Lidl-Pilotprojekt Eco-Score

Handel

Auf der Suche nach einem Nachhaltigkeitssiegel

Seit Juni 2021 testet der Discounter Lidl den Eco-Score in einer Pilotphase. Die Namensähnlichkeit zum Nutri-Score ist nicht zufällig. Auf Berechnungsbasis soll das in Frankreich erfundene Label nicht die Ernährungswerte, sondern die Umweltwerte eines Produktes anzeigen. Es ist ähnlich wie der Nutri-Score aufgebaut und soll Kunden eine schnelle Orientierung vermitteln. Parallel sammeln die Organisatoren von Eco-Score noch Stimmen für eine Europäische Bürgerinitiative [1].

Eco-Score bei Lidl Berlin

Das ist mehr als Trend, denn auch die EU-Kommission plant bereits eine Vorgabe und sucht noch grafische und inhaltliche Elemente. Ob die Kennzeichnung dann verpflichtend wird oder auf freiwilliger Basis beruht ist noch offen. Lidl begleitete die Pilotphase mit Umfragen, ob so ein Label verständlich ist und Wirkung zeigt. „Wir wollen der nachhaltigste Frischediscount in Deutschland sein“, sagte Christoph Graf, der bei dem Schwarz-Discounter den Einkauf leitet. Lidl hat bereits Bio-Produkte gelistet, vermarktet eng mit Bioland und hat den Tierwohl-Kompass eingeführt. Lidl will also nicht nur eigennützig die Diskussion anschieben, sondern bei den Kunden mit Klarheit und Glaubwürdigkeit punkten.

Dr. Achim Spiller, Professor für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Universität Göttingen sieht einen Bedarf an Umwelt- und Klimalabel, wie er am Dienstagabend im Lidl-Talk ausführte. Für deren Kriterien haben die Menschen kein „Bauchgefühl“ für eine Prüfung. Die verschiedenen Bio-Label sind sehr spezifisch, aber lassen entlang der Wertschöpfungskette einiges aus. Der britische Händler Tesco experimentierte bereits vor zehn Jahren mit einem Klimalabel. Das schlug fehl, weil die Briten für jedes Produkt einen Carbon Footprint ermitteln wollten. Zu komplex und zu viel Bürokratie, sagte Spiller. Die Franzosen seien mit dem Eco-Score weiter und auch die Skandinavier wollen ein Klimalabel entwerfen.

Was soll alles rein?

Ob der Eco-Score ein Schritt zu einem umfassenden Nachhaltigkeitslabel ist, bleibt offen. Die Franzosen bewerten entlang der gesamten Wertschöpfungskette 16 Kategorien, lassen aber beispielsweise die Biodiversität außer Acht. Für Spiller stellt sich die Frage: „Wie hoch wollen wir aggregieren?“ Daten für eine Klimabewertung sind mittlerweile vorhanden, Der Fußabdruck ließe sich mit Kohlendioxid-Äquivalenzwerten gut berechnen. Aber schon bei „Bio“ stellt sich die Frage, ob dieser Status zwingend besser sei. Zudem stellt sich die Frage, ob Kunden die einzelnen Komponenten alle gleich bewerten: Der eine lege mehr Wert auf Tierwohl und betrachtet soziale Aspekte nicht. Für den einen ist die Gesundheit wichtiger als die Regionalität.

Ein einheitliches Label würde aber Greenwashing aus dem Markt drängen. Nach Spiller gibt es bei dem Punkt Klimaneutralität viel „Schmuhl“.

Verbraucher suchen nach Orientierung, betonte Kathrin Krause von der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv). So schmiss „Frosta“ vor Jahren alle Zusatzstoffe aus den Rezepturen. Die Kunden hingegen bemerkten nur, dass die Frosta-Produkte „15 Cent“ teurer wurden, blickte Vorstand Felix Ahlers zurück. Der persönliche Vorteil muss den Konsumenten erklärt werden.

Welche Standards?

Die Ökonomin Hiltrud Nieberg vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft kritisiert: „Alles in einen Top stecken ergibt am Ende eine merkwürdige Suppe.“ Um dem Eco-Score wirkliche Glaubwürdigkeit zu vermitteln, müsste bei jedem Erzeuger eine betriebs- und produktbezogene Umweltanalyse erfolgen. Bei den vorhandenen privaten Labeln wie den Bio-Siegeln und bei anderen Labeln finden regelmäßige Kontrollen statt. Kann das nicht realisiert werden, sind die Label nur eine rechnerische Mitte. Weizenmehl aus Getreide eines Brandburger und eines Getreidebetriebes aus Baden-Württemberg haben so unterschiedliche Produktionsbedingungen, dass sie über das Mehl nicht mehr identifiziert werden können. Für eine Pizza aus 20 Zutaten wäre die betriebliche Analyse zu kostspielig und ein Bürokratiemonster.

Ahlers gibt ihr Recht. Für die Vergleiche zweier Weizen ist der Eco-Score nicht genau genug. Aber er kann zwischen Weizen und Fleisch unterscheiden.

Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht die Biobranche durch den Eco-Score benachteiligt. Nicht nur, weil Öko“, „Bio“ und „Eco“ rechtlich geschützt sind, sondern weil die Erzeugerstufe nicht ausreichend berücksichtigt werde. Der Bio-Systemansatz Artenvielfalt und Wasserschutz seien unterrepräsentiert.

Doch auch „Bio“ erschlage nicht die gesamte Debatte über Nachhaltigkeit. Auch auf trockengelegten Moorböden weiden Bio-Kühe. Auch Bio müsse weiter entwickelt werden – findet Peter Röhrig.

Lesestoff:

[1] Eco-Score sammelt aktuell noch Stimmen für eine Europäische Bürgerinitiative https://europa.eu/citizens-initiative/initiatives/details/2021/000005_en

Roland Krieg

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