Land: Wo ist der Schlüssel zum Erfolg?

Handel

Nachhaltige Entwicklung in ländlichen Räumen

Ländliche Räume divergieren. Die einen entwickeln sich und schaffen Wohlstand, die anderen entleeren sich. Gerade jetzt, da die Töpfe für die neue Förderperiode bis 2013 noch voll sind, veranstalten die Berliner Agro-Öko-Consult, die Stettiner Business-Schule und der Verband für nachhaltiges Umweltmanagement in der Heimvolkshochschule am Seddiner See eine internationale, zweitägige Tagung zur nachhaltigen Entwicklung in ländlichen Räumen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gab in seinem Grußwort die Richtung vor: Erfolgreiches Wirtschaften ist ohne Klima- und Umweltschutz nicht möglich. Die Zukunftsmärkte sind grün.

Überall das gleiche Thema
Was Brandenburg vor kurzem gestartet hat, ist ein internationales Thema. Nahezu identisch skizzierte Prof. Dr. Rafal Bis von der Business Schule Stettin die gleichen Anforderungen für die Wojewodschaft Westpommern, dem Nachbarn Brandenburgs. Die polnische Wirtschaft entwickelt sich mit einem Wachstum von sechs Prozent gut und sorgt für steigende Einkommen, dessen Durchschnitt mittlerweile bei rund 700 Euro liegt. Die Summe von 15 Milliarden Euro Auslandsinvestitionen ist höher als in Ungarn und Tschechien zusammen. Die Arbeitslosenquote ist in den letzten Jahren von 20 auf 12 Prozent gesunken und Billiglöhne werden für Polen uninteressant.
Das Wachstum ist aber ungleich verteilt und gerade auf dem Land gibt es noch größere Defizite als in den abseits gelegenen Regionen Deutschlands. Die polnischen Betriebe sind mit durchschnittlich 7,6 Hektar Betriebsfläche besonders klein. Dort arbeiten dreimal mehr Menschen als im europäischen Vergleich und fast die Hälfte der Polen lebt auf dem Land. Die EU und Polen haben für die Entwicklung der ländlichen Räume ein Fördervolumen von 17,23 Mrd. Euro aufgelegt.
Prof. Bis zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden am Beispiel des Grenzortes Kolbaskowo. Der Gemeinde kommen Immobiliensteuer, Agrarsteuer und Forststeuer direkt als Steuerungselemente zugute. Die Gemeinden müssen einen Entwicklungsplan aufstellen und Kolbaskowo bietet neben dem Ausbau und der Erneuerung der technischen und sozialen Infrastruktur sowie der Ausbildung eine Datenbank für Dienstleistungen, Produktionsbetriebe und Arbeitspotenzial für die grenzüberschreitende Wirtschaft an. Die Gemeinde hilft bei der Suche nach geeigneten Grundstücken für Investoren, die bei Bedarf auf eine verminderte Immobiliensteuer hoffen dürfen. Mit Hilfe des Staates werden Existenzgründerzentren aufgebaut. Allerdings wurde auch klar, dass der Grenzraum an der Oder noch weit von vergleichbaren Entwicklungsräumen im Westen entfernt ist. Das Saarland und Frankreich oder die Benelux-Länder und NRW weisen einen intensiveren Austausch auf. Nach Prof. Bis sind noch über die Hälfte der Berlin-Brandenburger nie in Polen gewesen. Nur die Minderheit der Deutschen kann einige Sätze in der polnischen Nachbarsprache sprechen. Dabei entwickeln sich auf polnischer Seite gerade die Grenzstandorte besser als die weiter entfernten.

Mehr Geld für LEADER
Staatssekretär Dietmar Schulze aus dem Brandenburger Agrarministerium skizzierte noch einmal die Brandenburger Förderschwerpunkte und betonte, dass LEADER der ELER-Förderung zugeordnet wurde. ELER ist kein Strukturfonds mehr, sondern ein Monofonds.
Die Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter bemängelte, dass die Bundesländer LEADER noch zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Jeder Förderschwerpunkt muss mindestens fünf Prozent für die Methodik des LEADER-Ansatzes beinhalten – kann aber auch wesentlich mehr sein. Die Länder zögerten, so Schroedter, weil sie mit diesem Ansatz Entscheidung in die Regionen abgeben. „LEADER ist die Basis für den ländlichen Raum“ und stellt das „Wissen vor Ort“ dar. Die Menschen und Gruppen wüssten am besten, was ihnen hilft. Die ökonomische Dorfentwicklung sei wirtschaftlich günstiger als die Entwicklung zu einem Museumsdorf.

Pretschen (Dahme-Spreewald)
(291 Einwohner; Gemeinde 17 km2; weniger Junge
und mehr Ältere als im Landesdurchschnitt)

Einmal im Monat treffen sich Dorfbewohner zum öffentlichen Wirtschaftstammtisch. Im Zeitablauf haben sie einen Hofladen mit ökologischen Produkten aufgebaut, den Anschluss an den Spreewaldtourismus (im Kahn in den Spreewald) gefunden und den Dorfgasthof als soziales Zentrum aufgebaut. Aus einer Zusammenarbeit zwischen Gastwirt und Ökobauer entstand Brandenburger Bio-Eis und als nächstes ist die Renaturierung der Spree in Planung.
Das lebendige Dorf hat in seinem Gutshof eine Brennerei, ein technisches Museum, das Dorf eine Festwiese mit Strohfest und Storchennest und eine Gänse- und Gesundheitswiese.
Selbstdarstellung Pretschen

Den Norden von Irland führt Schroedter als positives Beispiel an, wie eine arme Region mittlerweile durch das Engagement der Menschen vor Ort zu einer Zuwanderungsregion geworden ist.

Ideen sind gefragt
Die Wirtschaft braucht zum prosperieren Erfolg. Brandenburg lockt die Metropole Berlin im Herzen des Landes. Doch wie kommt man dahin?
Verbraucher fragen vermehrt nach regionalen und nachhaltigen Produkten des Biosortiments. Die Anuga ist für Dr. Gerd Lehmann, Geschäftsführer pro agro eine Bestätigung gewesen, auf dem richtigen Weg zu sein. Seit sechs Wochen gibt es von 10 Brandenburger Erzeugern 52 Produkte, davon 40 Bioprodukte als „Starterset“ in zwei Berliner Supermärkten unter der Marke „von hier“. Die Berliner Konsumenten wissen woher Produkte dieser Marke stammen, dass sie Arbeit in der Region schaffen und aus einer gesunden Umgebung kommen, die man am Wochenende sogar besuchen kann. Ein erster Kassensturz zeigte, dass in sechs Wochen rund 200.000 Euro Umsatz erzielt werden konnten.
Unter dem Dach einer Marketing GmbH sind Erzeuger und vor allem gesellschaftliche LEADER- und Agenda 21-Gruppen aus Berlin und Brandenburg zusammen geführt. Sie sind „die Seele“ des Projekts, weil sie den Konsumenten die notwendige Transparenz bieten, den Mehrwert beim Kauf auch tatsächlich umzusetzen.
Das Projekt startet günstig, weil sowohl Kaiser´s als auch Mema auf Werbekostenbeteiligung und Listenpreis verzichten. Allerdings ist die Präsentation des Warenaufstellers in den Geschäften unterschiedlich präsent. Zur Verbesserung sollen demnächst einige Gruppen Patenschaften für einzelne Supermärkte übernehmen.

Chance Mehrwert
Zum einen gibt es außerhalb der Landwirtschaft Betriebszweige, die eine höhere Wertschöpfung aufweisen, zum andern will die EU mit der zusätzlichen Modulation mehr Geld in die Entwicklung des ländlichen Raums stecken. Darüber sprach Herd-und-Hof.de mit Dr. Lehmann von pro agro.
Die Landwirtschaft hat in Brandenburg den Standortvorteil, dass sie die einzige flächendeckende Branche ist. Daher will das Wirtschaftsministerium mit 16 Kompetenzzentren gerade die Ernährungsbranche verstärkt vernetzen. „von hier“ brauche keine weitere Leberwurst mehr, sondern neue Wellness- und Gesundheitsprodukte. Die Landwirtschaft selbst ist mit ihrer Wertschöpfung ausgereizt und schafft kaum noch neue Arbeitsplätze. Und weil Brandenburg Defizite in der verarbeitenden Industrie aufweist, bietet sich hier ein neues Betätigungsfeld an. Zudem, so Dr. Lehmann, brauche man gar nicht erst versuchen, mit ukrainischem Weizen zu konkurrieren. So gesehen komme die Stärkung der zweiten Säule der Seele der Marke „von hier“, den Akteuren im ländlichen Raum, zugute und indirekt der Landwirtschaft.
Wie sich das ausgleichen würde, bleibt offen. Bernd Schütze vom Landwirtschaftsamt Teltow-Fläming hat bereits ausgerechnet, dass die Direktzahlungen für seinen Landkreis in Höhe von 28 Millionen Euro, um 11 Millionen gekürzt würden. 11 Mio. mehr für die zweite Säule? Die Fläming-Skate südlich von Berlin hat im Laufe der Zeit bis zu 13 Millionen Euro Privatinvestitionen nach sich gezogen. In den Dörfern entlang der Strecke.

Hier geht es zum zweiten Teil.

Roland Krieg

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