab die länderübergreifende Entwicklung der Rhön den Startschuss, dass der Staat Verantwortung abgibt und die Menschen entscheiden lässt, was für sie am besten ist. Das aktuellste Modell kommt aus Schleswig-Holstein.

Aktiv Regionen
Das zur Zeit wohl revolutionärste Programm kommt aus dem nördlichsten Bundesland und steht in den Startlöchern. Die Programmgenehmigung erhofft sich Hermann-Josef Thoben aus dem Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein für das dritte Quartal 2007. Im zweiten Quartal 2008 sollen die Regionen anerkannt sein.
Schleswig-Holstein räumt auf mit eigenständiger Dorferneuerung und Flurneuordnung. Das Land hat aus verschiedenen Programmen (LEADER, Ländliche Strukturentwicklung (LSE) und integrierte ländliche Entwicklung (ILEK) eine Analyse erfolgreicher Beispiele gemacht. Erfolgsgaranten waren Transparenz, Vertrauen der Akteure und Anreize zur Zusammenarbeit. Jetzt gibt das Land nur nich den Rahmen vor und überläßt den Akteuren den ganzen Spielraum. Der Clou: LEADER als Achse zur Förderung des ländlichen Raumes wird durch "Aktiv Region" ersetzt.
Achse 1 (Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft), Achse 2 (Umweltschutz) und Achse 3 (Diversifizierug) bleiben erhalten. Aus 11 Landkreisen hat Schleswig-Holstein 21 Regionen zwischen 50.000 und 100.000 Einwohner geschaffen, die bis auf einige Flecken am Rande Hamburgs das ganze Land abdecken. Diese Regionen erhalten nun ein Grundbudget und können sich über einen Qualitätswettbewerb weitere Fördertöpfe erschließen: ELER, GAK, ERFC, Landesmittel, aber auch rein landwirtschaftliche Programme wie Agrarumweltmaßnahmen oder KULAP.
Der zweite Clou: Über die Akteure Landesbauernverband und Landfrauen ist die Landwirtschaft mit ihren Belangen aktiv vertreten. Die drei Ämter für den ländlichen Raum verwalten das Budget. Was, wie und mit welchen anderen Mitteln gemacht wird, entscheiden die regionalen Akteure.

Grenzen
Damit liegt die Hoffnung auf den Mitspielern, die auch mit dem Ergebnis auskommen müssen. Erfolgreiche Beispiel aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass der Erfolg nicht von einem bestimmten Programm oder der Höhe eines Budgets abhängt. Bürgermeister Dr. Kubat hält es auch für falsch, Direktzahlungen an die Bauern gegen die zweite Säule Förderung des ländlichen Raumes auszuspielen.
Ganz so einfach ist es aber nicht, wie die Diskussion zeigte. In der Verwaltung gibt es Ängste, dass Regionalmodelle eine Verwaltungsreform durch die Hintertüre einführen. Die meisten Bauern halten gerne an den traditionellen Förderstrukturen fest und für Klaus Hofbauer, MdB und Vorsitzender der CSU-Landesgruppe ländlicher Raum, gibt es immer noch zu viele Förderprogramme. Hinzu gesellen sich immer wieder regionale Einzelprogramme, die der Übersicht nicht förderlich sind. Probleme und Misserfolg, so Hofbauer, entstehen durch mangelnde Umsetzungsrealität. Dahinter steht allerdings auch der Mensch als Akteur.
Prof. Dr. Günter Kroes von der Universität Dortmund forderte, dass über den Finanzausgleich mehr Geld in die Regionen gehen muss: "Es kann kein zentrales Förderprogramm geben."
Das die Kommunen mehr Geld erhalten sollen, darüber waren sich alle einig. Da die Verteilung der Gelder durch die EU bis 2013 abgeschlossen ist, geht es bereits um die Ziele ab 2014. Hofbauer drängt auf Klarheit, da dieser Haushalt bereits 2008 gemacht wird. Über den nationalen Verteilungsschlüssel der Steuergelder entscheidet die Föderalismuskommission, die schon vorher die Weichen für den Geldfluss stellen kann.

Zeit und Hoffnungslosigkeit
Es gibt noch weitere Grenzen. Der Landkreis Cham hat für seine Entwicklung 20 Jahre gebraucht. Der ländliche Raum ist für die Nachfolgegeneration zu gestalten. Und es gibt Dörfer, bei denen jeglicher Ansatz fehlt. Ein Bürgermeister aus Thüringen beschrieb die Lage seines Dorfes: Gebäudeleerstand im Dorfkern, fehlendes Gewerbe, die Jugend fehlt. Prof. Kroes hielt in seiner Analyse über das Modellprojekt "Regionen aktiv" fest, dass oftmals nur die Förderwilligen gefördert werden. Die Förderungsbedürftigen "fallen oft hinten runter". Man könne zwar nie alle erfassen, aber ein "Wettbewerb der Verlierer" sei durchaus vernünftig.

Die "Chamer Erklärung"
Dr. Gerd Müller, Theo Zellner und Klaus Hofbauer haben zum Kongress mit der Chamer Erklärung die neue Zielsetzung formuliert. Es bedarf "neuer, aber auch unkonventioneller Lösungen. Dies ist nicht nur eine Frage des Geldes oder von Fördertöpfen. Es ist vor allem eine Frage von Eigenverantwortung und Eigenanstrengungen der Verantwortlichen vor Ort." In acht Punkten stellen die Politiker ihre Forderungen an die Politik. Die Landwirtschaft "als prägendes Element steht auf Platz 7.

Lesestoff:
Der erste Teil des Artikels beschrieb das Erfolgsmodell des Landkreises Cham. Auch wenn das schleswig-holsteinische Modell noch nicht angelaufen ist, so gibt es Hintergründe und den aktuellen Stand der Umsetzung auf www.aktivregionen-sh.de. In Cham gab es am Nachmittag noch zwei weitere Arbeitsgruppen, die sich parallel der "Good Governance" und den "Erfolgreichen Unternehmen" widmeten. Zusammen mit der Chamer Erklärung finden Sie Dokumente unter www.bmelv.de

Roland Krieg

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