Langer Erdbeergenuss 2008

Handel

Die Königin des Beerenobstes startet in die Saison

Bereits in der Steinzeit haben die Menschen Erdbeeren gesammelt. Sie fanden allerdings nur die Walderdbeere Fragaria vesca, die später von den Römern Virgil, Ovid und Plinius gewürdigt wurde. Für Gegenspieler Miraculix war die Walderdbeere ein wesentlicher Bestandteil des Zaubertranks (s. Band 1) – hat aber mit der heutigen roten Frucht außer der Namensgebung nicht viel gemein. Die Lateiner verstanden es, sie mit dem mystischen Namen „essbaren (versusa) Duft (fragantia)“ in den kulinarischen Adelsstand zu heben.

Beliebte Sammelnussfrucht
Unsere heute bekannte große Gartenerdbeere ist eine Kreuzung zweier amerikanischer Wildsorten. Die Scharlach-Erdbeere Fragaria virginiana brachten kanadische Aussiedler nach Europa mit. 1712 hatte der Franzose Frézier die Fragaria chiloensis aus Lateinamerika im Gepäck und um 1750 entstand in Amsterdam die Basiskreuzung Fragaria x ananassa die, wir heute als Erdbeere kennen. Der verführerische Name blieb.

Erdbeeren

Die Erdbeere ist ein Rosengewächs und bildet ihre Früchte aus dem fleischig werdenden Blütenboden. Es handelt sich also botanisch nicht um eine echte Beere, sondern um eine Sammelnussfrucht. Um 1850 wurde sie in größerem Maßstab in Baden angebaut.
Entlang des Rheins befinden sich auch die Hauptanbaugebiete. 2007 wurden 154.000 Tonnen Erdebeeren von 12.900 Hektar Fläche geerntet. Niedersachsen liegt mit 2.800 ha vor Nordrhein-Westfalen mit 2.500 ha und Baden-Württemberg (2.340 ha). Innerhalb der letzten 15 Jahre ist der Erdbeeranbau in Deutschland kontinuierlich ausgeweitet worden, stellte Eva Würtenberger, Beerenobstexpertin der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) beim Saisonstart am Mittwoch in Berlin fest. Seit 1995 ist die Anbaufläche um 73 Prozent größer geworden.
Möglich wird das durch die steigende Nachfrage bei Verbrauchern. Drei Kilo Erdbeeren wandern pro Jahr in jeden Haushalt.
In diesem Jahr verlief der April normal, so dass gegenüber 2007 mit einem normalen Saisonverlauf gerechnet werden kann. Die unterschiedlichen Anbautechniken können daher ihre vollen Potenziale ausspielen und den Verbraucher ab Anfang Mai bis Ende Juli bescheren. Neue Sorten erschließen sogar noch neue Erntemonate von August bis Oktober, so dass fast ein dreiviertel Jahr lang heimische Ware zum Verbraucher gelangt, freut sich Ulrich Herm von der Erzeugerorganisation Landgard.

Anbau: Das volle Programm
Die Landgard Sparte Obst und Gemüse aus Bornheim bei Bonn vereint 700 Obst- und Gemüseproduzenten. Erdbeeren gehören zu den Hauptprodukten. Genauso wie bei Spargel helfen schwarze Folien, die Erdbeeren früher auf den Markt zu bringen. Werden die Stauden im Winter mit Stroh abgedeckt, dann hält sich die Pflanze über das Frühjahr im vegetativen Zustand und blüht erst im Juli. Jede Staude blüht einmal und trägt bis zu 50 Früchte, die sorgsam per erfahrener Handarbeit selektiv mehrmals nach Reifegrad beerntet werden muss.
Biene an ErdbeerblüteAlleine die Verfrühung und Verspätung hat die normale vierwöchige Erdbeersaison schon auf drei Monate ausgedehnt. Der neueste Trend im Rheinland: Erdbeeren in Töpfen im Gewächshaus. Beste Bedingungen für die Fragaria-Sorten, die auf Dünger, Wasser und Witterung sensibel reagieren. Jedes Gewächshaus hat einen eigenen Bienenstock, denn ohne die fleißigen Insekten geht bei der Erdbeere gar nichts, so Herm.
Wer sich keine teuren Gewächshäuser leisten kann, der greift auf Folientunnel zurück, die rund 2.50 Meter groß sind und fünf Reihen Erdbeeren beherbergen. Zwischen den Reihen liegt Stroh, dass unerwünschte Pflanzen und Kräuter unterdrückt, sowie den Staub aus der Luft bindet. Saubere Früchte bereits am Stiel. Allerdings entscheiden sich die Bauern vor allem wegen der Wetteunbilden für den Folientunnel. Gewitter und Starkregen haben in den letzten Jahren zugenommen und manchen Erntetraum zermatscht.

Selbstpflücke geht zurück
Einen Wermutstropfen hat die Saison 2008 allerdings auch. Um rund neun Prozent ist die Anbaufläche zurückgegangen, so Eva Würtenberger. Im letzten Jahr sind einige Flächen gar nicht beerntet worden, denn die Saisonarbeiter kamen nicht so zahlreich wie vorher. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in andern Ländern lockt die ausländischen Saisonarbeiter, die zudem durch die Wohlstandsentwicklung bei sich zu Hause höhere Löhne fordern. Weiterhin gibt es zu wenig motivierte heimische Helfer.
So einfach ist die Ernte schließlich nicht. Durch die Qualitätsanforderungen bei Landgard kommen nur die ausgereiften Erdbeeren gleich in die Verpackung, die dann direkt zum Kunden geht. Durch die zeitversetzte Reife an der Staude, darf die Ernte der ersten Früchte nicht gleich die Staude zerzausen.
Aus diesem Grund ist auch er Boom der Selbstpflückzeiten vorbei, sagte Ulrich Herm zu Herd-und-Hof.de. Die Konsumenten wollen nicht mehr so wie früher, und die zerzausten Felder sind bei den Bauern unbeliebt. Meist holen sich die Verbraucher die Erdbeeren direkt vom Hofgeschäft. Kleine Felder zum selber ernten sind manchmal noch dabei.

Gesunde Nascherei
Weil die Erdbeeren im ausgereiften Zustand geerntet werden, sind alle Aromastoffe, Mineralien und Vitamine wie beim Apfel gleich im Endprodukt enthalten. Christian Zeisberger von der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) hebt besonders den Folsäuregehalt hervor. Das wasserlösliche Vitamin ist für die Blutbildung und die Zellerneuerung verantwortlich, wird aber über die Niere leicht wieder ausgeschieden. Deshalb sollen Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch auf ausreichende Folsäureaufnahme achten. In diesem Jahr können sie sich auf eine lange Frischesaison der Erdbeeren freuen. Mehr Vitamin C als in Orangen und Zitronen gibt es obendrein.
Wenn Sie frische Erdbeeren kaufen, dann achten Sie darauf, dass keine weißen Spitzen vorhanden sind, die Blütenkelche sich leicht abdrehen lassen und keine Schädigungen vorhanden sind, rät der Marketingexperte. Discounter können bei dieser frischen Ware nicht punkten.
Allerdings könnte die junge Generation mehr zur Erdbeere greifen. Nur jeder Dritte Erdbeerkonsument ist jünger als 39 Jahre. Um das zu ändern hat die CMA eine neue Broschüre mit Produktkunde und Rezepten aufgelegt. Außerdem veranstaltet die CMA noch so genannte Einmachpartys, bei der das traditionelle Einkochen wieder belebt wird. Die Erdbeere steht dabei ganz oben auf der Einkaufsliste. Auf ihrer Internetseite hat die CMA über 170 Rezepte zusammengestellt.

Die richtige Sortenwahl
Der Erdbeerkauf ist nicht unbedingt eine Sortenwahl. Die meisten werden kaum eine Sorte kennen. Am meisten angebaute wird in Deutschland die saftige „Elsanta“. Durch die Saisonverlängerung laufen die heimischen Sorten den Importen den Rang ab. Nur noch jede Dritte Erdbeere kommt aus dem Ausland. Ulrich Herm weist darauf hin, dass die Exportware besondere Ansprüche stellt, denn so ist beispielsweise ein Kühlwagen aus Almeria bis zu 36 Stunden auf der Autobahn. Die Importerdbeeren sind meist bissfester.

Essbarer Duft

Ältere Verbraucher erinnern sich an „Mieze Schindler“, die als „Vorzeigeerdbeere“ gilt, so Herm zu Herd-und-Hof.de. Das Julius-Kühn-Institut versucht gerade die „robusteren“ Erdbeersorten wieder mit den alten aromareicheren zu verbessern. Neben den Züchtern in Pillnitz sind die Holländer an den neuen Sorten dran. Landgard nutzt bereits die Erkenntnisse, denn die Sortenwahl ist für den Verkaufserfolg von besonderem Interesse. Allerdings kann es bis zu fünf Jahren, bis sich eine neue Sorte am Markt etabliert hat. Im Rheinland gilt die Sorte „Sonata“ als Geheimtipp, verrät Herm.

Lesestoff:
Die CMA bietet alles rund um die Erdbeere rund um die frisch gestaltete Seite www.cma.de/erdbeere

Roland Krieg; Fotos:; Biene an Erdbeerblüte: Landgard; Erdbeeren: roRo

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