Lidl - DBV 1:0
Handel
Discounter am ErlebnisBauernhof
Seit Beginn der Internationalen Grünen Woche rumort es auf den Gängen leise vor sich hin. Der ErlebnisBauernhof in Halle 3.2 ist unter dem Funkturm eine werbestarke Verbindung mit Lidl eingegangen.
Verbraucherschützer sähen den Auftritt des Discounters lieber in der Marketinghalle 20 der CMA. Schließlich wird es auch in diesem Jahr wieder zahllose Veranstaltungen der offenen Hoftüren, Erntedankfeste und Landausflüge geben, die lieber das Bild der Regionalvermarktung und des überschaubaren Einzelhandels pflegen. Wer seine Kinder zum Melkwettbewerb in das Heuhotel schickt, möchte nicht, dass es beim Discounter herauskommt.
Es wird auch vermutet, dass dieses Engagement dem Nothaushalt der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) gerade recht kommen könnte. Die CMA ist zusammen mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) einer der Träger des Bauernhofes.
Gerade Lidl galt lange Zeit als das schwarze Schaf des Lebensmittelhandels schlechthin, weil Obst und Gemüse immer wieder Rückstände von Pflanzenschutzmittel aufwiesen und die Gewerkschaft die Arbeitsbedingungen und Mitarbeiterführung bemängelten. Wird Lidl jetzt zum Musterknaben, dem die Lebensmittel Zeitung zur Eröffnung der Grünen Woche ein Musterzeugnis ausstellen musste?
Transparenz und Qualität
Herd-und-Hof.de hat gestern bei Thomas Oberle nachgefragt, warum sich Lidl für ein Engagement mit dem ErlebnisBauernhof entschieden hat. „Transparenz, Frische und Qualität“, so die Antwort des Pressesprechers. Das wolle Lidl den Verbrauchern vom Acker bis zur Ladentheke nahe bringen und bietet neben einem Supermarkt mit 400 Produkten Informationsstände zur Apfelsaft- oder Butterherstellung. „Verbraucher stellen immer mehr die Frage, wo die Milch herkommt, wer ist der Hersteller und wie ist die Qualität“, sagte Thomas Oberle.
Lidl ist Teil der Neckarsulmer Schwarz-Gruppe, feilt seit einem Jahr an seinem Image, um das düstere Bild der Vergangenheit loszuwerden. Als erster Discount haben die Süddeutschen im vergangenen Jahr auch Transfair-Produkte gelistet. Der Lidl-Markt auf der Grünen Woche bietet nach Angaben Oberles einen gesamten Querschnitt durch das Warensortiment. Wert legt der Pressesprecher darauf, dass die Produkte zum übergrößten Teil aus Deutschland stammen, was in großen Lettern auch außen an der Marktwand steht.
Wäre das Engagement nicht eher passender für die Marketinghalle der CMA als hier? Thomas Oberle verneint: „Der ErlebnisBauernhof ist dafür prädestiniert.“ Der Bauernhof sei in der Verbrauchergunst gut eingeführt und die Halle sehr beliebt. Die Idee sei im vergangenen Jahr bei einem gemeinsamen Gespräch mit dem Bauernverband entstanden.
Am 05.09.2006 traf sich Bauernpräsident Gerd Sonnleitner mit Walter Pötter, Vorsitzender des Lidl-Vorstandes, um, so die damalige Pressemitteilung des DBV, über die Internationalisierung des Lebensmittelhandels und die Qualitätskontrolle am Beispiel von Pflanzenschutzmitteln zu diskutieren.
Lidl macht Druck
Schadstofffreiheit wird ein Wettbewerbskriterium. Das stellte Dr. Christian Grugel, Präsident des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bei der Vorstellung des Lebensmittelmonitoring zu Messebeginn fest. Nachdem Lidl mehrfach von Greenpeace diesbezüglich auf die schwarze Liste gesetzt wurde, hat der Konzern reagiert und lässt Edeka, Metro, Aldi und Rewe alleine am Pranger. Nach Angaben der Lebensmittel Zeitung hat Lidl in Spanien sogar eigene Kontrollmechanismen eingeführt und scheute sich nicht, verschiedene Produkte bereits dauerhaft aus den Regalen zu nehmen.
Thomas Oberle bestätigte Herd-und-Hof.de, dass Lidl strengere Richtlinien bei Pflanzenschutzmittelrückständen anlegt, als es das Gesetz vorschreibt. Rund ein Drittel besser müssen die Produkte sein. Die Auswirkungen sind interessant: Dr. Hermann-Josef Nienhoff, Geschäftsführer des Qualitätssiegel QS zu Jahresbeginn in einem Interview mit der Lebensmittel Zeitung zu Obst- und Gemüsestandards: „Maßstab sind die Einhaltung der Höchstmengen der deutschen Rückstandshöchstmengenverordnung sowie der Einsatz zugelassener Mittel.“ Damit hebelt Lidl das Lieblingssiegel der CMA und des DBV voll aus.
Leicht seien die Lidl-Standards bei den Lieferanten nicht durchzusetzen, aber „man muss mit den Unternehmen Gespräche führen“, so Oberle.
Gewinnspiel oder Sponsoring?
Auf der Grünen Woche und der Rückseite der aktuell in Berlin verteilten Wurfwerbung bietet Lidl ein Gewinnspiel für Schüler und ihren Klassen an. Thomas Oberle zählte die verschiedenen Gewinnmöglichkeiten auf.
Komme man da nicht in Gefahr des Sponsorings von Schülern, wollte Herd-und-Hof.de wissen? „Nein“, ist die entschiedene Antwort des Pressesprechers. „Das ist ein offener Wettbewerb und kein Sponsoring.“
Noch nicht heilig gesprochen
Eine Studie der KPMG im September 2006 sieht Discounter an ihrer Wachstumsgrenze angekommen. Der Anteil von etwa 40 Prozent am gesamten Lebensmittelhandel ließe sich nicht mehr steigern und ein noch dichteres Filialnetz nicht mehr weben. So bleibt das Wachstum in die Qualität?
Da gibt es aber vor der Heiligsprechung noch weitere Baustellen. Zur Schwarz Unternehmensgruppe gehört auch Kaufland, von denen es in Rumänien derzeit 18 Filialen gibt. Für weitere Expansionen sollen rund 300 Millionen Euro veranschlagt sein, von denen die europäische Entwicklungsbank ein Drittel finanzieren soll. In Anlehnung an die „ständigen Verstöße gegen Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie diskriminierendes Verhalten gegenüber Beschäftigten von Kaufland und Lidl“, fordert die Gewerkschaft ver.di, die Kredite nicht zu genehmigen. Die Schwarz-Gruppe hingegen sieht nach Angaben der Lebensmittel Zeitung die Gewerkschaft auf einem Feld aktiv, auf dem ihnen „schlicht die Kompetenz“ fehle.
Zum Schluss darf man sich fragen, wer von der temporären Liaison in Halle 3.2 profitiert? Der Bauernverband, der als Standesvertretung Kleinbauern, große Bauern und Ökobauern gegenüber Politik und Wirtschaft vertreten will und dem Verbraucher ein bestimmtes Leitbild seines Berufsstandes vermitteln möchte, oder der Discounter, dessen Tragetaschen müde Messehände am Abend durch die ganze Stadt schleppen?
Roland Krieg
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