Landwirtschaft bedeutend für das Zwei-Grad-Ziel
Handel
Emissions Gap Report der UNEP
Ein weiteres Alarmsignal nach dem letzten IPCC-Bericht zum
Klimawandel zeigt eine Woche vor Beginn der Klimaverhandlungen in Warschau der
Emissions Gap Report der UN-Umweltorganisation UNEP, der am Dienstag in Berlin
vorgestellt wurde. Dieser 4. Lückenreport vergleicht die seit Kopenhagen festgelegten nationalen
Reduzierungsziele für Treibhausgasemissionen mit den tatsächlichen Rückgängen
und will als Metaanalyse von internationalen Wissenschaftlern den Fortgang des
Erfolges aufzeigen.
Nur gibt es derzeit noch keinen Erfolg, denn das
Volumen der weltweiten Treibhausgasemissionen bleibt auf Rekordniveau und die
Zuwächse verlangsamen sich derzeit lediglich [1].
Treibhausgaslücke
Die anthropogen verursachte Klimaerwärmung wird Existenz
bedrohend, denn eine Welt mit einer um vier oder mehr Grad Celsius erhöhten
Durchschnittstemperatur kann sich niemand wirklich vorstellen. Ziel soll die
Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen sein, so dass sich ein noch
beherrschbares Klima von Plus zwei Grad einstellt. Dafür wurde ein Emissionsszenarium entworfen,
dass für das Jahr 2020 einen Ausstoß von jährlich 44 GtCO2e
vorsieht. Alle Treibhausgase sind dabei auf ein Kohlendioxid-Äquivalent
umgerechnet worden. Joseph Alcamo, Chef-Wissenschaftler der UNEP vergleicht das
mit einem Haushaltsbudget. Generell können die Menschen heute noch viel CO2e
ausstoßen und müssen sich später drastischer einschränken, oder sie emittieren
heute sparsam und können das noch etwas länger tun. Eine Frage, was wir unseren
Kindern zumuten wollen. Doch schon heute liegt der jährliche Ausstoß bei 50 GtCO2e
und damit über dem Budget von 2020. Würden die Emissionen von heute aus weiterlaufen,
dann läge die Welt am Ende mit 12 GtCO2e deutlich über dem Budget. Das
ist das „Emission Gap“, das noch geschlossen werden muss. Die UNEP hat aber
auch die Klimaversprechen der Länder untersucht: Würden sie eingehalten, ergibt
sich eine Lücke: Acht GtCO22 im Jahr.
Jochen Flasbarth vom Umweltbundeamt kommt zu dem
eindeutigen Ergebnis: „Die Klimamaßnahmen sind schlicht unzureichend!“.
Kostenoptimiert oder kostspielig?
Es geht dabei nicht nur um das Zwei-Grad-Ziel und den
Klimaschutz. Es geht auch um die Finanzen und den Schaden, der entsteht. Eine
Welt mit mehr als 2 °C ist deutlich teurer als die heutige. Die
Vermeidungsmaßnahmen haben daher eine ökonomische Komponente und die 44 GtCO2e
für das Jahr 2020 sind „kostenoptimiert“, so Flasbarth. Wenn die
Staatengemeinschaft erst danach das Temperaturziel erreichen will, dann wird es
erheblich teurer und unsicherer.
Trotz Überstrapazieren des Emissions-Budgets ist das
Ziel 2020 noch erreichbar. Alleine Energieeffizienz kann die Lücke um zwei GtCO2e
reduzieren. Beleuchtung verbraucht rund 15 Prozent des Energiekonsums und trägt
zu fünf Prozent an den Treibhausgasen bei. Bereits 40 Länder haben sich der
weltweiten „en.lighten“ – Initiative angeschlossen und setzen auf
Energiesparlampen [2].
Bis zu drei weitere GtCO2e können durch
internationale Energieinitiativen eingespart werden. Flasbarth unterstreicht
hierbei den Club der Energiewendestaaten von Bundesumweltminister Peter
Altmaier als Vorbildfunktion.
Weitere zwei GtCO2e können durch den Abbau von
Subventionen für fossile Energien eingespart werden.
Frage der Technologie?
Der Bericht zeigt zahlreiche Wege auf, die Klimaziele
zu erreichen. Einige verweisen auf die Technologie des Auffangens und der
Speicherung von Kohlendioxid (CCS – Carbon Capture Storage), das in Deutschland
höchst umstritten ist. Im Umweltausschuss des Europaparlaments wurde am Montag
über einen neuen Initiativbericht kontrovers diskutiert, der die
CCS-Technologie noch einmal besonders
fördern will. Zehn MillionenTonnen CO2 sollen pro Jahr gespeichert werden
können. Doch die Kritiker sehen nicht nur die Vorteile. Zwar würden Stahl- und
Zementindustrie kaum auf andere Alternativen zurückgreifen könne, doch Bas Eickhout von den
niederländischen Grünen, argwöhnt, dass die CCS-Technologie von der
Kohleindustrie „gekidnappt“ wird, um länger ihren fossilen Energieträger
vermarkten zu können.
Die UNEP sieht es vergleichbar kontrovers. Niklas
Höhne, Energiedirektor von Ecofys und Professor an der Universität Wageningen,
erläuterte gegenüber Herd-und-Hof.de, dass die CCS-Technologie zu einem
individuellen Reduzierungsmix gehören kann. Doch die Technik sei weder so
preiswert noch so sicher, wie sie angepriesen werde. Wenn die Länder aber
warten, mit einfachen und kostengünstigen Methoden ihre Emissionen zu
reduzieren, dann bleibe später nur noch die CCS-Technologie als Alternative für
einen lebensfähigen Planten übrig.
Achim Steiner, Exekutivdirektor der UNEP ergänzt, dass
die Technologie nicht verworfen werden sollte. Es gebe aber zahlreiche
Alternativen, um die gleichen Ziele zu erreichen. Es wäre zu einfach, die
Klimafrage auf eine einzelne Technologie zu reduzieren. Das verschleiere den
Blick auf einfache und effiziente Lösungen. Wie der in der Landwirtschaft.
Game Changer Landwirtschaft
Der vierte UNEP-Bericht legt einen Schwerpunkt auf die Landwirtschaft. Ganz im Vordergrund steht der pfluglose Anbau. Untersuchungen in Argentinien haben gezeigt, das für die konventionelle Getreideproduktion mit Pflugfurche rund ein Liter Diesel je 50 Kilogramm Getreide notwendig sind. Wird aber auf den Pflug verzichtet, dann können mit einem Liter Diesel 123 Kilogramm Getreide geerntet werden. Ohne Pflug wird das Bodenleben nicht gestört, was vor allem die Stickstoff-Emissionen deutlich reduziert. Waldwirtschaft und effiziente Reisproduktion mit weniger Wasser und Nährstoffen summieren das Einsparpotenzial aus der Landwirtschaft auf bis zu 4,3 GtCO2e pro Jahr.
Klimamüdigkeit?
Es mehren sich die Stimmen, die dem Klimawandel skeptisch gegenüberstehen. Viele Diskussionen machen auch die Befürworter für einen Umstieg in eine biobasierte Wirtschaft müde. Doch vor allem junge Menschen sind die Treiber des Wandels, sagt Mónica Araya aus Costa Rica. Sie ist Direktorin von Nivela, einem Think Tank der Länder mit mittlerem Einkommen. Die junge Generation misstraut mittlerweile nicht nur der Politik, sondern auch den traditionellen Medien. Sie treiben die Diskussion über die sozialen Netzwerke rund um den Erdball richtig an. Sie sind diejenigen, die emissionsintensive Infrastruktur und Wirtschaft zunehmend ablehnen.
Gesparte Kosten
Joseph Alcamo gab bereits einen Ausblick auf den
nächsten Bericht im Jahr 2014. Der werde sich mit den Anpassungskosten an den
Klimawandel beschäftigen, damit die ökonomische Dimension des Klimawandels sichtbarer
wird. Dann sind ja auch noch sechs Jahre Zeit, die Emissionsziele bis 2020
einzuhalten.
Anpassungskosten für Afrika beispielsweise werden mit
jährlich 150 Milliarden US-Dollar beziffert – sofern die Erwärmung nicht über 2
°C geht. Sollte dieses Ziel deutlich verfehlt werden, dann kämen bis 2070 auf
den Kontinent jährliche Kosten in Höhe von 350 Milliarden US-Dollar zu.
Lesestoff:
The Emissions Gap Report 2013 finden Sie auf der Seite der UNEP: www.unep.org
[1] Rekordemissionen wachsen langsamer
[2] www.enlighten-initiative.org
Roland Krieg